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# taz.de -- Morde auf Philippinen: Zeugen werden nächste Opfer
> Weil der Schutz von Zeugen politischer Morde auf den Philippinen nicht
> funktioniert, gehen diese bei Aussagen gegen politisch Mächtige ein sehr
> großes Risiko ein.
Bild: Soldaten-Patrouille nach Massaker im Dezember 2009.
In politischen Mordprozessen stützt sich in den Philippinen die Anklage oft
nur auf wenige Zeugen. Sie riskieren mit ihrer Aussage die nächsten Opfer
zu werden - wie etwa Suwaib Upham. Er gehörte zur Privatarmee des mächtigen
Ampatuan-Clans in der Provinz Maguindanao. Die Ampatuans, Verbündete der am
30. Juni aus dem Amt geschiedenen Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo, sind
mutmaßlich verantwortlich für ein Massaker an 57 Personen, darunter 32
Journalisten. Am 23. November 2009 wurde die Ehefrau eines politischen
Rivalen des damaligen Gouverneurs Andal Ampatuan Sr. und ihre gesamte
Entourage ermordet. Freunde, Anwälte und Journalisten, mehrheitlich Frauen,
wollten die Politikergattin zur Wahlregistrierung ihres Mannes begleiten.
Mehrfach hatten die Ampatuans Wahlen gewonnen, weil niemand gegen sie zu
kandidieren gewagt hatte.
Der Zeuge Upham war selbst am Massaker beteiligt. Kurz darauf wechselte er
reumütig die Seiten und beschuldigte im Fernsehinterview die Clanchefs der
Tat. Er wusste, dass er damit sein Leben riskierte und beantragte
Zeugenschutz. Vergeblich. Am 14. Juni war immer noch nicht über seinen
Antrag entschieden worden. An dem Tag wurde Upham von Unbekannten
erschossen. Laut dem Opferanwalt Harry Roque hatte Andal Ampatuan Jr. aus
der U-Haft heraus 45.000 Dollar Kopfgeld auf den Kronzeugen ausgesetzt.
Upham hatte sich mehrfach öffentlich zu einer offiziellen Zeugenaussage
bereit erklärt, sofern er ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen würde. Laut
Roque gab es zwei Termine bei der staatlichen Menschenrechtskommission, zu
denen jedoch kein Vertreter des Justizministeriums erschien. Vielmehr
forderte das Ministerium Up-ham auf, dort auszusagen. Doch der fürchtete
den Einfluss der Ampatuans auf die Beamten.
Der bisherige Justizminister Alberto Agra betonte nach Uphams Ermordung,
dass dieser am Massaker beteiligt gewesen sei. Die
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vermutet, dies könnte ein
Grund sein, warum er nicht ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde. Das
Versagen des Staates beim Schutz des Kronzeugen wecke starke Zweifel am
politischen Willen der Regierung, die Verantwortlichen des Massakers zur
Rechenschaft zu ziehen, so die Organisation.
Das philippinische Rechtssystem ist schwach. Politisch mächtige Clans wie
die Ampatuans haben großen Einfluss auf die Justiz. Beweise werden
manipuliert, Zeugen bestochen, bedroht oder ermordet. Ermittlungen zu
politischen Morden führen nur selten zu einer Verurteilung der Täter. Als
im Dezember 2008 der Menschenrechtsaktivist Arnaldo Hoyohoy auf der Insel
Negros erschossen wurde, gab es viele Zeugen. Niemand sagte aus. "Sie
hatten Angst," sagt der Bruder des Opfers. Hoyohoy hatte sich für
Kleinbauern eingesetzt und damit gegen den mächtigen Teves-Clan gestellt.
Sein Mord wurde mangels Aussagen nie aufgeklärt, so wenig wie die Ermordung
des Anwalts der Bauern.
Das unterfinanzierte Zeugenschutzprogramm des Justizministeriums versagt
gerade in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen. Oft dauert es Monate,
manchmal Jahre, bis über die Aufnahme entschieden wird. Internationale
Menschenrechtsorganisationen fordern seit Jahren eine Verbesserung des
Zeugenschutzprogramms.
Der neue Präsident Benigno "Noynoy" Aquino hat die Vorsitzende der
Menschenrechtskommission, Leila de Lima, zur neuen Justizministerin
ernannt. Sie hatte in ihrer bisherigen Funktion schon Kontakt zum
Kronzeugen Upham. De Lima erklärte die Reform des Zeugenschutzes zur
Priorität, besonders im Hinblick auf die Aufklärung des
Maguindanao-Massakers. Upham hatte noch kurz vor seiner Ermordung geplant
nach Manila zurückzukehren in der Hoffnung, unter der neuen Regierung
endlich ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden.
8 Jul 2010
## AUTOREN
Friederike Mayer
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