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# taz.de -- Soldatenväter zum Knuddeln: Papa, die Flecktarnpuppe
> Bundeswehr-Soldaten im Auslandseinsatz hinterlassen in den Familien
> Lücken. Geschäftstüchtige Angehörige füllen sie – etwa mit Vaterkissen.
Bild: Strammstehen und kuscheln: Kind mit Knuddy.
Barbara Treder verkauft Papa-Puppen. Sie heißen Knuddy. Sie sollen kleine
Kinder trösten. Es gibt sie wahlweise in den Farben "Bundeswehr Standard",
"Bundeswehr Einsatz" oder "Khaki". Knuddys kann man waschen. Es sind
eigentlich nur längliche Kissen, geformt wie russische Matrjoschka-Puppen,
30 oder 42 Zentimeter. Auf der Vorderseite sind Soldatenväter in Flecktarn
zu sehen. Treder druckt sie auf den Stoff. Damit die Kinder mit der
Papapuppe einschlafen können - während die Väter in Afghanistan oder vor
dem Horn von Afrika im Auslandseinsatz sind. Ein Knuddy kostet 18,85 Euro.
Die Farbe "Bundeswehr Einsatz", sagt Treder, geht am besten.
Die Papabärchen in Camouflage wirken wie der etwas tapsige Versuch, mit dem
Fehlen der Väter in deutschen Bundeswehrfamilien umzugehen. "Knuddy bietet
den perfekten Weg, um jede entfernte geliebte Person nah am Herzen zu
halten", heißt es auf der Produkthomepage, die die Soldatenfrau Treder
betreibt. Wer ihr ein Foto des Vaters schickt, bekommt Papa als Puppe
zurück, mit Uniform gedruckt auf einen Teddyersatz.
Der Handel mit den Trostdevotionalien versucht, die Lücke zu füllen, die
der Soldatenpapa hinterlässt. Gleichzeitig ist es für einige
Bundeswehrangehörige ein kleines Geschäftsmodell geworden. Die Papapuppen
sind keine deutsche Erfindung. Die Idee stammt, wen wunderts, aus den USA,
wo man mit abwesenden Army-Vätern Erfahrung hat.
Dort werden über die Homepage [1][www.hugahero.com] ("Umarme einen Helden")
"die einzig wirklichen Daddy Dolls" vertrieben. Und "Flat Daddies", zu
Deutsch "Flachpappis", sind in den USA ein echter Renner. In Lebensgröße
pinnen sich die Zurückgelassenen der Irakkrieger ihren Vater in
Papierversionen an die Wohnzimmerschrankwand. Für solche Poster schießen
sie gemeinsame Familienfotos, die den abwesenden Soldatenpapa zeigen, in
Ausnahmen auch mal die Mama.
Diese Huldigungskultur der ganz speziellen Art wirkt in den traditionell
eher militärpatriotischen USA gar nicht allzu ungewöhnlich. Auch Stephen
Goodman ist dort derzeit ein echter Held. Der zehnjährige US-Amerikaner
verbringt seine Freizeit damit, Soldatenkarten zu basteln. Mit seinem
64-jährigen Opa, einem Vietnamveteranen, sitzt der Junge aus Arizona in
seinen freien Stunden an einem gewaltigen Projekt: 180.000 Postkarten will
er verschicken - an jeden US-Soldaten im Afghanistan- und Irakeinsatz eine.
"Thank your for serving our country" soll darauf stehen. Sein Kindergruß in
den Krieg. "Danke, dass du unserem Lande dienst."
Währenddessen scheint auch in Deutschland das Geschäft mit den
Soldatendevotionalien zu wachsen. Der Einsatz an der Homeshopping-Front
schwankt zwischen ähnlichem Papapatriotismus, etwas verqueren
Solidaritätsbekundungen oder schlichter Hilflosigkeit.
Der Hintergrund ist ernst. Die toten afghanischen ZivilistInnen hat sie
zwar nicht gezählt, eins aber weiß die Bundeswehr: 43 deutsche Soldaten
sind seit Beginn des Bundeswehr-Mandats in Afghanistan bislang gestorben.
26 im Kampfeinsatz, 11 in Folge von Unfällen, 3 mit natürlicher
Todesursache und weitere 3, die sich in Afghanistan das Leben nahmen.
"Unsere Soldaten, die für uns den Kopf hinhalten, haben unsere Solidarität
verdient", sagt Monica Melloh. Sie ist fast so etwas wie das deutsches
Pendant zu Stephen Goodman. In den vergangenen Wochen hatte sie kaum noch
Freizeit. Die 58-jährige Soldatenmutter verdient an Militärschnickschnack
und Uniformen, sie verkauft Feldbekleidung und Kampfmesser. In Oldenburg
betreibt sie ein Militär- und Ausrüstungsgeschäft - und seit sie vor
einigen Monaten die gelbe Solidaritätsschleife für Soldaten in den Vertrieb
genommen hat, stehen die Bestellleitungen nicht mehr still. 2,95 Euro
kostet das billige Solidaritätszeichen, angelehnt an die rote
Aids-Schleife.
Doch statt mit HIV-Infizierten drückt sie Solidarität mit
Bundeswehrsoldaten aus. Zehntausende davon, sagt Melloh, hat sie schon
verkauft. Ihr Netzwerk "Gelbe Schleife" hat eine klare Mission: "Aus der
Mitverantwortung des Einzelnen für das Gemeinwesen heraus soll die
Solidarität der Gesellschaft für unsere Soldatinnen, Soldaten und
Reservisten gestärkt werden." Soli-Schlüsselanhänger und Automagneten gibt
es, gar als Schmuckstück ist die Schleife zu bestellen. Für 198 Euro. Die
Leute würden ihr die Bude einrennen, sagt Melloh. "Es ist ein Ruck durch
Deutschland gegangen."
Vielleicht ist das alles nur Nischenquatsch, doch es scheint, als rucke es
in dieser Nische gerade gewaltig.
Auch die Bundeswehr hat den Knuddelfaktor bei der Kriegsvermittlung
erkannt. An der Heimatfront der Zurückgelassenen bringt das "Zentrum für
Innere Führung" für Kinder den "Bärenreporter Karl" zum Einsatz. In
Büchern, Hörbüchern, auf DVD erklärt der uniformierte Teddy schön und
schonend, was im Einsatzland der Soldaten so alles (nicht) passiert.
Wem das noch nicht reicht, der kann sich im "Fanshop" der sogenannten LH
Dienstleistungsbekleidungsgesellschaft, einer Bundeswehrtochter, bedienen:
Muntere Teddybären wie Tom und Flecki gibt es in Khakifarben, Tarnanzug
oder Sportdress. Sie bilden mit dem Soldatenathleten Oly eine ganze "Joint
Bears Task Force". Klingt irgendwie amerikanisch. Schlüsselteddys kosten
4,99 Euro, Kuschelbärchen 9,99 Euro. Natürlich: Viel verdienen lässt sich
damit nicht. Es ist nicht das Geschäft mit den Euros, das zählt. Es sollen
amtliche Ideologien verkauft werden. Oder private Sorgen mit Symbolen
gelindert. Monica Melloh lebt damit ganz gut.
Barbara Treder hat auf ihre Homepage einige Bilder gestellt, von kleinen
Jungen mit Knuddys im Arm. Sie grinsen. Sie sehen dabei nicht nur fröhlich
aus. Aber vielleicht ist das auch nur so ein Gefühl.
13 Aug 2010
## LINKS
[1] http://www.hugahero.com
## AUTOREN
Martin Kaul
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