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# taz.de -- Debatte Mediziner-Honorare: Die Ärztebeschwerde
> Hausärzte klagen über zu geringe Verdienste, weil andere Mediziner noch
> mehr einnehmen. Die normalen Arbeitnehmer interessieren sie nicht.
Selten hat einer meiner Texte solche Empörung ausgelöst. Es war nur ein
kleiner Kommentar, der am Montag in der taz stand und sich mit den
Hausärzten befasste. Die zentrale These: Sie verdienen schon jetzt genug -
nämlich durchschnittlich rund 100.000 Euro im Jahr. Dies sei ihr
Reingewinn, nachdem die Praxiskosten schon abgezogen sind.
"Ich bin es sooo leid, so einen Blödsinn lesen zu müssen", beschwerte sich
ein Landarzt aus dem Schwarzwald. "Wo haben Sie nur diese abenteuerlichen
Zahlen her?", fragte eine Hamburger Ärztin. Sie würde ganze 38.000 Euro im
Jahr erwirtschaften. Und ein Leser aus Ditzum bot an: "Sie dürfen mich
gerne besuchen, wenn Sie sich für den Alltag des Allgemeinarztes auf dem
Lande interessieren."
Es stand im "Ärzteblatt"
Nun ist es für einen Autor nie schön, so viel Entrüstung zu begegnen.
Trotzdem bezeugten diese Leserbriefe auch Respekt, denn jeder einzelne
Hausarzt hatte sich die Mühe gemacht, zu argumentieren und seine
Alltagserfahrung darzustellen.
Um es vorwegzunehmen: Ich bleibe bei meiner These, dass die Hausärzte zu
den Spitzenverdienern in Deutschland gehören. Trotzdem sind die
Gegenargumente der Hausärzte interessant und verdienen eine differenzierte
Erwiderung.
Ihr Kernvorwurf: "Das Einkommen, das Sie beschreiben, habe ich nie gehabt."
Das trifft für Einzelne bestimmt zu, denn die Hausärzte verdienen sehr
unterschiedlich, wie den Statistiken der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) zu entnehmen ist. Manche Hausärzte kommen nur auf einen Umsatz von
70.000 Euro im Jahr, andere verbuchen 250.000 Euro. Im Durchschnitt, so hat
die KBV ermittelt, kassierten die Hausärzte 2008 etwa 184.800 Euro - allein
von den gesetzlichen Krankenkassen. Hinzu kamen noch die Honorare von den
Privatversicherungen. Diese Zahlen sind übrigens für interessierte
Hausärzte leicht zu finden: Sie werden auf der KBV-Homepage breit
dargestellt und wurden auch im Ärzteblatt publiziert.
Von dem Umsatz einer Praxis müssen natürlich die Kosten abgezogen werden -
zum Beispiel die Miete und das Gehalt der Arzthelferin -, um den
eigentlichen Gewinn zu ermitteln. Diesen Nettoverdienst der Ärzte erhebt
das Statistische Bundesamt, das ein paar Jahre hinterherhängt. Jetzt im Mai
wurden die Daten für 2006 an die OECD gemeldet: Für niedergelassene
Hausärzte wurde ein Gewinn vor Steuern von 101.616 Euro ausgewiesen, für
Fachärzte von 127.119 Euro.
Krasse Nabelschau
Nun kann man es als Hausarzt natürlich ungerecht finden, dass Fachärzte
noch mehr verdienen, aber festzuhalten bleibt, dass auch ein Einkommen von
durchschnittlich rund 100.000 Euro sehr üppig ist - so hohe Einkünfte
kassieren noch nicht einmal 5 Prozent der Bevölkerung, wie die
Steuerstatistik ausweist. Die Hausärzte gehören zu den absoluten
Spitzenverdienern in der Bundesrepublik.
Zum Vergleich: Im Durchschnitt erhalten Vollzeitbeschäftigte 36.800 Euro
brutto. "Diese Differenz ist keine Bagatelle", schrieb ich in meinem
Kommentar, "denn es sind genau diese Arbeitnehmer, die über ihre
Krankenkassenbeiträge die üppigen Einkünfte der Ärzte finanzieren."
Auch dieser Vergleich stieß vielen Hausärzten auf: "Haben Sie wirklich
keine Ahnung, dass ich meine Altersvorsorge, die Krankenversicherung meiner
Familie, die Tilgung meiner Praxisdarlehen aus versteuertem Geld bezahle?"
Ganz unberechtigt ist dieser Einwand nicht. Es stimmt, dass ein Arzt allein
für Alter und Krankheit vorsorgen muss - während bei Angestellten der
Arbeitgeber knapp die Hälfte der Sozialversicherungskosten übernimmt.
Dieser Arbeitgeberanteil entspricht fast 20 Prozent des Bruttolohns, was
bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von 36.800 Euro also 7.360
Euro wären. Genau gerechnet, müsste man bei den durchschnittlichen
Vollzeitbeschäftigten demnach 44.160 Euro ansetzen. Doch auch diese Summe
nimmt sich bescheiden aus, wenn man sie mit dem Jahresverdienst der
niedergelassenen Ärzte vergleicht.
Nachwuchsproblem - wo?
Und was ist jetzt mit der Praxisausstattung? Hier irren sich die
Leserbriefschreiber: Diese Investitionskosten müssen nicht aus dem
Privatgewinn eines Arztes gezahlt werden, sondern können über die Jahre
steuerlich voll geltend gemacht werden. Wer sich da näher informieren
möchte: Inzwischen haben sich zahllose Steuerberater auf die Finanzbelange
der Ärzte spezialisiert.
Es bleibt also dabei: Der Reingewinn eines Hausarztes beträgt im
Durchschnitt rund 100.000 Euro jährlich. Dennoch können sich viele
Allgemeinmediziner nicht vorstellen, dass sich für dieses Entgelt noch
Nachwuchs findet. "Bis 2010 werden 40 Prozent der Hausärzte in Rente
gehen", warnt ein Mediziner aus Bremen. Und ein anderer zitiert seine
Tochter: "Papa, falls ich überhaupt einmal Lust bekommen sollte, Hausärztin
zu werden, dann mache ich das in Schweden. Da habe ich das doppelte Geld
bei halber Arbeit."
Tatsächlich jedoch ist nicht zu erkennen, dass die deutschen Hausärzte bald
aussterben oder in Massen das Land verlassen würden. Stattdessen gibt es
immer mehr Praxen, wie sich der sehr umfangreichen
Gesundheitsberichterstattung des Bundes entnehmen lässt. Im Jahr 2000
wurden 49.959 niedergelassene Ärzte gezählt, die "Innere Medizin und
Allgemeinmedizin" praktizierten, 2009 waren es 55.051. Wie eine Flucht
aller Hausärzte sieht dies nicht aus.
Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass das deutsche Gesundheitssystem
extreme Ungerechtigkeiten produziert. Warum verdienen Hausärzte dann am
besten, wenn sie viele Privatpatienten haben? Wieso lohnt es sich nicht,
auf dem Land zu praktizieren, wo Ärzte gebraucht werden? Und warum kommen
Radiologen auf einen exorbitanten Jahresumsatz von durchschnittlich 381.500
Euro?
Die Arzthonorare müssen reformiert werden. Aber es kann nicht sein, dass
normale Arbeitnehmer deshalb noch mehr Kassenbeiträge zahlen müssen. Die
Ärzte verdienen außerordentlich üppig - jetzt müssen sie ihre Honorare nur
noch gerechter untereinander verteilen.
26 Jul 2010
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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