# taz.de -- Aktivistenbündnis in Bedrängnis: Yes Men brauchen Nachwuchs | |
> Mit ihren spektakulären Aktionen schufen die Yes Men eine neue Form | |
> intelligenter Politkampagnen. Jetzt schwächelt die Protestavantgarde. | |
Bild: Das Weltrettungs-Vorhaben stockt: die Yes Men haben Nachwuchssorgen. | |
Sie sind die Päpste einer weltweit begeisterten Jungschar. Ihr Geheimnis: | |
Effektive Politik mit Leuchtkraft. Leicht bekömmlich, schrill und sexy. Die | |
Yes Men sind das vielleicht kultigste Aktivistenbündnis der Welt. Mit ihren | |
Überraschungscoups haben die Medienguerilleros in den letzten zwölf Jahren | |
immer wieder auf sich aufmerksam gemacht. | |
Mit Aktionen wie einem [1][gefakten Auftritt bei BBC] lösten sie | |
gesellschaftliche Debatten aus und führten Riesenkonzerne wie den | |
US-amerikanischen Industrieriesen Dow Chemical der Welt vor. Etwa als sie | |
im Jahr 2004 behaupteten, das Unternehmen übernehme endlich die volle | |
Verantwortung für die tausenden Opfer der Chemiekatastrophe von Bhopal im | |
Jahr 1984. Das war mitnichten der Fall - das Unternehmen dementierte heftig | |
und geriet massiv in die Schusslinie. Genau das ist das Rezept der Yes Men: | |
Sie überbieten ihre Klassenfeinde in deren eigener Absurdität. | |
Doch die Opas der Kommunikationsguerilla haben ein Problem: Ihnen fehlt der | |
Nachwuchs. Denn die Gesichter von Shooting-Stars wie Andy Bichlbaum und | |
Mike Bonano sind inzwischen so bekannt, dass sie kaum noch jemanden | |
täuschen können. | |
Nachfolger aus dem Labor | |
Zuletzt ging im Oktober 2009 eine Yes-Men-Aktion gegen die US-Handelskammer | |
gründlich schief, weil ein Lobbyvertreter das Spektakel stoppte, noch ehe | |
es richtig begann. Kurz: Es mangelt an frischen Gesichtern, es fehlt der | |
geistreiche Fake-Nachwuchs. | |
Mit dem Yes Lab, einem eigenen Institut, wollen die Yes Men nun | |
ambitionierte Nachwuchs-Betrüger mit dem nötigen Handwerk ausstatten. Dazu | |
sammeln sie auf ihrer [2][Homepage] gerade Geld, um ihr Aktionskonzept zum | |
Exportschlager einer unterhaltungswilligen Bewegungsbranche zu machen. | |
"Auch wegen unserer Erfolge haben wir realisiert, dass es höchste Zeit ist, | |
systematische Unterstützung anzubieten für Leute, die Ähnliches planen", | |
sagt Yes Man Andy Bichlbaum. | |
Bis September sollen 50.000 US-Dollar gesammelt werden, rund 20.000 seien | |
schon eingegangen. Davon soll eine Bürokraft eingestellt und eine feste | |
Struktur für den kreativen Protest aufgebaut werden. Die Idee kommt | |
offenbar gut an: Täglich wächst laut Bichlbaum die Zahl derjenigen, die die | |
Yes Men um Konsultationen bitten. | |
Doch auch das Yes Lab wird wohl keine Massenströmung werden, sondern eher | |
ein Elitenprojekt. Denn wer mit der Gruppe Aktionen planen will, muss schon | |
eigene Themen und Infrastruktur mitbringen, UnterstützerInnen mobilisieren | |
können und viel Arbeit investieren. Dafür bietet das Protestlabor virtuelle | |
Beratung und ab September auch konkrete Workshops zur Aktionsvorbereitung | |
an. Streng geheim, versteht sich. | |
Wie die Resultate aus dem Yes-Men-Labor aussehen könnten, davon lässt es | |
sich im Netz bereits ein eigenes Bild machen. Vor wenigen Tagen machte das | |
erste Yes-Lab-Projekt auf sich aufmerksam. In einem [3][Video] versprach | |
eine vermeintlich französische Regierungssprecherin dem Inselstaat Haiti | |
umfängliche Reparationszahlungen in Höhe von 21 Milliarden Dollar - als | |
Entschädigung für die französischen Profite aus Kolonialherrschaft und | |
Sklavenhaltung. | |
Die Nachricht war falsch, der Sinn erfüllt: Ein Sprecher des französischen | |
Außenministeriums reagierte empört, die AktivistInnen antworteten | |
entspannt: "Wenn die Regierung uns dafür verfolgen will, verschafft sie uns | |
nur noch mehr Sichtbarkeit." Drei weitere Projekte sind laut Bichlbaum | |
derzeit in Planung. Über ihre Zielrichtung wird noch geschwiegen. Nur eins | |
sagt Bichlbaum: Mit deutschen Organisationen sind noch keine Projekte | |
geplant. | |
Deutscher Supercoup fehlt | |
Das muss nicht wundern. Immer wieder versuchen in Deutschland zwar | |
PolitaktivistInnen an belustigende Verwirrungsstrategien anzuknüpfen, doch | |
die Aufmerksamkeitswellen bleiben meist überschaubar. | |
Ein kleiner Coup gelang immerhin Studierenden der [4][Universität | |
Lüneburg]. Sie fakten einen Werbefilm, der in schönstem Managementsprech | |
für die Kommerzialisierung der Universität warb. So verwechselbar war die | |
Satire, dass tagelang auf dem Campus Unklarheit herrschte, ob die | |
Uni-Leitung es ernst meinen könnte. | |
Ansonsten machen in Deutschland eher intelligente Kleinprojekte von sich | |
reden: Berliner Knuddelhase [5]["Pink Rabbit"] etwa frönt seinem | |
Deutschlandhass durch zuckersüße Protestauftritte beim politischen Feind. | |
Und die spaßhungrigen Linksausleger der "Hedonistischen Internationale" | |
veranstalten muntere Heiterkeitsfeste und Jubelparaden, um ihren Unmut zu | |
zelebrieren. | |
Lachparaden, Smart-Mobs und Guerilla-Gardening - die Aktionsformen, derer | |
sich BewegungsaktivistInnen hierzulande bemächtigen, sind zahlreich. Doch | |
wahre Supercoups beherrschen nur selten die Medien. Vielleicht wird es auch | |
hier Zeit für die große Schule, für die Enkelkinder der Yes Men. | |
6 Aug 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=LiWlvBro9eI | |
[2] http://theyesmen.org/lab | |
[3] http://www.diplomatiegov.info/rubrique.fr-14-07-2010.html | |
[4] http://www.leuphana.de.vu/ | |
[5] http://www.pink-rabbit.org | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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