# taz.de -- KRISENSTRATEGIE: Pilgern mit Paulus? | |
> Griechenland will mehr sein als nur Sonne und Meer. Doch für einen | |
> anderen Tourismus fehlt schlicht das Geld. | |
Bild: Nachhaltige Tourismusformen trifft man selten in Griechenland. | |
Touristen scheinen Griechenland noch immer zu schätzen. "Die Zahl der Gäste | |
ist nur um 2 Prozent zurückgegangen", gab Griechenlands stellvertretender | |
Tourismusminister, Georgios Nikitiadis kürzlich in Berlin bekannt. Der | |
Stolz war nicht zu überhören. Allerdings ist dieser Erfolg teuer erkauft: | |
Allein in diesem Jahr mussten die Hoteliers und Gastronomen Preisnachlässe | |
von 20 bis 25 Prozent einräumen. | |
Dieses Minus muss wieder aufgeholt werden, denn ohne einen boomenden | |
Tourismussektor wird Griechenland seine Schulden im Ausland niemals tilgen | |
können. Nikitiadis kündigte daher eine "neue Tourismusstrategie" an. | |
Wichtigster Punkt: Griechenland will mehr sein als nur Sonne und Meer für | |
den Sommer. Man wünscht sich einen "ganzjährigen Tourismus". Zudem sollen | |
sich die Urlauber nicht nur auf die Inseln konzentrieren, wo bisher 95 | |
Prozent aller Gäste ihre Ferien verbringen. Stattdessen lautet der | |
offizielle Slogan nun: "Tourismus fürs ganze Land". | |
Ideen gibt es auch schon. Offenbar beeindruckt von den Pilgerströmen, die | |
durch den kargen Norden Spaniens auf dem Jakobsweg nach Santiago de | |
Compostela ziehen, wollen die Griechen ihre religiöse Geschichte nun | |
ebenfalls vermarkten. So denkt die Athener Tourismusbehörde darüber nach, | |
die "Reisen des Paulus" neu aufzulegen. | |
Sporttourismus ist ebenfalls willkommen - von Tauchen bis Klettern können | |
sich die griechischen Tourismusplaner alles vorstellen. Doch je länger die | |
Liste denkbarer Angebote wird, desto mehr schimmert Hilflosigkeit durch. | |
Denn es fehlt schlicht am Geld. Ohne ausländische Investoren kann sich der | |
griechische Tourismus nicht entwickeln. Also sollen sie mit staatlichen | |
Mitteln geködert werden: "Hilfen von 30 Prozent" verspricht Nikitiadis für | |
neue Hotels, die regenerative Energien verwenden. Unterstützung gibt es | |
auch, falls sich jemand der olympischen Stadien annehmen will - womit | |
zwischen den Zeilen deutlich wird, dass es sich um Investitionsruinen | |
handelt. Nach einem kurzen Sommer 2004 werden sie nicht mehr gebraucht. | |
Doch die ausländischen Investoren scheinen eher auf Schnäppchenangebote zu | |
hoffen statt die griechischen Pläne zu befördern. Die Anleger wittern | |
offenbar die Chance, angesichts des drohenden Staatsbankrotts für wenig | |
Geld attraktive Inselgrundstücke direkt am Strand zu ergattern. Noch wehren | |
sich die Griechen dagegen: "Es wird keinen Ausverkauf von Grundstücken | |
geben", lässt auch der stellvertretende Tourismusminister Nikitiadis | |
wissen. | |
Nachhaltiger Tourismus ist in Griechenland nicht entwickelt. Es fehlt an | |
jeglicher Infrastruktur. Wer etwa in Griechenland wandern will, wird | |
schnell feststellen, dass es nahezu unmöglich ist, vor Ort Karten zu | |
finden, die nicht nur Straßen berücksichtigen. Schwierig wird es auch für | |
jeden Weintouristen. Obwohl Griechenland weit mehr zu bieten hat als nur | |
den geharzten Retsina, gibt es keinen Führer, der Weinliebhaber informieren | |
würde, wo genau auf dem Peleponnes oder in Makedonien die interessanten | |
Güter zu finden sind. | |
Diese Lücken werden nicht als Problem gesehen. "Die Bauern können ihren | |
Wein doch selbst vermarkten", heißt es bei der griechischen | |
Tourismusbehörde in Athen, die Nikitiadis direkt untersteht. Für | |
Behördenchef Nikolas Kanellopoulos ist es sichtbar undenkbar, mit | |
staatlichen Mitteln diese Mittelständler zu unterstützen. Unverändert | |
konzentriert sich der Apparat auf die großen Pauschalanbieter. Griechenland | |
mag eine neue Tourismusstrategie haben, aber die Partner sind immer noch | |
die gleichen - vorneweg TUI. | |
15 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Hermann | |
## TAGS | |
Reiseland Griechenland | |
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