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# taz.de -- Ego-Shooter gegen sexuelle Belästigung: Kaltmachen gegen Anmachen
> Im Online-Spiel „Hey Babe“ kann Frau mit dem Schnellfeuergewehr Jagd auf
> Männer machen, die sie sexuell belästigen.
Bild: Eine Frau greift durch: Spiel "Hey Babe".
Dem Mann an der Ecke gefällt mein Po. Autos hupen und hinter mir schreit
jemand: „Ich weiß, du willst es“. Was man da machen kann? Nicht viel.
Entweder einen schönen Tag wünschen, dann fliegt eine rosa Wolke mit
Herzchen durch die Luft. Oder ich zücke das Machinengewehr: Anlegen,
zielen, Feuer frei.
Sexuelle Belästigung war in Computerspielen bislang kaum ein Thema, von
klassischen Ego-Shootern ganz zu schweigen. Das [1][kostenlose Online-Spiel
„Hey Babe“] füllt diese Lücke. Man bzw. Frau macht nicht Jagd auf Mutante…
Monster oder Terroristen, sondern auf fiese Kerle, die einem in einer
virtuellen Stadt nachstellen.
Das Spiel stammt von der britischen Künstlerin und Produzentin Suyin Looui,
die Idee dazu kam ihr, als sie selbst in einer New Yorker U-Bahn Station
von einem jungen Mann belästigt wurde. Das größte Problem damals: Sie
wusste nicht, wie sie reagieren soll. Schimpfen und damit den Typen
eventuell noch mehr provozieren? Oder einfach weggehen und die Anmache
ignorieren?
In „Hey Babe“ kann jeder diese beiden Szenarien durchspielen – wenn auch
auf ziemlich extreme Art und Weise. In einer virtuellen Stadt lenkt man
seine weibliche Hauptperson durch die Straßen. Ständig kommen Männern auf
einen zu, die einen ansprechen, manche rufen „God bless you“, oder „You a…
beautiful“, andere werden wesentlich deutlicher. Nun kann man sich
entscheiden: Entweder man man nimmt die freundliche Variante, dann werden
die Anmacher mit Herzchen überschüttet und nach einiger Zeit fliegen
überall rosa Wölkchen durch die Strassen. Nimmt man Variante zwei, das
Schnellfeuergewehr, verwandelt sich die virtuelle Stadt innerhalb von
kürzester Zeit in einen Friedhof. Überall liegen blutüberströmte Leichen,
neben ihnen Grabsteine, auf denen „R.I.P.“ steht und darunter die jeweilige
Anzüglichkeit, sauber eingemeißelt für die Ewigkeit.
Als ernstzunehmendes Ballerspiel ist „Hey Babe“ nicht gedacht. Dafür ist
die Grafik zu schlecht, es gibt nur ein Level, und selbst das ist auf
einige Strassenzüge beschränkt. Auch gibt es kein Ziel, keinen Endgegner,
keine Punkte. Das Spiel läuft einfach immer weiter, der Strom von
anzüglichen Sprüchen reißt nicht ab, egal was man tut. Das kann manchmal
ziemlich beeindruckend sein, vor allem dann, wenn man in eine Ecke gedrängt
wird und eklige Typen im Chor auf einen Einreden. Als Mann, der sexuelle
Belästigung so noch nicht am eigenen Leib erfahren hat, ist das auf jeden
Fall lehrreich.
Das Schnellfeuergewehr und vor allem der Sinn der Blutorgie erklärt sich so
aber nicht.
Diese extreme Gewaltdarstellung, sagte Suyin Looui in einem Radiointerview,
habe sie extra so gewählt, damit klar sei, dass dies alles nur ein Spaß
sei. Das Problem: Sobald man die Knarre ansetzt, unterscheidet sich „Hey
Babe“ kaum mehr von einem anderen Ego-Shooter, die sexuellen Belästigungen
gehen ohnehin in Gewehrsalven unter. Von einem gesellschaftskritischen
Online-Spiel bleibt nicht mehr viel übrig als eine plumpe Rachephantasie:
Abknallen, sie haben es ja verdient!
Auch bleibt unklar, wen genau Suyin Looui mit ihrem Spiel denn eigentlich
erreichen will: Frauen, denen das Problem sexuelle Belästigung ja ohnehin
bekannt ist? Wohl kaum. Bleiben nur die Männer, die ja auch diejenigen
sind, die sich eigentlich ändern sollten, schließlich sind sie auch die
Urheber des Problems. Allein: Die Sorte Mann, die gerne mal einer Frau „Ich
weiß du willst es!“ hinterherruft, die wird wohl kaum einen tieferen Sinn
hinter dem Spiel erkennen – im Zweifelsfall freuen sie sich nur über ein
weiteres kostenloses Ballerspiel.
Abseits von Sinn und Nutzen hat „Hey Babe“ zumindest einiges Aufsehen
erregt. Die Premium-Version des Spiels ist laut den Machern wegen der
großen Nachfrage ausverkauft – worin sie sich von der kostenlosen Version
unterscheidet bleibt allerdings unklar, genauso wie sich bislang keine
einzige Spielerin und kein einziger Spieler gemeldet hat, der diese auch
tatsächlich gekauft hat.
In englischsprachigen Blogs, Radios und Zeitungen wurde das Spiel dafür
eingehend besprochen, die Urteile reichen von belanglos bis pädagogisch
wertvoll. In wie weit „Hey Babe“ aber tatsächlich einen sinnvollen Beitrag
zur Diskussion um sexuelle Belästigung geleistet hat, bleibt fraglich.
Weder im Spiel noch auf der Homepage bekommen potentielle Opfer irgendeinen
Hinweis darauf, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie das nächste Mal von
einem Mann in der U-Bahn oder auf der Strasse belästigt werden. Was bleibt
sind nur die Herzchen-Wolken – oder das Schnellfeuergewehr.
3 Aug 2010
## LINKS
[1] http://www.heybabygame.com/info.php
## AUTOREN
Christoph Gurk
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