# taz.de -- Neuer BP-Chef Dudley: Ein Amerikaner solls richten | |
> Der neue BP-Chef Robert Dudley wird erst einmal als Krisenmanager | |
> agieren. Eine neue Strategie, weg vom Öl, wird warten müssen. | |
Bild: Amerikaner durch und durch: Robert Dudley. | |
Barack Obama hätte ihn schon längst rausgeschmissen. "Jemand, der solche | |
Dinge sagt, würde nicht länger für mich arbeiten", schimpfte der | |
US-Präsident Anfang Juni. Zuvor hatte BP-Chef Tony Hayward die größte | |
Umweltkatastrophe der US-Geschichte als "winzig, im Verhältnis zur Größe | |
des Ozeans" bezeichnet und von einem "sehr, sehr bescheidenen" | |
Umweltschaden geredet. | |
Nachdem der Konzern jetzt den Führungswechsel organisiert hat, wird das | |
Eindreschen auf BP in den USA ein wenig komplizierter. Denn der neue Chef | |
Robert Dudley, 54, ist ein echter Amerikaner. Beim Reden. Bei der Kleidung. | |
Und beim Auftreten. Das Adjektiv "British" im Konzernnamen, das seit der | |
Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" am 20. April alle betonten, | |
hat mit Dudley etwas weniger Sinn. "Britisch", das als Wort längst aus dem | |
offiziellen Firmennamen verschwunden war, klang so, als handele es sich um | |
einen kolonialen Konflikt. Dabei ist BP längst global, 40 Prozent seiner | |
AktionärInnen sitzen in den USA, und BP ist der größte Ölproduzent in den | |
USA. | |
Bob Dudley leitet bereits seit Juni die Arbeiten im Golf von Mexiko, | |
nachdem Hayward kurz zuvor seinen Auftritt vor dem US-Kongressausschuss | |
vergeigt hatte. Und Dudley geht sowohl bei den Gouverneuren in den | |
Bundesstaaten am Golf als auch im Weißen Haus ein und aus. Zudem gilt er | |
als stressresistent. Diese Fähigkeit soll er sich unter anderem in Russland | |
angeeignet haben, wo er acht Jahre lang für TNK-BP, einem | |
Gemeinschaftsunternehmen von BP und russischen Investoren, gearbeitet hat. | |
So lange, bis er mit russischen Milliardären aneinandergeriet und er das | |
russische Visum entzogen bekam. | |
Doch Dudleys neue Aufgabe wird alles, was er zuvor getan hat, in den | |
Schatten stellen: Die Milliarden, die der Konzern bislang für die Arbeiten | |
im Golf ausgegeben hat, sind nur ein Vorgeschmack dessen, was noch kommt. | |
Da ist einerseits der 20 Milliarden Dollar große Schadensersatzfonds, der | |
nicht von BP, sondern unabhängig geführt werden soll. Zwar hatte Tony | |
Hayward diesem Fonds Anfang Juni zugestimmt, doch auf Zahlungen wartet die | |
US-Regierung bislang vergeblich. Außerdem erwägt der US-Kongress, BP die | |
Arbeiten auf bundeseigenem Land zu verbieten. Und da ist der Umgang mit den | |
Menschen und der Umwelt im und am Golf von Mexiko. Niemand kann | |
voraussagen, welche Folgen die Ölverschmutzung hat. Fest steht nur, dass | |
die Region auf Jahre schwer belastet sein wird. | |
Zudem ist die Zukunft der Offshore-Förderung offen. Jahrzehntelang konnte | |
die Ölindustrie in den Golfstaaten der USA ungehindert arbeiten. Doch seit | |
klar ist, dass die Branche nichts getan hatte, um sich für eine Katastrophe | |
zu wappnen, ist ihre Glaubwürdigkeit gesunken. Zwar ist die Ölindustrie | |
dort der wichtigste Arbeitgeber, doch werden in Zukunft die Kontrollen | |
strenger. Nicht nur weil die korrupte Kontrollbehörde MMS umorganisiert | |
wird, sondern vor allem wegen der Wut und Verzweiflung der Menschen dort. | |
Mit Robert Dudley, der den Chefposten zwischen dem 1. Oktober und | |
Jahresende übernimmt, wird zum ersten Mal in der 104-jährigen BP-Geschichte | |
kein Brite Chef des Unternehmens. Nach dem ungeschickten Agieren von Tony | |
Hayward kann es nur einem US-Amerikaner gelingen, die Regierung in | |
Washington und die Aktionäre zu beruhigen. | |
Der 54-jährige Dudley wird seinen Arbeitsplatz in London haben. Seine | |
wichtigsten Aufgaben sind klar: Er muss zunächst eine drohende Übernahme | |
verhindern. Vor allem aber muss er die Finanzen in Ordnung bringen. BP | |
legte am Dienstag früh eine verheerende Quartalsbilanz vor (siehe Kasten). | |
Um frisches Geld aufzutreiben, muss der Konzern in den kommenden anderthalb | |
Jahren Vermögen im Wert von 30 Milliarden Dollar verkaufen. BP will sich | |
vor allem von Öl- und Gasfeldern trennen. Davon wäre die Erforschungs- und | |
Produktionsabteilung betroffen, bei der 21.500 Angestellte arbeiten, davon | |
3.500 im Großbritannien. Die Ölfelder in der Nordsee will man nur ungern | |
verkaufen, weil das höchst symbolisch für das Ausmaß des Niedergangs wäre. | |
Erst nach diesen Aufräumarbeiten kann Dudley eine neue Konzernstrategie | |
entwickeln, um langfristig von den fossilen Energieträger loszukommen. | |
"Der Zwischenfall hat BPs Ruf beschädigt, was widrige öffentliche und | |
politische Äußerungen belegen", hieß es am Dienstag in einer Erklärung des | |
Konzerns. "Das könnte längerfristig so bleiben, was unser langfristiges | |
Wachstum behindern könnte." | |
Fünfzig BP-Tankstellen mussten am Dienstag in London aufgrund von | |
Demonstrationen von Greenpeace geschlossen bleiben. BP müsse seine | |
Strategie ändern und sich von der Tiefseeförderung verabschieden, forderte | |
Greenpeace. Darüber hinaus stehen BP dreihundert Privatklagen bevor. Die | |
USA überlegen noch, ob BP zivilrechtlich oder strafrechtlich zu belangen | |
sei. Und auch mit weiteren Klagen der Pensionskassen ist zu rechnen. Die | |
haben bereits 2006, nach der Ölkatastrophe von Prudhoe Bay in Alaska, wegen | |
des Wertverlusts geklagt. Ein Urteil steht noch aus. | |
Die Arbeiten am Bohrloch gehen unterdessen weiter. Am Montag teilte der | |
Krisenmanager der US-Regierung Thad Allen mit, dass die Versiegelung des | |
Öllecks beginnen soll. Ab kommenden Montag solle in einem ersten Schritt | |
eine Mischung aus Schlamm und Zement in das Leck gepumpt werden. | |
27 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
D. Hahn | |
R. Sotscheck | |
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will. |