# taz.de -- Protest gegen Neonazis untersagt: "Ein skandalöses Urteil" | |
> Die militanten Kameradschaften dürfen in Bad Nenndorf marschieren – die | |
> Gegendemonstranten sollen zu Haus bleiben. Für die Neonazis dürfte das | |
> mobilisierend wirken. | |
Bild: Schwarzer Block: unerwünscht. | |
Die militanten Kameradschaften dürfen in Bad Nenndorf in Niedersachsen | |
aufmarschieren – die Gegendemonstranten aber sollen zu Haus bleiben. Am | |
Mittwoch war vor Gericht über die Auflagen (siehe auch: [1]["Schwarze | |
Kleidung: unerwünscht"]) verhandelt worden, Neonazis und Gegenbündnis | |
legten Einspruch ein, danach verbot der Landkreis beide Veranstaltungen. | |
Auch hiergegen wehrten sich beide Gruppen. | |
Donnerstagabend dann eine weitere Gerichtsentscheidung: Den Trauermarsch | |
"Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen – Gemeinsam und | |
entschlossen gegen die Lüge der Befreiung" ließ das Verwaltungsgericht | |
Hannover zu. Den Eilantrag gegen das Verbot der Gegendemonstration des | |
bürgernahen Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" lehnte das Gericht hingegen | |
ab. | |
"Ein skandalöses Urteil", sagt der DGB-Regionalvorsitzende, Sebastian | |
Wertmüller, "Wir werden Rechtsmittel einlegen". Der Eilantrag liege bereits | |
beim Oberverwaltungsgericht, bis Samstagmorgen wird mit einer Entscheidung | |
gerechnet. Wenn ein Vollverbot bestehen bleibe, werde der DGB bis zum | |
Bundesverfassungsgericht ziehen. | |
"In der offenen Tradition der SA" | |
Denn: "Ein Aufzug in der offenen Tradition der SA, durchgeführt von | |
militanten Rechtsextremen, wird nicht verboten. Der bürgerliche | |
Gegenprotest wird aufgrund ominöser Gefahrenprognosen von Polizei und | |
Verfassungsschutz untersagt". Wertmüller mag auch nicht glauben, das "den | |
Feinden der Demokratie das Erstanmelderecht" zugestanden wird. | |
Der Apotheker Jürgen Übel ist Mitbegründer des Bündnisses, das seit Jahren | |
versucht, in der Kurstadt mit vielfältigen Aktionen einen kreativen Protest | |
aus der Mitte der Gesellschaft gegen den alljährlichen "Trauermarsch" der | |
Neonazis zu etablieren. | |
"Braune Wölfe im Schafpelz" | |
"Diese Entscheidung wirft alle Bemühungen zurück. Das ist ein Ohrfeige für | |
alle Demokraten" so Übel. Bernd Reese, Bad Nenndorfer Samtgemeindedirektor, | |
ist angesichts der Entscheidung „fassungslos". Fassungslosigkeit auch bei | |
Übel: "In Bad Nenndorf marschieren braune Wölfe im Schafpelz". | |
All das ist keine rhetorische Zuspitzung. In der Region Schaumburg westlich | |
von Hannover haben Anhänger der Kameradschaftsszene immer wieder | |
Jugendliche angegriffen, die sich gegen Nazis engagierten – sogar direkt | |
vor deren Wohnungstüren. Aus einem Aufmarsch heraus schlug einer der | |
führenden Neonazi-Kader mit einen Holzschild auf einen Gegendemonstranten | |
ein, verletzte ihn am Kopf schwer. Diese Situation veränderte sich erst, | |
nachdem die Neonazi-Kader auch wegen Körperverletzung inhaftiert wurden, | |
mittlerweile sind sie aber aus der Haft und in der Szene wieder aktiv. | |
Das Gericht folgte dem Landkreis am Mittwoch insoweit, als dass es betonte, | |
für den 14. August sei "offenkundig deutlich mehr gewalttätiges Potential | |
aus der linksautonomen Spektrum zu erwarten". | |
Fast wortgleiche Auflagen | |
Der Landkreis Schaumburg hatte beide Veranstaltungen mit fast wortgleichen | |
Auflagen belegt – unter anderen zur Bekleidung der Teilnehmer. Wegen dieser | |
besonders harten Auflagen legten sowohl das "Gedenkbündnis" um die Neonazis | |
Sven Skoda und Marcus Winter wie auch der DGB für das Gegenbündnis | |
Einspruch ein – mit Erfolg. Daraufhin sprach der Landkreis, nach erneuter | |
Beratung mit der Polizei, die Verbote aus. | |
Die Polizei hätte nicht genug Kräfte, so die Ordnungsdezernentin Ursula | |
Müller-Kratz zur taz: "Nach Polizeierkenntnissen wäre mit über 250 | |
gewaltbereiten autonomen Nationalisten und etwa 500 gewaltbereiten | |
Linksextremen zu rechen". Mit dem Verbot der linken Gegenproteste hätte die | |
Polizei nun aber genügend Kräfte, um den Neonazi-Marsch zu betreuen. | |
Relevant für die Gerichtsentscheidung war, dass die Neonazis ihre | |
Veranstaltung zuerst angemeldet hatten. | |
Gegenproteste "unter Generalverdacht gestellt" | |
Der Landkreis bereitet jetzt eine Beschwerdeschrift gegen dem Neonazimarsch | |
vor. Ordnungsdezernentin Müller-Kratz begründet gegenüber der taz: "Wenn | |
der Trauermarsch stattfindet, werden Gegendemonstranten kommen". Die | |
Ordnungsdezernentin nannte mehrmals als Argument, dass der DGB sich nicht | |
von den Linksextremen distanziert hätte. Dem entgegnet Bündnis-Mitglied | |
Übel: "Wir haben immer zu friedlichem Protest aufgerufen" und vermutet, die | |
Gegenproteste würden "unter Generalverdacht gestellt". | |
Die Entscheidungen wirken sich aus. Das Kulturprogramm des Bündnisses kann | |
nicht mehr vorbereitet werden, Der Sportverein "VfL Bad Nenndorf" hat seine | |
Fest gegen Rechts abgesagt. Aus Angst. Die Organisatoren des | |
“Trauermarsches” feiern die jüngsten Entwicklungen als Erfolg. Er dürfte | |
für die Szene mobilisierend wirken. | |
13 Aug 2010 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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