# taz.de -- Gefängnisinsel Robben Island: Fußball oder Essen | |
> Zur Zeit der Apartheid setzten Häftlinge auf der berüchtigten | |
> Gefängnisinsel das Recht durch, Fußball zu spielen. Selbst Jacob Zuma war | |
> Schiedsrichter. | |
Bild: Eingang zum berüchtigten Gefängnis auf Robben Island. | |
PRETORIA taz | Sie waren Feinde. Auf dem Spielfeld. "Ich musste Tony | |
zurückhalten", lacht Verteidiger Mark Shinners und setzt sich gemütlich an | |
den Tonys Swimmingpool in Pretoria. "Er war so aggressiv." Torschützenkönig | |
Tony Suze klopft Mark auf die Schulter: "Wir haben uns ganz schön | |
bekriegt." Die beiden Ergrauten sind wie ein altes Paar, Freunde ein Leben | |
lang. Sie teilten das gleiche Schicksal, jahrelange Haft auf Robben Island, | |
der berüchtigten Gefängnisinsel für Anti-Apartheid-Aktivisten, auf der auch | |
Nelson Mandela einsaß. Fußball sollte ihr Leben verändern, und das diente | |
später dem Land als Vorbild. "Fußball wurde bedeutender als die Leute, die | |
uns unten halten wollten", sagt Mark. | |
Davon ahnten beide nichts, als die raue See sie bei der Anfahrt auf die bei | |
Häftlingen gefürchtete "Teufelsinsel" vor Kapstadt krank machte. Der graue, | |
windige Tag im Jahr 1963 war kalt, die weißen Wärter waren es auch, | |
erinnert sich Mark. "Sie kamen mit Stöcken und stießen uns in unsere Zellen | |
wie Steine." Beide Häftlinge waren jung: Mark 17, Tony 23 Jahre alt. Die | |
Ankunft auf Robben Island war eine albtraumhafte Erfahrung. Sie dachten | |
damals nicht, dass sie jemals wieder freikämen. Die Wärter waren da, um sie | |
emotional und körperlich zu brechen. "Wir waren von ihrer Gnade abhängig," | |
sagte Mark. "Und sie sagten: Ihr werdet sterben, während ihr uns die Schuhe | |
putzt." Das hat sich ins Gedächtnis eingebrannt. | |
Dem etwas entgegenzusetzen war schwer, unmöglich war es nicht: "Unsere | |
Kameraderie, das war lebenswichtig. Wir unterstützten uns gegenseitig. Wir | |
konnten studieren, uns austauschen, und das Leben dort wurde zu unserer | |
Welt." | |
Fußball spielte in dieser Welt eine bedeutende Rolle, doch er musste erst | |
erkämpft werden. Als Jugendliche sprachen sie über ihren Fußballsport, den | |
sie "draußen" hatten. "Das war unser herausragendes Merkmal in unserem | |
Townshipleben", meint Tony. Er hatte in einem Klub gespielt. "Wir haben | |
dann einfach Papier und Stofffetzen zusammengerollt und in unserer Zelle | |
gespielt, nur um anzugeben!" Denn Fußballspielen gab es nicht auf Robben | |
Island. "Sie verstanden das Spiel nicht", sagt Tony über die Buren. | |
Ein Wärter erzählte ihm später, er sei auf einer Farm aufgewachsen, wollte | |
nur Rugby spielen und war politisch indoktriniert worden. Schon allein die | |
Bitte, Fußball spielen zu dürfen, wurde mit Essensentzug bestraft. "Keine | |
Mahlzeit übers Wochenende", erinnert sich Tony. Aber sie waren schon auf | |
Robben Island, es gab nichts Schlimmeres, was die Wärter ihnen antun | |
konnten. "Wir waren disziplinierte Aktivisten, wir beschlossen als Gruppe, | |
etwas zu tun", erinnert sich Tony. Sie starteten eine Kampagne mit den | |
anderen Gefangenen und nahmen die Bestrafung abwechselnd hin. Allmählich | |
gab die Gegenseite nach. Der Anfang waren fünf Minuten Ballspiel im Hof, | |
und mithilfe des Internationalen Roten Kreuzes kam endlich die Erlaubnis | |
der Gefängnisbehörden. | |
Eine deutschsprachige Dokumentation über Robben Island, den Kampf der | |
Häftlinge um den Fußball und was heute aus ihnen geworden ist - von | |
[1][2470media] - in Kooperation mit [2][taz.de] | |
Das war 1967, und es fühlte sich an wie ein Sieg. Die Tage bis zur Gründung | |
der Makana Football Association auf Robben Island vergingen schnell. Sie | |
hatten nur einen Ball für alle, aber sie teilten die Häftlinge in | |
Spielklubs auf, praktischerweise nach ihren politischen Parteien. Tony und | |
Mark waren treue Anhänger des Panafrikanischen Kongresses (PAC), weniger | |
links-marxistisch als der ANC, aber "afrikanisch" orientiert. Aus dem | |
Gedächtnis schrieben sie die Regeln auf; an Befehlsautoritäten im | |
Freiheitskampf gewöhnt, erkannten sie die Fifa-Fußballregeln strikt an. | |
Tony schlägt ein altes, schwarz-graues Heft auf, dort steht in | |
Krakelschrift die Verfassung des Makana-Fußballverbandes. "Wir schrieben | |
auf Papier von Zementsäcken!" Tony haut sich aufs Knie und lacht. "Beim | |
Fußballspiel konnten wir unser Leben wieder leben." Mark ergänzt: "Fußball | |
wurde mehr als nur ein Spiel." | |
Viele heute prominente südafrikanische Politiker spielten mit in der Liga | |
von Makana, der heutige Präsident Jacob Zuma war Schiedsrichter. Die | |
Häftlinge in Isolationshaft wie Nelson Mandela oder Walter Sisulu durften | |
weder mitspielen noch zugucken. Für die anderen zählte Fußballspielen auf | |
Robben Island fortan zum Alltag, die Bewachung ließ nach, später standen | |
sogar die Zellentüren offen. | |
Tony wurde nach 15 Jahren Haft entlassen, Mark nach 22. Die Haftanstalt auf | |
Robben Island ist heute eine Gedenkstätte. Der Film über die Fußballer von | |
Robben Island mit dem gleichnamigen Titel (More than just a game) kam 2007 | |
in Südafrika auf die Leinwand. Tony und Mark erzählen dort von den Anfängen | |
des Fußballs auf Robben Island. Dass Filme gemacht und Bücher darüber | |
geschrieben werden, erscheint ihnen heute noch unglaublich, aber sie sind | |
stolz darauf. | |
Die Ballrevolution begann unter ihren Fittichen, und sie führte nicht nur | |
zur Anerkennung des Makana-Fußballverbandes durch die Fifa und zur | |
Ehrenmitgliedschaft bei ihr, sondern auch zur Umwälzung bisheriger | |
südafrikanischer Haftbestimmungen. "Andere Gefängnisse mussten das | |
Fußballspielen einführen, und sie brauchten ein Blueprint, wir hatten die | |
Regeln", sagt Mark. Tony ist stolz: "Fußball auf Robben Island wurde zum | |
Modell für Fußball in Südafrika." | |
9 Jul 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://vimeo.com/user2902731 | |
[2] / | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
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