# taz.de -- Wandern in Patagonien: Entlang der schneebedeckten Berge | |
> Der Nationalpark Torres del Paine in Chile ist ein spektakuläres | |
> Naturerlebnis und ein gutes Wandergebiet. | |
Bild: Im Nationalpark Torres del Paine. | |
Tränende Augen, tropfende Regenjacke, kalte Füße: Wer bei zehn Grad im | |
Sommer durch den Torres del Paine wandert, braucht unbedingt lange | |
Unterhosen, wind- und regenfeste Kleidung, Handschuhe, Stirnband und | |
Sonnencreme. Ständige Wetterwechsel sind in Patagonien ebenso alltäglich | |
wie die spartanische Ausstattung einiger Schutzhütten ohne Licht und | |
Heizung oder mit acht Stockbetten. Doch der chilenische Nationalpark ist so | |
beliebt, dass diese Übernachtungsmöglichkeiten auch in der Vorsaison und im | |
Winter belegt sind. Das liegt an den schneebedeckten Bergen, glasklaren, | |
blauen Seen und Gletschern inmitten von Zypressen-, Südbuchen- und | |
Olivillowäldern. | |
Es regnet. Patagonische Steppe, so weit das Auge reicht, vereinzelte Bäume, | |
Schafe, Pferde, Gaunakos. Das Monotone endet erst am rund 181.000 Hektar | |
großen Nationalpark, der sich an der argentinischen Grenze befindet und | |
1978 zum Biosphärenreservat der Unesco erklärt wurde. | |
Vor Einrichtung des Parks durch die Regierung Chiles hatten die | |
Grundbesitzer bereits große Teile der Wälder abgebrannt, um | |
Schafweideflächen zu gewinnen. Heute ist die Landschaft wieder der Natur | |
überlassen. 2.000 und 3.000 Meter hohe Berge, auf denen auch im Sommer | |
immer noch vereinzelt Schnee liegt; riesige blaue Seen mit Eisschollen, | |
Gletschern und Bäumen wechseln sich ab. Verschiedenfarbige Blumen und der | |
rote chilenische Feuerbusch leuchten trotz der tief liegenden Wolken in | |
kräftigen Farben. | |
Die gut ausgeschilderten Wanderwege sind matschig. Jedem Schritt folgt ein | |
glucksendes Geräusch. Rund zwei Stunden geht es von der Hosteria Las Torres | |
über verschiedene Höhen zur „Refugio Chileno“. Der Erleichterung nach dem | |
Ankommen folgt die Ernüchterung: Die Zimmer dieser Schutzhütte haben weder | |
Licht noch Heizung. Die einzige Möglichkeit, Schuhe und Kleidung zu | |
trocknen, bietet ein Holzofen im Flur, um den bereits die Kleidungsstücke | |
von fünfzig anderen Wanderern liegen. Die sitzen dann auch im größten Raum, | |
weil in den sechs Zimmern mit seinen jeweils acht Betten kein Platz mehr | |
ist, wenn die Rucksäcke abgestellt wurden. | |
Doch nach dem Kleiderwechsel, dem warmen Essen und einem Glas chilenischen | |
Rotweins verspricht das schmale Stockbett mit Schlafsack trotz der anderen | |
sieben Mitschläfer zumindest zeitweiliges Aufwärmen. | |
Der Regen hat trotz gegenteiliger Prognosen aufgehört. Auf dem fünf | |
Kilometer langen Weg von der Schutzhütte zu den Torres (Türmen) geraten | |
angesichts des Höhenanstiegs von rund 1.000 Metern auch erfahrene Wanderer | |
ins Schwitzen. Über Steine, kleine Bäche und durch Südbuchenwälder geht es | |
entlang an schneebedeckten Bergen zum Wahrzeichen des Nationalparks. Dann | |
ist der Blick am Mirador Torres auf die drei nadelartigen Granittürme frei. | |
Heute sind wegen der Wolken zunächst nur zwei der zwischen 2.600 und 2.800 | |
Meter hohen Türme sichtbar. Es dauert auch nur wenige Augenblicke, bis sich | |
die Wolken verziehen und alle drei Torres erscheinen. Aber so plötzlich sie | |
auftauchen, so schnell sind sie wieder verschwunden. | |
Beim Abgang über die Geröllmassen sind einige Stopps nötig, um die | |
Entgegenkommenden angesichts der schmalen Pfade passieren zu lassen. Diese | |
Rücksichtnahme gilt auf allen ausgewiesenen Wegen, die in den nächsten | |
Tagen zu drei anderen Schutzhütten im Park führen. Alle Schutzhütten sind | |
einfach, aber zweckmäßig mit einem Bett und einem, übrigens mietbaren, | |
Schlafsack ausgestattet. | |
Ein Abendessen in der Hütte kostet 14 Euro, das Bier drei Euro. In allen | |
Hütten kann ein Lunchpaket für den nächsten Wandertag bestellt werden. Im | |
Haus am Lago Pehoé findet man zusätzlich einen Minimarkt, in dem es von | |
Obst bis zu Batterien alles gibt. Diese Anlage ist eine der neueren und | |
bietet einen guten Komfort. Ein Aufenthaltsraum mit Sofa und Sesseln, zwei | |
Internetplätze, Licht in den Zimmern und eine Kantine mit Selbstbedienung | |
sind fast schon luxuriös. Doch die wahren Schätze liegen außerhalb jeder | |
festen Unterkunft. | |
Die elf Kilometer lange Strecke vom Lago Pehoé zur „Refugio Grey“ entlang | |
des Lago Grey ist mit seinen wechselnden Höhen und Tiefen an | |
blau-türkisfarbenen Seen eine Herausforderung. Der Grey-Gletscher erstreckt | |
sich zwanzig Kilometer vom patagonischen Inlandeis bis in den Lago Grey. | |
Hier schieben sich Eismassen vor, einzelne Stücke brechen ab, die auf dem | |
See treiben. Die Sonne lässt das Wasser erst blau, dann grünlich, später | |
fast schwarz erscheinen. Ein Eintauchen in ständige Wetter- und | |
Wahrnehmungswechsel. | |
Die heranziehenden Wolken hüllen die gerade noch sichtbaren Gletscher | |
schnell wieder ein. Die Sonne ist verschwunden. Es ist dunkler geworden. | |
Gleich regnet es wieder. Doch das ist am Ende der fünftägigen Wanderung | |
ganz unwichtig. | |
24 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Maren Landwehr | |
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