# taz.de -- Weltnaturerbe-Jubiläum: Hamburg setzt auf Schlick | |
> Das Wattenmeer ist seit einem Jahr von der Unesco als Naturwunder | |
> anerkannt. Die Bilanz fällt zwiespältig aus. Nun will auch Hamburg seinen | |
> Teil Nordsee zum Erbe der Menschheit erklären lassen. | |
Bild: Weltnaturerbe Wattenmeer: Mit einiger Verspätung kommen nun wohl auch Ha… | |
Hamburg will die Lücke im Weltnaturerbe Wattenmeer an der Nordsee | |
schließen. "Wir werden den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer bei der | |
Unesco anmelden", verkündet der Sprecher der Hamburger Umweltbehörde, | |
Volker Dumann. Vor einem Jahr, am 26. Juni 2009, waren die | |
Wattenmeer-Nationalparke von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und den | |
Niederlanden bereits von der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und | |
Kultur als Erbe der Menschheit anerkannt worden. Damit stehen sie auf einer | |
Stufe mit Naturwundern wie dem Grand Canyon, der Serengeti oder dem Great | |
Barrier Reef. Nur Hamburg und Dänemark verweigerten sich damals. Das soll | |
sich nun ändern. | |
Bei einer Fachtagung auf der Insel Neuwerk vor der Elbmündung haben die | |
Nationalparkverwaltungen jetzt ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt. | |
Dänemark will bis Oktober entscheiden, wann und in welcher Form es seine | |
1.700 Quadratkilometer Wattenmeer zwischen Sylt und Esbjerg als | |
Weltnaturerbe anerkennen lassen möchte. So lange will die Hansestadt sich | |
gedulden, um mit einem Gesamtpaket zur Unesco zu gehen. | |
"Wir machen das gern mit den Dänen in 2011 gemeinsam", sagt Dumann. Nicht | |
zuletzt, weil ein solcher Antrag dem Hamburger Titel "Europäische | |
Umwelthauptstadt 2011" zusätzlichen Glanz verleihen würde. Notfalls aber | |
werde der Stadtstaat an der Elbe auch "im Alleingang" seine Bewerbung in | |
Paris einreichen. Diese müssen jeweils bis zum 1. Februar jedes Jahres bei | |
der Unesco vorliegen. "Spätestens 2012 melden wir das an", verspricht | |
Dumann. | |
Hamburg war 2008 wegen der geplanten weiteren Elbvertiefung aus dem | |
Verfahren ausgeschieden und hatte damit seinen Hafeninteressen Vorrang vor | |
einem Naturerbe-Titel gegeben. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag war dann | |
aber eine Nachnominierung des Hamburger Wattenmeeres ausdrücklich | |
festgeschrieben worden. Die Unesco hat inzwischen alle Bedenken aus dem Weg | |
geräumt mit der Versicherung, dass es keine Einschränkungen für die | |
Hafenzufahrt geben werde. | |
"Das Weltnaturerbe Wattenmeer ist ein großer Gewinn für Schleswig-Holstein. | |
Naturschutz und Tourismus profitieren von dieser Auszeichnung", bilanzierte | |
am Donnerstag Schleswig-Holsteins Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU) das | |
erste Jahr. Zugleich stellte sie klar, dass der Titel "nicht mehr | |
Naturschutz" bedeute. "Aber es bedeutet mehr Anerkennung, mehr | |
Wertschätzung für die Regeln, die in diesem sensiblen Naturraum gelten." | |
Von einer "Erfolgsbilanz" spricht auch Niedersachsens Umweltminister | |
Hans-Heinrich Sander (FDP). Für die Küste sei der Welterbe-Titel "ein | |
außerordentlicher Imagegewinn". Gemeinsames Ziel sei es, einen Tourismus zu | |
etablieren, der die Aspekte Naturverträglichkeit, Naturerlebnis und | |
Nachhaltigkeit integriere. | |
Verhaltener fällt die Bilanz der Umweltschutzverbände aus. Der Präsident | |
des Naturschutzbundes (Nabu), Olaf Tschimpke, sieht weiterhin erhebliche | |
Defizite beim Schutz des Wattenmeers. Die negativen Folgen von Fischerei, | |
Schiffsverkehr und teilweise auch des Tourismus seien nicht zu übersehen. | |
"Der Einfluss ökonomischer Interessen im Wattenmeer ist definitiv zu hoch", | |
so Tschimpke. | |
Zu den stärksten Bedrohungen zähle die Förderung von Erdöl, so der | |
Nabu-Präsident. Nördlich der Elbmündung ist nahe der Vogelinsel Trischen | |
seit 1987 die Förderplattform Mittelplate in Betrieb. Von dieser gehe "eine | |
erhebliche Gefahr für die Umwelt" aus. Wegen einer gültigen Konzession darf | |
die Plattform der Konzerne Wintershall und RWE Dea aber weiterhin Öl | |
fördern. | |
Eine vorsichtig positive Bilanz zieht die Umweltstiftung WWF: "Das | |
Weltnaturerbe hat eine unglaublich gute Resonanz in der Region", sagt | |
Hans-Ulrich Rösner, Projektleiter Wattenmeer beim WWF. Auch die | |
Nordseeurlauber erwarteten intakte Natur im Wattenmeer und würden | |
andernfalls vielleicht nicht mehr kommen. "Der Tourismus hat eine ganz | |
zentrale Verantwortung", sagt Rösner. Hotelbauten in Dünen und Kitesurfen | |
auf Kosten geschützter Vögel seien nicht akzeptabel. | |
"Keinen Grund zum Feiern" sieht der Wattenrat Ostfriesland. Das | |
Weltnaturerbe-Etikett werde ausschließlich ausgeschlachtet, um noch mehr | |
Touristen an die Küste zu locken. Für Tiere und Pflanzen aber, so Wattenrat | |
-Sprecher Manfred Knake, habe das "keine messbaren Verbesserungen | |
gebracht". | |
24 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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