# taz.de -- Bohrtechnik-Experte über Atombombe: "Das ist Schwachsinn" | |
> Der Bohrtechnik-Experte Matthias Reich über die BP-Krisentechnik und den | |
> russischen Vorschlag, das Ölloch mit einer Atombombe zu schließen. | |
Bild: Atombombe, geworfen am 9. August auf die japanische Stadt Nagasaki. | |
taz: Herr Reich, das Bohrloch im Golf von Mexiko ist laut BP dicht. Jetzt | |
vermutet die US-Regierung, dass das Öl an anderer Stelle austritt. Was | |
würde das bedeuten? | |
Matthias Reich: Ein Bohrloch ist ein komplexes System ineinander | |
verschachtelter Rohre. Die Kappe dient nicht etwa dazu, das Loch für immer | |
zu versiegeln, sondern ermöglicht zunächst einen Test, mit dem der Zustand | |
der Bohrung erforscht werden kann. Wenn man das Bohrloch am Meeresboden | |
verschließt, steigt der Druck im Laufe der Zeit immer weiter an. Das ist | |
ganz normal. Ein starker Anstieg ist ein positives Zeichen, weil das Loch | |
dann wahrscheinlich dicht ist. Steigt der Druck jedoch unerwartet langsam | |
an, kann das bedeuten, dass das Bohrloch undicht geworden ist und Öl an | |
anderer Stelle, zum Beispiel aus Rissen im Meeresboden austritt. In dem | |
Fall muss man das Ventil wieder öffnen, um den Druck aus dem System zu | |
nehmen, bevor sich die Risse im Meeresboden erweitern. Es ist immer besser, | |
das Öl aus einem definierten Rohr austreten zu lassen, als es aus Klüften | |
im Meeresboden aufsteigen zu sehen. | |
Hätte BP das alles mit einer anderen Technik verhindern können? | |
Im Rückblick urteilt es sich natürlich immer leicht. Bei der eigentlichen | |
Erkundungsbohrung ist ja noch alles gutgegangen. Erst beim anschließenden | |
Verschließen des Bohrloches hat es mehrere Fehler gegeben. So wurden | |
Drucksignale falsch interpretiert. Für sich genommen waren die einzelnen | |
Fehler vielleicht nicht wirklich entscheidend, haben aber in der | |
Kombination zu der Katastrophe geführt. | |
Welche Möglichkeiten hat BP jetzt? | |
Man muss unterscheiden: Die einzig nachhaltige Maßnahme, mit der die | |
Kontrolle über die Bohrung wieder hergestellt werden kann, findet vier | |
Kilometer unter dem Meeresboden statt. Das sind die Entlastungsbohrungen. | |
Alles was dagegen am Meeresboden geschieht, sind zwischenzeitige | |
Umweltschutzmaßnahmen. Sie bieten wichtige Teilerfolge, aber keine | |
langfristige Lösung. | |
Wie funktioniert so eine Entlastungsbohrung? | |
Anders als häufig behauptet, saugt man dabei nicht Öl an anderer Stelle ab. | |
Man bohrt das Loch möglichst tief an und pumpt eine sehr schwere | |
Flüssigkeit - wir nennen das Bohrspülung - in den aufsteigenden Ölstrom. | |
Irgendwann ist so viel von der Flüssigkeit in der Bohrung drin, dass das Öl | |
nicht mehr genug Druck hat, die Spülung vor sich her zu schieben, und der | |
Strom zum Erliegen kommt. Man kann sich das vorstellen wie eine natürliche, | |
flüssige Kappe. Das Öl bleibt dann dort, wo es schon Jahrmillionen lagerte: | |
in vier Kilometer Tiefe unter dem Meeresboden. Erst danach kann man das | |
Loch mit Zement abdichten, das hätte jetzt noch keinen Sinn. | |
Russische Experten schlagen vor, das Loch mit einer Atombombe abzudichten. | |
Geht das? | |
Das ist meiner Meinung nach Schwachsinn. Normalerweise nutzt man | |
Explosionen mit hoher Druckentwicklung im kleineren Umfang dazu, | |
Gesteinsformationen aufzubrechen und den Ölfluss nicht ins Stocken geraten | |
zu lassen. Also das Gegenteil von dem, was man jetzt möchte. Es kann dabei | |
passieren, dass man alles zuschmilzt. In der Hälfte der Fälle würde das | |
Gestein aber wahrscheinlich aufbrechen. Dann hätte man die absolute | |
Katastrophe: Radioaktive Verseuchung und unkontrolliert aufsteigendes Öl. | |
Das ist ein Glücksspiel mit hohem Einsatz. | |
20 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Jonas Vogt | |
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