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# taz.de -- Transgenialer CSD in Kreuzberg: Ismus muss weg!
> Beim Transgenialen CSD am Samstag können politische Forderungen nicht
> durchdringen
Eine solch geniale PR-Kampagne hätte sich der Transgeniale CSD, die
Kreuzberger Gegenveranstaltung zum großen CSD vom letzten Wochenende,
niemals leisten können: Die Philosophin und Feministin Judith Butler hatte
auf der Abschlusskundgebung des CSD nicht nur den ihr angedienten
"Zivilcouragepreis" abgelehnt, sondern auch zum Besuch des Transgenialen
CSD in Kreuzberg aufgerufen.
Das Alleinstellungsmerkmal des Transgenialen CSD laut Butler und den
Veranstaltern: Er ist nicht rassistisch, nicht kommerziell - dafür viel
politischer.
In der Tat nahmen in diesem Jahr ungefähr doppelt so viele Teilnehmer an
dem Umzug teil, der vom Rathaus Neukölln über den Hermannplatz bis hin zum
Heinrichplatz in Kreuzberg führte. Also geschätzte 3.000 statt der üblichen
1.500 Teilnehmer, was aber laut Maria Tischbier, der Ansprechpartnerin für
gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Berliner Polizei, wohl auch damit
zusammenhing, dass die beiden CSDs in diesem Jahr getrennt liefen.
Konnte der Transgeniale seine Versprechen einlösen? Was das Ethnische
angeht, bliebe in der Mehrzahl eine gewisse Bleichheit der teilnehmenden
Gesichter zu konstatieren. Für viele Schwule und Lesben mit
Migrationshintergrund wäre gerade die Teilnahme an einer solchen Parade
durch den eigenen Kiez ein Risiko: Sie liefen Gefahr, von ihrer Familie
oder von Bekannten erkannt zu werden. Zu beobachten war auch eine gewisse
Zurückhaltung vonseiten jener Menschen, die man mit dieser Parade zu
beglücken versuchte: Geschlossene Fenster entlang der Route und ein
Aufatmen, nachdem die dröhnende Menge endlich vorbei war. Außer einem
gelegentlich gezischten "Schwuchteln" aus Jungmännermündern gab es jedoch
auch keine Feindseligkeiten. Kreuzberg bedeutet auch, dass man einander
aushält.
In Fragen des Kommerzes liefen die Geschäfte rund um die
Abschlusskundgebung, also beim Rumstehen in der Oranienstraße,
offensichtlich bestens. Gereicht wurden an den Ständen der anliegenden
Gastronomie Flaschenbier und frisch gepresster Orangensaft, jeweils zu zwei
Euro. Caiphirinha für erschwingliche vier Euro - Bratwurst gab es auch.
Das Politische kam wahrlich nicht zu kurz, verursachte aber vielen
Teilnehmern aufgrund der leider nicht kommerziellen Lautsprecheranlage
Kopfschmerzen. Die Verlesung der Traktate kam so mitunter nur als
Hintergrundkakophonie an: "Ismus…istisch…Ismus". Bei näherem Hinhören
jedoch unterschieden sich die Forderungen nicht wirklich von jenen, die
auch auf den großen CSDs gestellt werden. Etwa dem Aufruf zu Solidarität
mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in Osteuropa und in der
ganzen Welt und zur Bekämpfung von Homophobie - plus einer Extraportion
Antirassismus und Kapitalismuskritik.
Gegen 23 Uhr desselben Abends wurden im Volkspark Friedrichshain vier
Schwule von einer Gruppe junger Männer geschlagen und getreten. Sie
erlitten Verletzungen im Gesicht und am Oberkörper. Der Haupttäter wurde im
Polizeibericht als westeuropäischer, athletischer Typ beschrieben, der mit
Berliner Akzent sprach. Den Opfern dürfte eine Diskussion über die Frage,
ob die Nennung eines solchen Identitätshintergrundes womöglich rassistisch
ist, ziemlich egal sein.
27 Jun 2010
## AUTOREN
Martin Reichert
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