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# taz.de -- Wahl in Afghanistan: Hamid Karsais Puppentheater
> Im September wird in Afghanistan ein neues Parlament gewählt, der
> Wahlkampf hat begonnen. Aber die Taliban kontrollieren 70 Prozent des
> Landes und im Rest droht Wahlfälschung.
Bild: Afghanistans Präsident Hamid Karsai bei einem Treffen mit Stammesführer…
KABUL taz | Fahima ist gekommen, um Rat einzuholen. Die attraktive
Dreißigjährige kandidiert für das afghanische Parlament. Ob nicht die Nato
oder UN vielleicht ihren Wahlkampf finanzieren könnten, fragt sie die
Ausländer, die in einem Büro in Kabul sitzen und staunen. Fahima, Inhaberin
eines Bodybuilding-Studios, ist enttäuscht, dass der Westen ihr nicht
helfen kann. Immerhin hatten die doch die Demokratie eingeführt.
Nicht nur Fahima geht dieser Tagen von Haus zu Haus. Allein in Kabul sind
mehr als 500 Kandidaten registriert, im ganzen Land sollen es über 2.500
sein. Für das Parlament kandidieren sei inzwischen eine
Freizeitbeschäftigung, spotten Afghanen. Am 19. September soll das Land
eine neue Volksvertretung bestimmen. Das Datum kann die Wahlkommission
allerdings noch verschieben, wenn "die Sicherheitslage" es erfordert.
Es ist Afghanistans zweite freie Parlamentswahl, und es ist eine erneute
Nagelprobe. Die Präsidentenwahl im August 2009 wurde massiv gefälscht,
monatelang wurde gestritten, die Wahlbeschwerdekommission disqualifizierte
Millionen Stimmzettel und dennoch wurde Karsai schließlich zum Sieger
erklärt. Viele Beobachter waren schon damals der Meinung, dass die
Sicherheit für eine "freie und faire Wahl" nicht gegeben war. Heute ist die
Lage noch schlechter. Die Taliban kontrollieren inzwischen 70 Prozent des
Landes.
"In meiner Provinz gibt es keine Sicherheit", kritisiert Mullah Malang, der
in der westlichen Provinz Badghis kandidiert. Der Parlamentarier wurde 2005
gewählt. Diesmal ist er sich nicht sicher, ob er siegen wird. "In 70
Prozent des Landes ist die Sicherheit nicht gegeben. Man kann die Wahlurnen
nur noch in die Provinz- und Distrikthauptstädte bringen. Leute von
außerhalb werden dort nicht hinkommen." Mullah Malang erzählt, dass in
seiner Provinz rund 400.000 Menschen auf der Wahlliste stehen. "Maximal
20.000 werden wählen", schätzt er.
Das öffnet Fälschungen Tür und Tor, fürchtet Mullah Malang. Präsident
Karsai versuche mit der Wahl ein "Ja-Parlament" zu schaffen, "wo er wie ein
König herrschen und tun kann, was er will." Auch andere Politiker haben vom
afghanischen Parlament eine geringe Meinung. "Das Verhältnis zwischen dem
Präsidenten und dem Parlament ist das Verhältnis zwischen zwei
Geschäftsleuten", sagt Explanungsminister Ramazan Bashardost, der bei der
Präsidentenwahl 2009 gegen Karsai antrat. "Es gibt einen Handel zwischen
Karsai und dem Parlament: Wie viel gibst du mir für meine Stimme",
beschreibt er die Tätigkeit der Legislative.
Das Parlament ist wegen des in der Verfassung festgeschriebenen
Präsidialsystems ohnehin eher schwach. Und weil politische Parteien kaum
eine Rolle spielen, wird die Rolle des Präsidenten weiter gestärkt. Jeb
Ober von der US-Organisation Democracy International in Kabul erklärt das
so: "Es gib eine weit verbreitete Abneigung gegen Parteien, weil die mit
der kommunistischen Ära verbunden werden." Nur 10 Prozent der Kandidaten
stünden für eine Partei. "Das System", so Ober, "fördert die Wahl eines
starken Mannes in der Provinz." Er sieht dennoch Fortschritte: "Die meisten
Leute sehen die neue Wahlkommission als unparteiischer an."
"Alles ist besser als 2005", sagt auch die Mitarbeiterin einer
Menschenrechtsorganisation in Kabul, die sich mit der Wahl befasst. "Außer
die Disqualifizierung von Kandidaten." Disqualifizierung ist in Afghanistan
wie auch in anderen Nachkriegsstaaten ein großes Thema: Sie soll
verhindern, dass Kriegsverbrecher eine zweite Karriere in der Politik
beginnen. Gerade in Afghanistan dürften etliche Kandidaten eigentlich nicht
auf der Wahlliste stehen, weil sie früher Menschenrechte verletzten, zur
Drogenmafia gehörten oder schlicht korrupt sind.
Doch niemand wollte eine Liste zu disqualifizierender Kandidaten
aufstellen. Erst ging die Aufgabe in der Verwaltung eine Weile hin und her,
dann waren nur fünf Namen auf der Liste. Weil das dann doch als zu wenig
galt, begann die Arbeit an einer zweiten Liste, die nun 31 Namen enthält.
Die meisten davon kennt niemand.
28 Jul 2010
## AUTOREN
Agnes Tandler
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