# taz.de -- Mord-Urteil in Afrika: Die verrückten Norweger von Kisangani | |
> Sie träumten vom großen Söldnerabenteuer – dann das böse Erwachen: In | |
> einem afrikanischen Gefängnis warten zwei junge Norweger auf ihre | |
> Hinrichtung. | |
Bild: Abenteurer oder Mörder? Die beiden Norweger Joshua French und Tjostolv M… | |
KAMPALA taz | Die monatelange Haft im kongolesischen Knast sieht man den | |
beiden jungen Männern auf den Fotos an: Ungewaschen, ungekämmt und mit | |
langen Bärten hocken die beiden Norweger vor dem Militärgericht in | |
Kisangani im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Jetzt warten Joshua | |
French (28) und Tjostolv Moland (29) auf die Hinrichtung: Am 10. Juni | |
wurden sie zum zweiten Mal zum Tode verurteilt. Die Anklage lautete: Mord | |
an einem Kongolesen und Spionage für ihr Heimatland Norwegen. | |
Bereits im September 2009 hatte das Gericht in Kisangani gegen die beiden | |
"Söldner" die fünffache Todesstrafe ausgesprochen. Wegen Prozessfehlern | |
wurde das Verfahren neu aufgerollt - mit gleichem Ergebnis. Zwar wurden | |
seit 2003 im Kongo keine Todesstrafen mehr vollstreckt, aber Norwegen will | |
nun die Auslieferung der beiden Männer beantragen, verkündete ihr Anwalt | |
Andre Kibambe. | |
Handybild als Beweis | |
Aus Sicht der Anklage sind die beiden Norweger gedungene Mörder. Sie sollen | |
ihren kongolesischen Fahrer Abedi Kasongo, der mit einer Schusswunde im | |
Kopf nahe Kisangani gefunden wurde, getötet haben, um dessen Auto zu | |
stehlen. Sie hätten Kontakt zu Rebellengruppen aufgenommen und dunkle | |
Diamantengeschäfte ausgehandelt. Bei ihrer Verhaftung hatten Moland und | |
French norwegische Militärausweise und Satellitentelefone bei sich. Ein | |
Foto, das sie mit dem Handy geschossen hatten, wurde ihnen zum Verhängnis: | |
Es zeigt Moland lachend, wie er das Blut vom Fahrersitz wischt. | |
Aus Sicht der Verteidigung klingt alles eher wie ein Dschungeltrip naiver | |
Abenteurer: Auf dem Weg von Kisangani nach Osten, Richtung Uganda, sei | |
ihnen im Dschungel das Motorrad kaputtgegangen. Sie heuern einen Fahrer mit | |
einem Kleintransporter an, um das Motorrad abzuschleppen; als sie unterwegs | |
eine Pinkelpause machen, fallen Schüsse. Sie verstecken sich im Busch. Kurz | |
vor Einbruch der Dunkelheit schleichen sie zum Auto zurück. Der Fahrer | |
sitzt tot hinter dem Lenkrad. Der Sitz ist voller Blut. | |
Sie säubern das Auto und fahren weiter - zurück in den Dschungel. Auf dem | |
Weg werden sie beschossen. In Panik lassen sie den Wagen stehen und | |
flüchten zu Fuß. French wird von der Polizei aufgegriffen, Moland gelingt | |
die Flucht. Fünf Tage später erfährt er per Telefon von seiner Familie in | |
Norwegen, dass sein Freund festgenommen wurde. Er stellt sich freiwillig | |
den kongolesischen Behörden. | |
Was die beiden Männer in den Dschungel trieb, wird wohl ihr Geheimnis | |
bleiben. Auf der Webseite, die Molands Familie betreibt, bezeichnen Moland | |
und French ihre Mission zuerst als "Männerurlaub", später als | |
"Geschäftsreise". Der Unterschied ist wohl minimal. In die dunkle Welt der | |
in Afrika aktiven privaten Sicherheitsdienste tauchten sie Anfang 2009 ein, | |
als sie als Sicherheitsmänner gegen somalische Piraten auf einem | |
Frachtschiff anheuern, das zwischen Ägypten und Oman durch den Golf von | |
Jemen kreuzt. | |
Peter Bogh Jensen, der dänische Direktor der Frachtsicherheitsfirma Geo | |
Maritime Security, kann sich gut an die beiden erinnern: "Sie beantragten | |
im März einen Monat Urlaub, um an einem Projekt im Kongo zu arbeiten", | |
erzählt er. Näheres hätten sie nicht gesagt. Doch vor allem Moland habe | |
eine "sehr romantische Vorstellung von Afrika" gehabt. | |
Unehrenhaft entlassen | |
In seinem Lebenslauf prahlt Moland mit seiner norwegischen | |
Militärausbildung. Als Feldjäger sei er in allen Waffengattungen | |
ausgebildet worden, auch in "nuklearen, biologischen und chemischen | |
Kampfstoffen". Danach sei er bis 2003 in Afrika unterwegs gewesen, 2004 | |
nahm er Studium in den USA am Cochise College in Arizona auf: | |
Justizverwaltung. Als Bodyguard begleitete er 2005 einen australischen | |
Geschäftsmann in den Kongo, 2006 war er Mitglied der königlichen Garde in | |
Norwegen. | |
Seinen Freund French lernte er vermutlich in der norwegischen Armee kennen. | |
French, der sowohl norwegischer als auch britischer Staatsbürger ist, war | |
zuerst in England und dann in Norwegen beim Militär. Doch im Jahr 2007 nahm | |
die Militärkarriere der beiden eine unerwartete Wendung: Sie wurden | |
unehrenhaft entlassen. Der Vorwurf: Sie hätten versucht, Kameraden für eine | |
ugandische Sicherheitsfirma anzuheuern. Von da an arbeitete Moland als | |
Wachmann auf einer Fähre zwischen Norwegen und Dänemark. Bis sie 2009 vor | |
Somalias Küste zogen und von dort aus in den Kongo. | |
Daraufhin machten sie sich als Söldner in Uganda selbstständig. Der | |
ugandische Geheimdienst ist im Besitz von ID-Karten ihrer in Uganda | |
registrierten Sicherheitsfirma "Special Intervention Group". Moland nennt | |
sich Mike Callan: Der Vorname leitet sich von Thomas Michael Hoare ab, | |
einem der berüchtigsten weißen Söldner in den Kongokriegen der 60er Jahre; | |
der Nachname bezieht sich auf den Griechen Costas Georgiou, der in Angola | |
für den CIA operierte. Als Moland im Gefängnis von Kisangani an Malaria | |
erkrankt, behauptet er im Fieberwahn, die Reinkarnation von Mike Hoare und | |
Colonel Callan zu sein. | |
Wollten die beiden den Spuren ihrer Idole folgen? In Ugandas Hauptstadt | |
Kampala gaben sich die beiden im Jahr 2008 als Touristen in geheimer | |
Mission aus. Auf dem Campingplatz des Backpackers Hostel am Stadtrand ist | |
der Rasen noch immer braun und plattgetreten, "weil deren Zelt dort | |
monatelang stand", erinnert sich ein Hostel-Angestellter. Gäste erinnern | |
sich an die beiden Norweger, die lautstark über ihre Abenteuerpläne im | |
Kongo fantasierten. Ihre Armeerucksäcke bunkerten sie unauffällig im | |
Stauraum. Nach ihrer Verhaftung im Kongo fand der ugandische Geheimdienst | |
darin UN-blaue Baretts, ein gefälschtes UN-Nummernschild, hölzerne | |
Kalaschnikow-Attrappen, Computer und ein altes Jagdgewehr. | |
"Operation Backpackers" steht auf dem dicken Ringbuch, das der ugandische | |
Militärgeheimdienst über die Norweger angelegt hat. Kopfschüttelnd blättert | |
ein hochrangiger Offizier durch den Heftordner. Er zeigt auf einen Auszug | |
aus dem ugandischen Firmenregister: Moland und French registrierten 2007 in | |
Uganda die Sicherheitsfirma Special Intervention Group (SIG). Ihr Angebot: | |
Sicherheits- und Taktiktraining zu Lande, Wasser und im Dschungel. | |
Firmensitz war ein Büro im vierten Obergeschoss eines Einkaufszentrums in | |
Kampalas Innenstadt. Der Offizier blättert weiter: Im Juli und August 2008 | |
beantragte Moland mehrfach eine Lizenz, um als Unternehmen mit Feuerwaffen | |
umgehen zu dürfen. Vergebens. Ein Auszug des Firmenkontos bei einer | |
ugandischen Bank beweist: Im September 2008 wurden von dort mehrfach | |
umgerechnet tausende Dollar in bar abgehoben - insgesamt verzeichnete das | |
Konto ein Guthaben von umgerechnet 40.000 US-Dollar. | |
Ähnliches Logo | |
Noch immer steht nicht eindeutig fest, was die beiden im Kongo wollten. Der | |
ugandische Geheimdienst behauptet: Sie wollten ihre Dienste | |
ostkongolesischen Rebellengruppen anbieten. Im Heftordner des ugandischen | |
Militärgeheimdienstes findet sich ein Schreiben Molands an den "Ehrenwerten | |
General Laurent Nkunda", den Chef der Rebellenarmee CNDP (Nationalkongress | |
zur Verteidigung des Volkes), die bis zu Nkundas Verhaftung durch | |
ruandische Soldaten Anfang 2009 weite Teile der Provinz Nordkivu im | |
Ostkongo kontrollierte. | |
In diesem Brief, ohne Datum - allerdings mit dreieckigem Logo mit Schwert - | |
gibt sich Moland als "Direktor der privaten Militärfirma Shannon Invest" | |
aus. Er schmeichelt Nkunda: "Ich bin der Überzeugung, dass Sie der richtige | |
Mann sind, dieses riesige Land in eine Zukunft zu führen, die es verdient." | |
Er bietet Nkunda die Dienste seiner "kleinen und sehr geheimen Firma" an, | |
die unter einer Frontfirma in Uganda operiere. "Wir können Ihnen ebenfalls | |
Spionagedienste anbieten, die Informationen hinter Ihren Frontlinien | |
sammeln", so Moland weiter. Niemand würde ihn und French als Europäer | |
verdächtigen, für Rebellen zu arbeiten. | |
Der persönliche Sekretär Nkundas, der bis zuletzt für dessen Brief-, | |
E-Mail- und Telefonkommunikation zuständig war, kann sich nicht an ein | |
solches Schreiben erinnern. "Wir hatten nie Kontakt zu Norwegern, die von | |
Kampala aus operieren", sagt er. Mag sein, dass Moland und French im | |
Dschungel Kontakt zu anderen Milizen aufnehmen wollten. Denn dass es Moland | |
und French mit ihrem Angebot ernst war, beweist ein von ihnen gefilmtes | |
Video: Im April 2009 führten sie auf einer Insel im ugandischen Victoriasee | |
ein Militärtraining durch. Zwei ugandische Männer und ein Amerikaner robben | |
splitternackt im Sand. French schreit in Kakiuniform die Nackten an: | |
"Schiebt euren verdammten schwächlichen Körper hierher!" Dann stürmen sie | |
ein heruntergekommenes Haus - die hölzernen Gewehrattrappen im Anschlag, | |
die im Backpackers Hostel gefunden wurden. | |
Heute will die beiden natürlich niemand je gekannt haben. Aber ihre | |
ugandische Firma SIG gibt es - in Norwegen. Das Logo der beiden Firmen ist | |
erstaunlich ähnlich: Ein Schwert mit einem Delfin in einem runden Kreis. | |
Der SIG-Direktor in Norwegen streitet jeglichen Kontakt mit Moland und | |
French ab. Das Logo der beiden sei "geklaut", erklärte er gegenüber | |
ugandischen Journalisten. | |
Dennoch: Als Kontaktpersonen fungieren in der norwegischen Broschüre nicht | |
nur die Direktoren in Oslo, sondern auch ein Mike Callan, Molands | |
Aliasname, mit Firmensitz in jenem Einkaufszentrum in Kampala. | |
Der Prozess sorgte in Norwegen für viel Aufsehen: Webkameras übertrugen den | |
Auftakt live. Molands Vater reiste in den Kongo, um täglich Lebensmittel am | |
Gefängnistor abzugeben. Für Empörung in Norwegen sorgten zudem horrende | |
Schadensersatzforderungen des Kongo: 500 Milliarden Dollar. Später erklärte | |
der Richter, es habe sich um einen Übersetzungsfehler gehandelt. Er | |
entschied: 65 Millionen Dollar sollte Norwegen wegen Spionage bezahlen. Das | |
ist ein "symbolischer" Dollar pro Einwohner Kongos. | |
French und Moland haben keine Berufung eingelegt. Damit ist das Urteil vom | |
10. Juni rechtskräftig. Norwegen will jetzt auf diplomatischer Ebene aktiv | |
werden. | |
23 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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