# taz.de -- Todesstrafe in den USA: Erfundene Geständnisse | |
> Ein Afroamerikaner sitzt seit 19 Jahre in einer Todeszelle. Konkrete | |
> Beweise waren nie gefunden worden. Nun haben Zeugen zugegeben, aus Angst | |
> vor der Polizei damals falsch ausgesagt zu haben. | |
Bild: Betet für eine Begnadigung: Virginia Davis, die Mutter des Todeskandidat… | |
SAVANNAH afp | In einer beispiellosen Anhörung haben am Mittwoch (Ortszeit) | |
sieben von neun Zeugen ihre Aussagen gegen den Afroamerikaner Troy Davis | |
zurückgezogen, der seit 19 Jahren in den USA in einer Todeszelle sitzt. | |
Mehrere Zeugen gestanden, sie hätten aus Angst vor der Polizei behauptet, | |
Davis habe 1989 den weißen Polizisten Mark McPhail ermordet. Der Oberste | |
Gerichthof der USA will nun eine Wiederaufnahme des Falls prüfen. Davis | |
sitzt seit einem Urteil aus dem Jahre 1991 in der Todeszelle und hat | |
bereits drei Mal die Aussetzung der Vollstreckung der Strafe erreicht. Er | |
wurde ausschließlich aufgrund der damaligen Zeugenaussagen wegen Mordes an | |
McPhail in Savannah zum Tode verurteilt. Eine Tatwaffe, konkrete Beweise | |
oder DNA-Spuren, die auf Davis als Täter hingedeutet hätten, wurden nie | |
gefunden. Im August 2009 sprach der Oberste Gerichtshof der USA Davis das | |
Recht auf eine neue Anhörung zu. Ein Bundesgericht müsse Zeugen vernehmen | |
und untersuchen, ob neue Fakten Davis' Unschuld beweisen könnten, befanden | |
die Richter. Es war das erste derartige Urteil seit Wiedereinführung der | |
Todesstrafe in den USA 1976. | |
Bei der Anhörung sagte ein Zeuge, der Davis damals als Mörder beschuldigt | |
hatte, er habe schon in dem früheren Verfahren ausgesagt, er könne den | |
Schützen kaum wiedererkennen. Der Analphabet sagte zudem, er habe ein von | |
der Polizei verfasstes Dokument unterzeichnet, dessen Inhalt er gar nicht | |
lesen konnte. Ein früherer Mithäftling von Davis sagte aus, er habe dessen | |
angebliches Geständnis schlicht "erfunden". "Das hat mir geholfen, sie | |
haben meine Strafe reduziert." Ein damals 16-Jähriger sagte, die Polizei | |
habe ihn mit der Drohung zu seiner Aussage gegen Davis gezwungen, sie werde | |
ihn als Komplizen belangen. | |
Davis selbst hörte den Zeugenaussagen äußerlich ruhig zu und hielt | |
gelegentlich Rücksprache mit seinen Anwälten. Der Gerichtssaal war bis auf | |
den letzten Platz besetzt - mit Davis' schwarzer Verwandschaft auf der | |
einen Seite und den weißen Angehörigen der Familie McPhail auf der anderen | |
Seite, einschließlich seiner beiden Kinder. "Die Hinrichtung hätte längst | |
stattfinden sollen", sagte Kim Robertson, eine Freundin der Familie | |
McPhail, der Nachrichtenagentur AFP. "Ich habe keinen Zweifel daran, dass | |
er schuldig ist." | |
Angesichts der kargen Beweislage hatten sich Papst Benedikt XVI., der | |
ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, die Schauspielerin Susan Sarandon und | |
der Europarat für Davis eingesetzt. Das Gericht will nach Anhörung der | |
Zeugen dem Obersten Gerichtshof seine Schlussfolgerungen übermitteln. Auch | |
die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) setzt sich für | |
Davis ein. | |
Davis' ältere Schwester Martina Correia, die sich seit ihrem 14. Lebensjahr | |
für die Menschenrechte engagiert, sagte AFP, der Prozess gegen ihren Bruder | |
sei ein deutlicher Beleg für den anhaltenden Rassismus der US-Südstaaten: | |
"Auch nach der Bürgerrechtsbewegung und den Gesetzesänderungen zugunsten | |
der Gleichbehandlung von Schwarzen und Weißen hat sich die Mentalität der | |
Menschen nicht geändert", sagte Correia. Als die Golfkriegs-Veteranin 2001 | |
an Krebs erkrankte und die Ärzte ihr nur noch sechs Monate gaben, habe sie | |
"Gott gebeten", sie nicht sterben zu lassen, ehe sie nicht ihren Bruder in | |
Freiheit wiedergesehen habe. | |
25 Jun 2010 | |
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