# taz.de -- Times testet Paid-Content im Netz: Die große User-Flucht | |
> Seit drei Wochen muss man für die Online-Ausgabe der Times bezahlen. Doch | |
> die acht Pfund im Monat blechen nur wenige - und die Nutzerzahlen sind | |
> massiv eingebrochen. | |
Bild: Ätschebätsch: die Times macht Schluss mit Gratiskultur. | |
Es gilt als großes Experiment: Der konservative Publizist Rupert Murdoch | |
will im Internet als einer der ersten Großverleger weg von freien Inhalten | |
hin zu von den Lesern bezahlten. Während Murdoch-Blätter wie das Wall | |
Street Journal bislang eine Mischstrategie aus freien und kostenpflichtigen | |
Artikeln im Netz fuhren, gab es beim englischen Flaggschiff des | |
Verlagsimperiums vor knapp drei Wochen den großen Schnitt: Die | |
Onlineausgabe der Times aus London gibt es nur noch gegen Geld. | |
Wer auf der Homepage des Blattes seither versucht, einen Artikel oder ein | |
Ressort anzuklicken, wird um Registrierung und anschließende Bezahlung | |
gebeten. Das kostet entweder ein englisches Pfund pro Tag oder - nach einer | |
einmonatige Discountphase für ein Pfund - schlappe zwei Pfund pro Woche. | |
Macht acht Pfund im Monat. Für Nichtbriten kostet es gar zwölf Euro. | |
Seit der Umstellung wartet die von der Werbekrise gebeutelte Branche mit | |
angehaltenem Atem darauf, wie sich die Radikalkur der Times auf Leserzahlen | |
und Einnahmesituation auswirkt. Jetzt liegen erste Daten vor. Zunächst hieß | |
es am Sonntag unter Berufung auf das Marktforschungsunternehmen Experian | |
Hitwise noch, thetimes.co.uk habe drei Viertel seiner Leser verloren - was | |
einige Beobachter noch für einen moderaten Wert hielten, weil es auf der | |
Seite ohne Bezahlung fast nichts mehr zu sehen gibt. | |
Am Dienstag dann der Paukenschlag: Der britische Konkurrent Guardian | |
meldete mit Bezug auf eigene Berechnungen, dass tatsächlich nur noch zehn | |
Prozent der früheren Leser geblieben sind. Damit gehen massiv | |
Werbeeinnahmen verloren, schließlich ist die Zielgruppe massiv geschrumpft. | |
Hatte die Times vorher 15 Prozent Marktanteil bei allen im Netz vertretenen | |
Zeitungen, sei es jetzt nur noch knapp ein Prozent, so der Guardian weiter. | |
Gleichzeitig fangen aber auch die zahlenden Kunden den Einbruch kaum auf. | |
Laut Dan Sabbagh, dem früheren leitenden Medienredakteur der Times, haben | |
sich in der Umstellungsphase rund 150.000 Nutzer kostenlos registriert - | |
eventuell auch etwas mehr. Doch von denen bezahlen laut seiner Quellen | |
bislang nur zehn Prozent. Was Einnahmen von etwa 1,7 Millionen Euro im Jahr | |
entspräche. Das mag auf den ersten Blick viel klingen, ist für ein Blatt | |
wie die "Times" mit einer halben Millionen Auflage jedoch ein Tropfen auf | |
den heißen Stein. Gerde, wenn man den Wegfall von Online-Werbung durch die | |
Zielgruppenschrumpfung einberechnet. | |
Eventuell liegen die Bezahlinhalt-Probleme der Times ja auch daran, dass | |
fast niemand es gewohnt ist, im Web für Nachrichteninhalte zu bezahlen. | |
Dafür spricht die Tatsache, dass die iPad-Version, die mit zehn Pfund für | |
einen Monat sogar teurer ist als die Website, sich laut Sabbagh | |
erstaunliche 12.500 Mal verkauft hat - obwohl das Apple-Tablet in Europa | |
nach wie vor mit massiven Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hat. Der | |
Medienbruch scheint beim Absatz der "Times" zu helfen. | |
In Deutschland fehlt bislang noch ein direkter Vergleich zum Experiment der | |
Times. Bislang haben nur die großen Springer-Regionalzeitungen Hamburger | |
Abendblatt und Berliner Morgenpost ihre die Onlineausgaben ihrer Lokalteile | |
hinter einer Bezahlschranke verschwinden lassen. Allerdings ist auch hier | |
zu hören, dass sich die mobilen Ausgaben besser verkaufen als die Inhalte | |
aus dem Web. | |
21 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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