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# taz.de -- Doping in der Leichtathletik: Bö von hinten rechts
> Jürgen Schult war letzter DDR-Olympiasieger. Doch die Dopingvergangenheit
> des Bundestrainers der Diskuswerfer ist noch lange nicht aufgearbeitet.
Bild: Die Antidopingbeauftragte des DLV kennt keinen Dopingfall Jürgen Schult …
BERLIN taz | Jürgen Schult erzählt es gern, wenn er zu seinem bis heute
gültigen Diskusweltrekord von 74,08 Matern vor 24 Jahren gefragt wird.
Zuletzt im Mai an seinem 50. Geburtstag. "Es lag an der Dynamik bei diesem
Wurf, an dieser Böe von hinten rechts, die den Diskus mitnahm. Diese
Steigerung hatte nichts mit Doping zu tun." Doch an der Glaubwürdigkeit so
mancher vom Steuerzahler mitfinanzierter Leichtathletik-Bundestrainer gibt
es nicht nur große Zweifel, sondern nüchterne Fakten zum Dopingbetrug.
Erinnert sei hier an die späte, schablonenhafte Pauschalentschuldigung von
Maria Ritschel, Werner Goldmann, Rainer Pottel, Klaus Baarck, Klaus
Schneider und Gerhard Böttcher im Jahr 2009, wenige Monate vor der WM in
Berlin. All diese belasteten Trainer machten nach der Wiedervereinigung im
DLV Karriere, obwohl ihre Verstrickungen in das DDR-Staatsdopingsystem zum
Teil schon anfangs der Neunzigerjahre bekannt geworden waren.
Im Falle Schult war bisher nur Ermittlungsbehörden dessen Versuch bekannt,
die Aufarbeitung zu blockieren. Schult, der 1988 bei den Olympischen
Spielen in Seoul Diskus-Olympiasieger für die DDR wurde und damit
sporthistorisch der letzte DDR-Olympiasieger überhaupt war, hatte im Jahr
2000 im Zusammenhang mit den Recherchen der Zentralen Ermittlungsstelle für
Regierungs- und Vereinigungskriminalität zum DDR-Staatsdoping zunächst die
Unwahrheit gesagt. Nämlich, dass er das Anabolikum Oral-Turinabol vor dem
Mauerfall überhaupt nicht gekannt habe und er nicht wusste, dass er mit
muskelaufbauenden Medikamenten in der DDR in Kontakt gekommen sei.
Schults Aussagen vor den Ermittlern standen allerdings im krassen
Widerspruch zu den Erklärungen seiner einstigen Sportkameraden beim
DDR-Sportclub Traktor Schwerin, die bestätigten, dass Schult auch Anabolika
genommen habe. Weiterhin gibt es Aufzeichnungen, etwa des
Dopingwissenschaftlers Lothar Hinz, der 1986 die Dopingmitteldosierung der
späteren Olympiasieger Ulf Timmermann im Kugelstoßen und die von Jürgen
Schult über Jahre analysiert hatte.
Als Schult auch bei einer richterlichen Vernehmung die Unwahrheit sagte,
Oral-Turinabol erst seit dem Mauerfall zu kennen, leitete die
Staatsanwaltschaft Schwerin wegen des Verdachts der uneidlichen
Falschaussage ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Daraufhin räumte
Schult ein, bei der richterlichen Vernehmung gelogen zu haben.
Schults Anwalt begründete dies damit, dass sein Mandant es als ungerecht
empfunden habe, dass für die DDR die Dopingproblematik detailliert
dokumentiert worden sei, hingegen das Doping in der Bundesrepublik nicht
problematisiert werde. Zudem habe Schult, so sein Anwalt damals, "es als
Ehrenkodex empfunden, nach der Wende über die Dopingproblematik in der
ehemaligen DDR nichts zu sagen, um nicht nur sich selbst, sondern auch
andere ehemalige oder zur Zeit nach dem Mauerfall noch aktive Sportler der
ehemaligen DDR nicht zu belasten." Gegen die Zahlung einer Geldauflage von
12.000 Mark stellte die Staatsanwaltschaft 2001 das Verfahren ein.
Im selben Jahr ist Schult zum Bundestrainer berufen worden. Auf Anfrage
bestätigte Schult die Zahlung der Geldauflage. Dazu, dass in der Folge auch
sein Weltrekord wegen Dopings für ungültig erklärt werden müsse, wollte er
sich nicht äußern. Die Antidopingbeauftragte des DLV, Anne Jakob, die nach
eigenen Angaben zahlreiche Ermittlungsakten zum DDR-Staatsdoping eingesehen
hat, meinte, dass sie von diesem Fall Schult keine Kenntnis habe.
In jenem Jahr 2001 hat Jürgen Schult übrigens den
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis erhalten, den der DLV alljährlich an einen
"würdigen und verdienten Leichtathleten, der in Haltung und Leistung als
Vorbild für die Jugend gelten kann" verleiht.
29 Jul 2010
## AUTOREN
Thomas Purschke
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