# taz.de -- Rote Khmer in Kambodscha: Die Tränen der Opfer | |
> Es ist der erste Prozess gegen Kader der Roten Khmer. Es geht um Folter, | |
> Mord und Kriegsverbrechen: Doch das Urteil enttäuscht Opfer und | |
> Hinterbliebene. | |
Bild: Was bleibt ist die Erinnerung und die Hoffnung auf eine gerechte Strafe. | |
Das Urteil nahm er regungslos auf. Zusammengesunken hockte Kaing Guek Eav | |
alias "Duch" auf seinem Stuhl hinter der kugelsicheren Wand des | |
Gerichtssaals, als die Richter am Montag ihre Entscheidung verkündeten: 30 | |
Jahre Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es war das erste | |
Urteil des UN-gestützten Gerichts über einen früheren Anführer des | |
Terrorregimes der Roten Khmer. | |
Duch, heute 67 Jahre alt, war einst Leiter des Foltergefängnisses Tuol | |
Sleng in der Hauptstadt Phnom Penh. In Tuol Sleng wurden mindestens 15.000 | |
Menschen gefoltert und ermordet, nur sieben überlebten. | |
Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass Duch vergleichsweise glimpflich | |
davonkommt. Zunächst sollte er für 35 Jahre hinter Gitter, wenig später | |
aber reduzierte das Gericht das Strafmaß. Zur Begründung hieß es unter | |
anderem, er habe bereits vor seiner offiziellen Anklage 2007 jahrelang | |
illegal im Gefängnis gesessen. Jene Jahre werden ihm nun auf seine Strafe | |
angerechnet. Demnach muss Duch, der auch wegen Kriegsverbrechen, Folter und | |
vorsätzlichen Mordes angeklagt worden war, noch lediglich 19 Jahre | |
absitzen. Statt 35 Jahre. | |
Nach der Urteilsverkündung brachen einige Opfer und deren Angehörige in | |
Tränen aus. Viele zeigten sich zutiefst enttäuscht oder empört. Eigentlich | |
hatten sie gehofft, dass Duch lebenslang eingesperrt würde. Oder dass das | |
Gericht zumindest der Staatsanwaltschaft folgen würde, die für Duch 40 | |
Jahre Haft gefordert hatte. "Ich kann das nicht akzeptieren", sagte eine | |
Frau, deren ganze Familie von den Roten Khmer ermordet wurde. Und Chum Mey, | |
einer der sieben Insassen, die die Hölle von Tuol Sleng überlebt haben, | |
erklärte nach der Urteilsverkündung erbittert: "Er hat alle ausgetrickst. | |
Ich bin erneut ein Opfer." | |
Ähnlich ernüchtert ist auch die deutsche Juristin Silke Studzinsky. "Es ist | |
natürlich wichtig , dass es überhaupt zu einem Urteil gekommen ist", so | |
Studzinsky, "aber von dem Ergebnis sind unsere Mandanten enttäuscht." Das | |
betrifft nicht nur die Höhe des Strafmaßes, sondern auch die Umstände | |
während des 2009 begonnenen Prozesses. | |
Reue und Geständnis | |
Duch hatte während des Verfahrens Reue gezeigt und seine Taten teilweise | |
gestanden. Gleichzeitig hatte der Angeklagte erklärt, er habe nur Befehle | |
befolgt, weil er um sein eigenes Leben gefürchtet habe. "Aber er hat nur | |
das eingeräumt, was man ihm sowieso nachweisen konnte", sagt Studzinsky. | |
Auch seine Entschuldigung bei den Opfern hat für diese längst einen | |
bitteren Beigeschmack. Denn am letzten Prozesstag Ende November 2009 hatte | |
Duch seine Freilassung gefordert. Die angebliche Reue des Angeklagten, | |
letztlich als strafmildernd anzusehen, ist für Kritiker ein Hohn. | |
Das Verhalten Duchs spiegelte auch die zunehmenden Differenzen zwischen | |
seinem kambodschanischem und seinem internationalem Verteidiger beim | |
Prozess wider. Während der einheimische Jurist Kar Savuth auf Freispruch | |
plädierte, wollte der Franzose François Roux nur mildernde Umstände geltend | |
machen. Die plötzliche Forderung nach Freispruch hatte Roux eine "böse | |
Überraschung" genannt. Mangels Vertrauens, wie es hieß, hatte Duch den | |
Franzosen schließlich kurz vor der Urteilsverkündung gefeuert. | |
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete das Urteil | |
über Duch als wichtige Entscheidung. Gleichzeitig könne es aber nur ein | |
erster Schritt sein. Die Organisation zeigte sich besorgt darüber, dass | |
bislang nur eine Handvoll Exkader der Roten Khmer als Täter benannt wurden. | |
Dies genüge nicht, um dem kambodschanischen Volk Gerechtigkeit widerfahren | |
zu lassen. | |
Damit aber dürften die Menschenrechtler bei Kambodschas Regierung kaum | |
Gehör finden. Diese hatte ursprünglich ganz verhindern wollen, dass ein | |
entsprechender Gerichtshof die noch lebenden früheren Spitzenfunktionäre | |
der Roten Khmer aburteilt. Kritiker sind überzeugt, dass die vielen engen | |
Verbindungen zwischen dem heutigen Staatsapparat und den ehemaligen Roten | |
Khmer mitverantwortlich für die jahrelangen Verzögerungen sind. Premier Hun | |
Sen, früher selbst ein Offizier der Roten Khmer, der 1977 zu den | |
Vietnamesen übergelaufen war, hatte sich mehrfach öffentlich über Sinn und | |
Zweck des Gerichts mokiert. | |
Zudem wurde immer wieder die politische Einflussnahme seitens der Regierung | |
kritisiert. Der Kanadier Robert Petit, bis Anfang September 2009 | |
Staatsanwalt bei dem UN-gestützten Tribunal, hatte sich vor seinem | |
Rücktritt dafür ausgesprochen, weitere Exfunktionäre der Roten Khmer | |
anzuklagen. Das aber war von kambodschanischer Seite blockiert worden. | |
Unter anderem hatte Premier Hun Sen vor Unruhen und Bürgerkrieg gewarnt, | |
sollte es zu neuen Verhaftungen kommen. | |
27 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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