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# taz.de -- Konzert der Sängerin: Planet Gainsbourg
> Charlotte Gainsbourg, Schauspielerin, Sängerin und eben auch Tochter von
> Serge Gainsbourg und Jane Birkin, stellte im Hamburger Schauspielhaus ihr
> Album "IRM" vor.
Bild: Charlotte Gainsbourg kommuniziert während der ersten Musiktour ihres Leb…
Wie weit der Planet Gainsbourg vom deutschen Alltag entfernt ist, beweist
eine ungeplante Szene in der Mitte des Konzerts. "Hey, Deutschland hat
gewinnen", ruft die schmale Gitarristin in einem nett gemeinten
Kommunikationsversuch mit bebrillten Thirty-Somethings im Hamburger
Schauspielhaus. Irritiert dreht sich der Star zur Mitmusikerin um. Will
wissen, um was es hier eigentlich geht. Doch auch nach klärendem
Kurzgespräch bleibt der Blick des Stars fern von der deutschen
Wirklichkeit. Was ist das eigentlich für ein Gegensatz - fast wie erdacht
für ein Theater? Draußen taumeln die Deutschen siegestrunken nach einem
perfekten Sommersonntagnachmittag und dem mal wieder historischen 4:1-Sieg
über England bei der Fußball-WM in Südafrika. Drinnen gibt es das im Winter
erschienene Album einer notorisch von Selbstzweifeln geplagten Künstlerin
in der Liveversion. "IRM" - eine Platte über Nahtoderfahrungen nach einem
Wasserskiunfall. Er führte zu einer verspätet entdeckten Hirnblutung. Beck,
amerikanischer Songwriter und Popkunst-Kauz, zimmerte der Tochter von Serge
Gainsbourg und Jane Birkin aus dieser Idee ihr zweites richtiges Popalbum
nach dem 2006 erschienenen "5:55".
"IRM", der Song - inspiriert vom Klacken eines Magnetresonanz-Tomografen im
Krankenhaus - eröffnet dann auch ein erstaunlich rhythmisch gedachtes
Konzert. Ein Halbkreis von Fernsehern auf der Bühne zeigt pulsierende
Gehirne. Im Beat der Körperdurchleuchtungsmaschine flackert dazu ein
Stelenfeld aus überdimensionalen Leuchtröhren. Gemeinsam mit ihrer
fünfköpfigen Band betritt Charlotte Gainsbourg die Bühne, es ist ihr erstes
Konzert in Deutschland. Noch bevor der Scheinwerferkegel das Erbe der
französisch-englischen Popkultur-Dynastie Gainsbourg/Birkin erfasst, sieht
man eine extraschmale Silhouette mit strohig verwehtem Langhaar. Ein
Körperumrissbild, fast so bekannt wie ein Michael-Jackson-Scherenschnitt.
Die Gainsbourg, verheiratete Mutter zweier Kinder, trägt eine enge schwarze
Lederhose und schmale Weste über weißem T-Shirt. Zu einem Programm, das
fast alle Songs ihres eklektisch geschmackvollen Albums "IRM" enthält. Um
Trauerkloß-Atmosphäre zu vermeiden, traktiert die bezaubernde
Instinktschauspielerin und Freizeitsängerin eine Trommel oder schüttelt das
Tambourin im Gegenlicht. Dazu die Glamrock und New York Wave beeinflussten
Stampfer "Greenwich Mean Time", "Masters Hands" und später "Trick Pony". Am
besten ist die notorisch an ihrer Schüchternheit leidende Sängerin jedoch,
wenn sie haucht. So etwa im Glöckchensong "In The End" oder dem
Bob-Dylan-Cover "Just Like A Woman" aus dem Film "Im Not There".
Charlotte Gainsbourg kommuniziert während der ersten Musiktour ihres Lebens
nur spärlich mit dem Publikum. In britischem Englisch dankt sie Beck, Air
und vor allem ihrem Vater für die Unterstützung und das wunderbare
Repertoire. Und tatsächlich - die berühmte Tochter, die 1984 dreizehnjährig
neben ihrem oberkörperfreien Vater jene in jeder Hinsicht zweifelhafte
Video-Single "Lemon Incest" trällern musste, singt auch Lieder von Serge.
Zwei, drei Chansons von "Papa", den sie liebt und verehrt. Und dessen
Pariser Haus sie seit seinem Tod 1991 unverändert wie ein Privatmuseum
hütet. Dessen Platten sie zu hören vermeidet, weil seine Stimme sie so
traurig macht. Als Zugabe singt sie dennoch sein wunderbares "Couleur café"
- vom visionären, bereits 1964 erschienenen Afro-Pop-Album "Gainsbourg
Percussions". Der brave Applaus am Ende kann nicht darüber hinwegtäuschen,
dass Musik für diese schüchterne Bühnenpersönlichkeit mit scheuer Stimme
wohl eher ein künstlerischer Nebenschauplatz bleiben wird.
29 Jun 2010
## AUTOREN
Eric Leimann
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