# taz.de -- Verhaltensüberwachung im Internet: In der Cookie-Falle | |
> Wer populäre Websites besucht, bekommt häufig sogenannte Tracking-Cookies | |
> auf die Festplatte geschrieben. Das können Hunderte sein, warnen | |
> Datenschützer. | |
Bild: Dieser Cookie hinterlässt Spuren am Bauch, aber nicht auf der Festplatte. | |
1994 erfand Lou Montulli, Entwickler beim Browser-Pionier Netscape, das | |
"Cookie", einen harmlosen Datenkrümel, der auf der Festplatte des Nutzers | |
gespeichert wird und beispielsweise den Inhalt eines Warenkorbs beim | |
Online-Shopping aufbewahrt. | |
Mittlerweile dienen Cookies allerdings ganz anderen Zwecken - sie erlauben | |
es großen Online-Firmen und Mediaagenturen, Nutzer durch das halbe Internet | |
zu verfolgen. Wer am Morgen bei Yahoo nach Rucksäcken gesucht hat, bekommt | |
den Rest des Tages über auf zahlreichen anderen Websites plötzlich Werbung | |
für Outdoor-Artikel eingeblendet. Hat man bei Microsofts Bing sein | |
Interesse an Diäten geäußert, gibt es regelmäßig Schlankheitsprodukte. Und | |
bei Google wird diese Technik sogar als besonders nutzerfreundlich | |
beworben: "Interessensbasierte" Werbung sorge dafür, dass Kunden nur noch | |
für sie relevante Anzeigen erhielten. Im Selbstversuch erkennt das System | |
die eigenen Interessen erstaunlich gut: Als ich Googles Technik ausprobiere | |
und ein bisschen durchs Web klicke, werde ich selbst beispielsweise als | |
Technologie- und an Hunden interessiert eingestuft. Das passt, schreibe ich | |
doch über ersteres Thema und habe kürzlich nach einem schadstofffreien | |
Kauball für unseren Kaninchenteckel gesucht. | |
Technisch nennt man diese Masche "Behavioral Targeting", zielgerichtete | |
Werbung anhand von Verhalten im Netz. Die Profile, die dabei entstehen, | |
sind erstaunlich umfangreich. Wie das "Wall Street Journal" in einer | |
[1][aktuellen Analyse] herausfand, lässt sich über Cookies und andere | |
Tracking-Maßnahmen mittlerweile das Einkommen eines Surfers abschätzen, | |
sein Alter und sogar die Wahrscheinlichkeit, mit der er einen Kredit | |
zurückzahlt. Dabei ist die Menge der geschriebenen Datenkrümel kaum mehr zu | |
überschauen. Viele Seiten speichern einem Surfer Dutzende davon bei jedem | |
Besuch auf die Festplatte. Den Vogel schießt aktuell die Lexikonseite | |
"Dictionary.com" ab: Sie installiert insgesamt 159 Cookies. Seitens der | |
Industrie heißt es stets, Cookies seien anonym, da sie nie mit Klarnamen in | |
Verbindung gesetzt würden. Doch Datenschützer warnen, dass allein aus den | |
angesammelten Profildaten leicht Rückschlüsse auf Personen gezogen werden | |
können. | |
In der "Wall Street Journal"-Untersuchung kam weiterhin heraus, dass die 50 | |
wichtigsten Seiten der USA aktuell 3180 verschiedene Schnüffeldateien auf | |
die Festplatte des Benutzers schreiben. Nur ein Drittel davon sind harmlos, | |
zwei Drittel, die von insgesamt 131 verschiedenen Firmen stammen, dienen | |
laut der Zeitung dem Tracking. | |
Zu den Unternehmen, die hinter dem Konsumenten-Profiling stecken, gehört | |
etwa der US-Spezialanbieter x+1, der sich damit rühmt, er könne mit nur ein | |
paar Klick des Nutzers erkennen, wie viel Geld dieser in etwa verdient. Das | |
dient Finanzkonzernen dazu, die richtige Kreditkarte anzubieten. Aber auch | |
Online-Vermarkter wie Valueclick, Werbekonzerne wie WPP und große | |
Online-Firmen wie Microsoft oder AOL spielen mit. Gekauft wird | |
profiloptimierte Reklame mittlerweile von vielen Industriebereichen - sie | |
bringt für Website-Betreiber deutlich mehr Geld als normale, eher | |
unspezifische Reklame. | |
Behavioral Targeting wird in Deutschland mittlerweile genauso | |
selbstverständlich eingesetzt wie in den USA. Allerdings versuchen einige | |
Anbieter, das Thema Datenschutz in den Vordergrund zu rücken - so ließ sich | |
etwa der Berliner Anbieter nugg.ad vom nicht als zurückhaltend bekannten | |
Schleswig-Holsteiner Beauftragten für den Datenschutz zertifizieren. | |
Die technische Wurzel des Cookie-Übels liegt darin, dass Browser in ihrer | |
Grundeinstellung erlauben, sogenannte "Third-Party Cookies", also | |
Datenkrümel dritter Parteien, zu schreiben und zu lesen. War Montullis | |
Ur-Cookie noch sehr datenschutzfreundlich und darauf beschränkt, dass z.B. | |
taz.de auch nur Cookies für taz.de schreiben konnte, ist das heute anders. | |
Cookies einer einzigen Seite können potenziell von Hunderten Quellen | |
stammen, die diese dann auch wieder auslesen können. | |
Die Browser-Hersteller könnten im Kampf gegen das Tracking einiges tun. So | |
ließen sich (in vielen Programmen längst vorhandene) Modi wie das "Private | |
Browsing", bei dem Cookies nicht dauerhaft gespeichert werden, stärker in | |
den Vordergrund rücken und auch so manche Grundeinstellung gehört | |
Datenschützern zufolge angepasst. | |
Dass sich hier viel tut, ist allerdings zweifelhaft. So hatte Microsoft | |
beispielsweise noch 2009 vor, im aktuellen Internet Explorer 8 die | |
erwähnten Third-Party Cookies standardmäßig zu deaktivieren. Doch das | |
geschah Medienberichten zufolge nicht, weil sich die Online-Werbeabteilung | |
des Konzerns dagegen aussprach. Die Folge: Nutzer müssen händisch für mehr | |
Privatsphäre sorgen, statt "Opt-In", also willentlicher Entscheidung für | |
mehr Tracking, wird ihnen ein "Opt-Out", ein explizites Abdrehen der | |
Schnüffelei, abverlangt. Doch sehr viele Surfer trauen sich an solche | |
Einstellungen in ihrem Browser nicht heran. | |
Zum Glück werden mittlerweile diverse Werkzeuge angeboten, die dem Nutzer | |
helfen, sich gegen Behavioral Targeting zu wehren. Dazu gehören | |
Zusatzprogramme wie [2][TACO], die Tracking-Cookies gezielt löschen, sowie | |
[3][Better Privacy], das mit Flash-Datenkrümeln ein Ende macht, die immer | |
dann eingesetzt werden, wenn der Nutzer normale Cookies unterdrückt hat. | |
(Flash-Cookies sind besonders fies, weil sie in einem eigenen Verzeichnis | |
lagern, das viele Nutzer nicht kennen und von Hand gelöscht werden muss.) | |
Aus Googles mittlerweile gigantischer Tracking-Infrastruktur kann man sich | |
wiederum mit einem Klick auf eine spezielle Opt-Out-Seite verabschieden. | |
Doch Google traut sich dabei nicht selbst: Der Online-Riese empfiehlt, | |
gleich noch ein [4][Programm] zu installieren, das sicherstellt, dass auch | |
wirklich nie wieder ein Google-Cookie auf der Festplatte landet. | |
5 Aug 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703940904575395073512989404.h… | |
[2] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/software-blockiert-tracking-verfahren/ | |
[3] https://addons.mozilla.org/en-US/firefox/addon/6623/ | |
[4] http://www.google.com/ads/preferences/plugin/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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