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# taz.de -- Wahl der Ministerpräsidentin in NRW: Kraft hat´s geschafft
> Kraft schafft, was Ypsilanti versagt blieb. Im zweiten Wahlgang reichten
> die Stimmen von SPD und Grünen. Damit löst sie Jürgen Rüttgers als
> Ministerpräsidenten ab.
Bild: Geplant, gehofft, gewonnen: Hannelore Kraft (SPD) ist neue Ministerpräsi…
DÜSSELDORF dpa/afp | Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen. Der Düsseldorfer
Landtag hat am Mittwoch die SPD-Politikerin Hannelore Kraft zur ersten
Ministerpräsidentin des Landes gewählt. Die 49-Jährige löst mit einer
rot-grünen Minderheitsregierung die schwarz-gelbe Koalition unter dem
bisherigen Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) ab. Damit verliert
Schwarz-Gelb auch die Mehrheit im Bundesrat.
Kraft wurde im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt. Für sie
stimmten 90 Abgeordnete. Damit erhielt sie offensichtlich alle Stimmen von
Rot-Grün. Mit Nein stimmten 80 Abgeordnete, so viele Sitze haben CDU und
FDP. Der Stimme enthielten sich elf Abgeordnete. Das waren vermutlich die
Abgeordneten der Linken.
Kraft rief unmittelbar nach ihrer Wahl alle Fraktionen im Landtag zur
Zusammenarbeit auf. Das Wohl des Landes dürfe nicht hinter
parteipolitischen Interessen zurücktreten. Die unsicheren
Mehrheitsverhältnisse böten auch die Chance, "gute Kompromisse zu suchen
und zufinden", sagte sie.
Ihr Kabinett will die 49-Jährige am Donnerstag vorstellen. Der rot-grünen
Regierung sollen zehn Minister angehören, davon sieben der SPD und drei der
Grünen. Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann soll Schulministerin und
stellvertretende Ministerpräsidentin werden.
SPD und Grüne kehren damit nach fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen an die
Regierung zurück. Mit Gesetzesänderungen wollen sie viele Reformen von CDU
und FDP schnell rückgängig machen. Um die Studiengebühren wieder
abzuschaffen und die Kopfnoten auf den Schulzeugnissen zu streichen, ist
Rot-Grün aber auf Unterstützung aus anderen Fraktionen angewiesen. CDU und
FDP haben aber bereits einen strikten Oppositionskurs angekündigt.
Besonders umstritten sind die Pläne von Rot-Grün zur Einführung einer
Gemeinschaftsschule. SPD und Grüne wollen durchsetzen, dass alle Schüler
künftig mindestens bis zur sechsten Klasse gemeinsam unterrichtet werden.
In dieser Wahlperiode sollen mindestens 30 Prozent aller weiterführenden
Schulen in solche Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden. CDU und FDP
lehnen diese Pläne entschieden ab. Sie werfen der neuen Landesregierung
vor, das Gymnasium abschaffen zu wollen.
Bei der Landtagswahl am 9. Mai hatten CDU und FDP ihre bisherige Mehrheit
klar verloren. Aber auch für Rot-Grün reichte es nicht zu einer eigenen
Mehrheit. Kraft führte deshalb Sondierungsgespräche mit allen Parteien im
Landtag. Zu Koalitionsverhandlungen kam es aber nicht. Die
SPD-Landesvorsitzende entschied sich nach einigem Zögern für eine
Minderheitsregierung. Eine große Koalition hatte die SPD mit der Begründung
abgelehnt, die CDU sei trotz ihrer schweren Wahlniederlage nicht zu einem
Politikwechsel bereit.
Union und FDP protestierten am Mittwoch umgehend gegen die rot-grüne
Minderheitsregierung. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kritisierte
zusammen mit seinen Kollegen Alexander Dobrindt (CSU) und Christian Lindner
(FDP) in scharfen Tönen, dass sich die neue Ministerpräsidentin von NRW,
Hannelore Kraft, von der Linken tolerieren lassen will. Noch vor der
Landtagswahl habe Kraft eine Tolerierung durch die Linkspartei definitiv
ausgeschlossen, sagte Gröhe. "Es gilt das gebrochene Wort."
Bei ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus in
Berlin präsentierten Gröhe, Dobrindt und Lindner ein Plakat mit der
Aufschrift "So linkt Rot-Grün" mit sich angeblich widersprechenden Aussagen
Krafts zur Tolerierung durch die Linke.
Den gemeinsamen Auftritt mit den Generalsekretären von CSU und FDP
begründete Gröhe mit der "Sorge um NRW". In dem Bundesland drohe unter der
rot-grünen Minderheitsregierung ein "Schulden- und ein Bildungsinfarkt". In
der Haushaltspolitik setze Rot-Grün statt auf Verantwortung auf das Prinzip
des "Wünsch dir was", in der Bildungspolitik verfolge Kraft einen
"Schulkampf mit der Einheitsschule als Ziel". Die Koalition in Berlin sei
nun noch einmal besonders in der Pflicht: Das Beispiel NRW zeige, "was die
Alternative ist, wenn es uns nicht gelingt, als Koalition das Vertrauen der
Menschen zu gewinnen".
Lindner sagte, geplant sei in NRW in Wahrheit keine Minderheitsregierung,
sondern eine "rot-grün-rote Als-Ob-Koalition". Äußerungen von SPD-Chef
Sigmar Gabriel vom Wochenende zeigten, dass die SPD eine ähnliche
Konstellation auch auf Bundesebene anstrebe. Gröhe fügte hinzu, die
diesbezüglichen Dementis von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und die
"gespielte Empörung bei den Grünen" seien nur "Nebelkerzen, die den
Wortbruch verhüllen sollen".
Dobrindt warf der SPD und Kraft vor, mit ihren Aussagen zur
Regierungsunfähigkeit der Linken vor der Wahl die Bürger getäuscht zu
haben. Kraft müsse "bei dem Schindluder, den sie getrieben hat, heute bei
der Vereidigung schamrot werden".
14 Jul 2010
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