# taz.de -- Interview: Jean-Claude Ndjakanyi: "Wie in einem schlechten Krimi" | |
> Jean-Claude Ndjakanyi, Anwalt des ermordeten Menschenrechtlers Floribert | |
> Chebeya in der Demokratischen Republik Kongo, enthüllt die Hintergründe | |
> des Mordes. | |
Bild: Engagiert bis zum Schluß: Der kongolesische Menschenrechtsaktivist Flori… | |
taz: Herr Ndjakanyi, Sie waren ein persönlicher Freund des ermordeten | |
Floribert Chebeya und Rechtsanwalt seiner Menschenrechtsvereinigung Voix | |
des Sans-Voix. Nun sind Sie in Belgien und sagen, Sie werden bedroht. Was | |
ist geschehen? | |
Jean-Claude Ndjakanyi: Eine afrikanische Frau rief mich an und sagte, "sie" | |
hätten erreicht, was sie wollten, aber jetzt sei ich dran. Sie sprach wie | |
in einem schlechten Krimi, wo man anonym anruft und sagt: "Jetzt sind Sie | |
dran." | |
Und warum sind Sie dran? | |
Floribert war im März in Belgien, und wir haben über die Massaker | |
gesprochen, die Kongos Sicherheitskräfte 2007 und 2008 in der Provinz | |
Bas-Congo begingen. Ich bat ihn, mir seine Unterlagen zu schicken, damit | |
ich in Belgien Klage gegen Innenminister Denis Kalume, gegen Polizeichef | |
John Numbi und gegen den Bas-Congo-Polizeichef Shalwe Ruashi Raus | |
einreichen kann. Diese Klage war in Arbeit, als Floribert getötet wurde. | |
Ich habe sie am 5. Juni eingereicht und mich am 10. Juni im Namen von VSV | |
als Nebenkläger konstituiert, denn das war Floriberts Wille vor seinem Tod. | |
Die juristische Basis ist das belgische Prinzip der universellen | |
Jurisdiktion. Shalwe besitzt die belgische Staatsbürgerschaft. Wenn ein | |
Mitglied einer Tätergruppe Belgier ist, kann die belgische Justiz die | |
gesamte Gruppe verfolgen. | |
Nun hat Kongos Regierung wegen der Ermordung Chebeyas mehrere hohe | |
Polizeibeamte suspendiert, darunter Polizeichef Numbi, und einige | |
festgenommen. Was sagen Sie dazu? | |
Ich bin etwas erstaunt. Erst fand man in Floriberts Auto angeblich Kondome | |
und Frauenhaare, man wollte sein Andenken beschmutzen. Manche Medien | |
schrieben sogar von einem natürlichen Tod. Wenige Tage später sagt die | |
Staatsanwaltschaft, es war Mord, und dann sagt Regierungssprecher Lambert | |
Mende, es war Totschlag. Das ist alles problematisch. Zum Zweiten ist | |
Chebeyas Fahrer noch immer spurlos verschwunden. Man weiß noch immer nicht, | |
unter welchen Umständen Chebeya ermordet wurde. Ich weise darauf hin, dass | |
es in einer Polizeistelle geschah. Das ist ein erschwerender Umstand. Wir | |
fordern eine internationale Untersuchungskommission. | |
Was sind die Lücken in der kongolesischen Untersuchung? | |
Wenn man eine Leiche findet, muss die Staatsanwaltschaft Indizien sammeln, | |
den Tatort besichtigen und die materiellen Beweise dem Untersuchungsrichter | |
vorlegen. Aber im Falle Floribert hat die Polizei einfach die Leiche | |
mitgenommen und in eine Leichenhalle gebracht. Und die Polizisten, die | |
Geständnisse abgeliefert haben, tun dies nicht gegenüber dem | |
Untersuchungsrichter, sondern gegenüber Präsident Kabilas | |
Sicherheitsberater Pierre Numbi. Wir haben keine Garantie, dass die | |
Präsidentschaft neutral in dieser Sache ist; sie könnte ja beteiligt sein. | |
Wie beteiligt? | |
Laut den vorliegenden Polizeigeständnissen gab Polizeichef John Numbi den | |
Befehl zum Mord an Floribert Chebeya mit Billigung von höchster Stelle. | |
Also vom Innenminister? | |
Die höchste Stelle im Kongo ist der Präsident. | |
Chebeyas Freunde wollten ihn ursprünglich am 30. Juni beisetzen, wenn Kongo | |
50 Jahre Unabhängigkeit feiert. Ist das keine Provokation? | |
Ich weiß nicht, wer hier wen provoziert. Chebeya wurde ermordet, weil er | |
für eine gerechte Sache eintrat, nämlich Freiheit für dieses Land, und das | |
beste Datum, um dessen zu gedenken, ist der Unabhängigkeitstag, wo wir uns | |
alle daran erinnern, wie wir vom Kolonialismus befreit wurden und sagen | |
durften, was wir dachten. Wir haben das Datum nicht als Provokation | |
gewählt. Diejenigen, die ihn ermordet haben, sind die Provokateure. | |
Aber die Behörden haben das nicht zugelassen. | |
Sie haben sogar der Leichenhalle vom Krankenhaus Mama Yeko, wo er lag, den | |
Strom abgeschnitten, damit Floribert schneller verwest und man ihn am 26. | |
Juni begraben musste. Was für ein Zynismus! Die Präsidialgarde hat die | |
Leichenhalle besetzt, tagelang durfte die Familie nur das Gesicht sehen, | |
mit Blut an Nase, Ohren und Mund. | |
In dieser Stimmung soll Belgiens König zum 30. Juni nach Kinshasa fahren … | |
Ich weiß nicht, was der König vorhat. Sicherlich wird er den Mördern die | |
Hände schütteln. Aber es gäbe etwas anderes. Wir haben einen Kranz gekauft, | |
und wenn Belgiens König auf der Seite des Volkes stehen will, sollte er | |
diesen Kranz auf Floribert Chebeyas Grab legen. | |
28 Jun 2010 | |
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