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# taz.de -- Sänger Prince in Berlin: Lets go crazy
> Im Endlosmedley-Rausch durch 30 Jahre Prince-Geschichte: Der Auftritt von
> Prince in der Berliner Waldbühne war das virtuoseste Popspektakel des
> Jahres.
Bild: "Ich bin heute Abend euer DJ": Prince.
Keine vier Wochen hatten die Konzertveranstalter in Berlin Zeit gehabt, das
einzige Prince-Konzert in Deutschland zu bewerben. Dass sie es in der Kürze
nicht geschafft haben, alle Plätze in der Berliner Waldbühne zu verkaufen,
mag ein Defizit auf den Konten hinterlassen haben, aber das, was sich dafür
am vergangenen Montag in einem fast dreistündigen Konzert ereignete, darf
man getrost schon jetzt als eines der virtuosesten Popspektakel des Jahres
bezeichnen.
Da spricht man über Lady Gaga und sucht nach Michael Jackson händeringend
einen neuen Star am Pophimmel, dabei wirkt im Jenseits der Hitparade seit
Jahren unermüdlich ein echtes Popgenie, das seinen eigenen Mainstream im
afroamerikanischen Pop zelebriert: Prince ist der legitime Erbe von Sly
Stone, James Brown und Jimi Hendrix in einer Person. Und obwohl er eine
Rampensau wie kein Zweiter ist, hat er sich in den vergangenen Jahren aus
dem eigenen Spektakel zurückgezogen: Eine Mitgliedschaft bei den Zeugen
Jehovas, rare Konzerte und unzählige Tonträgerveröffentlichungen im
Internet, mit zum Teil zweifelhafter Qualität zwischen esoterischem Funk
und geschliffenem Diamantenrock.
Deshalb hatte am Montagabend wohl niemand mit einer so fulminanten Show
gerechnet! 17.000 Tickets wurden für diesen Abend verkauft - mit Preisen
von bis zu 150 Euro. Da auf den bühnennahen, sündhaft teuren Rängen noch
Platz war, ließ man das Publikum von den billigeren Plätzen nach 30 Minuten
nach vorne! Als Zeichen, dass die Party nun endgültig losgehen kann,
tanzten Leute aus dem Publikum auf der Bühne. "Ich bin heute Abend euer
DJ", sprach Prince als Komponist, Gitarrist, Keyboarder, Sänger, Dirigent
und Sexdemagoge zu seiner Konzertgemeinde im geschätzten Durchschnittsalter
von 40 Jahren.
Der sagenhafte Performer spielte sich mit seiner neunköpfigen Band, zu der
Prince langjährige Weggefährtin Sheila E. an den Percussions gehörte, in
einen Endlosmedleyrausch durch 30 Jahre Prince-Geschichte: Von "Lets go
crazy" über "Little Red Corvette" und "Kiss" bis hin zum größten Prince-Hit
aller Zeiten "Purple Rain". Wie Prince an diesem Abend seine Band
kontrolliert, wie er an seiner Fender-Telecaster zwischen Hendrix-Riffs und
P-Funk-Rhythmusgitarre die Party im wahrsten Sinne des Wortes im Griff
hatte und dazu mit seiner unverkennbaren, unveränderten Stimme schreit,
stöhnt und schluchzt, immer wieder auf der Borderline zwischen Obszönität
und schüchterner Jugendlichkeit, lässt das Publikum tanzen, rasante
Synkopen mitklatschen und wunderbare Refrains mitsingen.
Dass Prince und Band sich entschieden haben, einen nahezu komplett
digitalen Sound zu wählen, in dem die Keyboardsounds teilweise klingen wie
die Vertonung einer schlechten Soapopera, schadet dem Spektakel
erstaunlicher Weise überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Prince hatte immer
schon ein Faible für Camp im Pop, und sein songschreiberisches Talent ließ
es schon immer zu, fragwürdige Keyboardsounds, Drumcomputer, Rockgitarren
und Funkbläser zu einem ganz eigenen Soundamalgam zu verschwurbeln. Die
Gesamtästhetik scheint sich dabei in kindlicher Manier eher zufällig zu
ereignen. So schlägt er dem technokratischen Zeitgeist ein Schnippchen:
Diese Band klingt nicht fett oder modern, sie spielt sich einfach nur
gekonnt und leichtfüßig durch eine an rasanten Breaks und
improvisatorischem Freiraum reiche Show.
Und obwohl man bei diesem Konzert in einer anonymen Masse von Leuten steht,
viele von ihnen fast 100 Meter von der Bühne entfernt, fühlt man sich
dennoch wie in einem intimen Clubkonzert. Prince, der Magier, lässt
stellenweise die Scheinwerfer auf der Bühne ausschalten und das Publikum
gekonnt mit den Fingern schnipsen. Jede berüchtigte Stecknadel hätte man
zwischen dem Schnipsen in den gefühlvollsten Momenten in der Waldbühne
hören können.
In der Mitte der Bühne sieht man einen augenförmigen Bildschirm, auf dem
Livebilder, psychedelische Paisleymuster und immer wieder das "Love Symbol"
gezeigt werden: Ein Zeichen zwischen Weiblichkeit und Kruzifix, durch
dieses Symbol wollte Prince einst seinen Namen ersetzen, womit er aber
leider scheiterte. "Wie lautet mein Name?", schrie er gegen Ende des
Konzerts immer wieder ins Mikrophon: "Prince, Prince, Prince" jubilierten
die 17.000 Fans wie aus einer Kehle. Das Rumpelstilzchen des Pop verließ
erschöpft und glücklich die Bühne.
6 Jul 2010
## AUTOREN
Maurice Summen
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