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# taz.de -- Aidsaufklärung in Südafrika: Das Tabu reicht weit
> Südafrikas größte Aidskampagne "loveLife" versucht, die junge Generation
> mit Fußballturnieren oder Slam-Poetrys zu erreichen. Doch nur wenige
> wollen über die Krankheit reden.
Bild: Fußball-Kids im Township Orange Farm.
Das Tor ist verschlossen. Sie kommen nicht hinein in den Fußballkäfig. Es
riecht nach Plastik und Farbe, so neu ist der Platz. Das makellose Grün
sticht hervor im staubigen Township Orange Farm im Süden von Johannesburg.
Ärmliche Hütten stemmen sich gegen den eisigen Wind. Menschen stehen am
Koksfeuer, in dicke Decken gewickelt, fröstelnd reiben sie ihre Finger über
der Glut.
Maradona, genannt Dona, ehemaliger Spieler des Spitzenvereins Orlando
Pirates, hat den Schlüssel zum Platz. Aber Dona ist wie vom Erdboden
verschluckt. In diesen Tagen findet ein großes Fußballturnier in Orange
Farm statt, mit zehn Mannschaften und einem Pott, größer als der
Fifa-Weltpokal. Eigentlich waren ein paar Gruppenspiele an diesem Vormittag
geplant, aber der Kunstrasen, von der Gesellschaft für technische
Zusammenarbeit (GTZ) verlegt, bleibt leer. Sehnsüchtig blicken ein paar
Kinder hinein in den Käfig.
Der 19-jährige Blessing ist ein "Groundbreaker", ein Streetworker der
südafrikanischen Anti-Aids-Kampagne "loveLife", der größten in Südafrika.
Er weiß, dass die Jugendlichen nicht einfach so kommen, sie müssen
angelockt werden - mit Ultimate Frisbee, Slam-Poetry-Contests oder mit
Fußball. Sie sollen lernen, wie gefährlich der HI-Virus ist, gerade in
ihrem Alter. Schätzungsweise sechs Millionen Menschen sind in Südafrika
schon an Aids gestorben, jeder achte der 48 Millionen Einwohner soll den
Virus in sich tragen.
Groundbreaker kann nur werden, wer das Abitur gemacht hat. Sie sollen ihre
Kumpels aufrütteln, denn mit dem Verlassen der Schule und der Familie
steigt die Gefahr der Ansteckung. Sind mit 17 nur sechs Prozent der Mädchen
mit HIV infiziert und 2,1 Prozent der Jungs, so sind es sechs Jahre später
schon 28,9 Prozent der Frauen und 12,2 Prozent der Männer. "Die Arbeit ist
eine Herausforderung, ganz klar", sagt Blessing, "aber ich erreiche die
Jungs." Sie sollen Kondome benutzen und ein Nein der Frau akzeptieren
lernen. "Es klingt einfach, aber es ist sehr schwer", sagt Blessing. 90
Euro im Monat bekommt er von "loveLife" für seine Arbeit.
Die Aktivisten von "loveLife" wurden anfangs angefeindet. Aids war zwar
eine Krankheit, von der jeder wusste, aber gesprochen wurde darüber nicht.
Der frühere Präsident Thabo Mbeki bagatellisierte das Problem. Als ein
führendes Mitglied des regierenden ANC, Peter Mokaba, an Aids starb, wurde
eine Lungenentzündung vorgeschoben. Mokaba hatte behauptet, die Existenz
des HI-Virus sei nicht erwiesen, Pharmakonzerne wollten Südafrikaner nur
"vergiften".
Der aktuelle Präsident Jacob Zuma sagte bei einem Prozess wegen
Vergewaltigung gegen ihn, nach dem Geschlechtsverkehr habe er sich geduscht
und damit die Ansteckungsgefahr gebannt. Es war ein Richter des
Verfassungsgerichtes, selbst an Aids erkrankt, der das Schweigen brach.
Auch Nelson Mandela leistete seinen Beitrag: Als sein Sohn Makgatho Mandela
mit 54 Jahren starb, da nannte der große alte Mann den Grund: Aids.
"Wenn wir manchmal Testkampagnen machen", sagt Detlef Tenzer vom Deutschen
Entwicklungsdienst (DED), "dann sind acht von zehn Leuten positiv. Das ist
wirklich dramatisch." In der Zentrale von "loveLife", im noblen
Johannesburger Stadtteil Sandton, wird regelmäßig für Beerdigungen
gesammelt, weil der Bruder oder die Schwester eines Angestellten gestorben
ist. "Niemand würde sagen, dass ein Angehöriger an Aids gestorben ist",
sagt Norbert Herrmann vom DED, "nicht mal hier". Das Tabu reicht weit,
selbst bis zu "loveLife", das mit staatlichem Geld eine Zeitschrift und
Radioclips produziert, ein Call-Center unterhält und ein Heer von
jugendlichen Botschaftern unterhält.
Am Fußballkäfig ist mittlerweile David Ganoka eingetroffen, der 43-jährige
Fußballtrainer. Seine "Happy Boys" nehmen auch am großen Fußballturnier von
Orange Farm teil. "Wir gewinnen, ist doch klar", sagt er. "Die WM hat uns
diesen Platz gebracht, deshalb liebe ich sie." Ein paar seiner Happy Boys
will er zu Profis machen. Sie sollen wie Dona bei den Orlando Pirates
spielen oder für die Kaizer Chiefs.
20 Jun 2010
## AUTOREN
Markus Völker
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