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# taz.de -- Kleidung aus heimischer Produktion: Warten auf das Massending
> Einige Firmen versuchen, Kleidung hier in Deutschland zu produzieren,
> möglichst auch noch bio. Was fehlt, sind jedoch die Käufer.
Bild: Solange die Billig-Mentalität vorherrscht, wird Mode "Made in Germany" e…
BERLIN taz | Sebastian Radlmeier hat ein Problem. Er steht in einem
Geschäft in Prenzlauer Berg mit dem T-Shirt "Eclipse" in der Hand. Es ist
schwarz, ausgehtauglich, besteht vollständig aus Biobaumwolle und ist zu
100 Prozent in Deutschland gefertigt. Radlmeier könnte zufrieden sein. Das
Problem: Er muss das T-Shirt verkaufen.
Das T-Shirt gehört zum Berliner Label "German Garment", das an diesem Abend
seinen ersten Geburtstag feiert. Hinter der Marke stehen durchaus
prominente Köpfe, die auch gleich für die nötige Presse sorgen:
MTV-Moderator Joko Winterscheidt, Schauspieler Matthias Schweighöfer,
Modedesigner Kilian Kerner und DJ Sebastian Radlmeier. Man wirbt damit,
seine Ware in Deutschland herzustellen und trägt das auch im Namen.
Winterscheidt dreht sein Bier in der Hand und versucht die Idee der Marke
zu erklären. "Es klingt ein wenig geschwollen, aber unser Ziel ist es,
T-Shirts mit einer gewissen Philosophie dahinter zu produzieren. Wir wollen
einfach wissen, woher das Zeug kommt. Und der Kunde soll das auch."
Für diese hehren Ziele muss der Käufer allerdings recht tief in die Tasche
greifen: Durchschnittlich 50 Euro muss er auf den Tisch legen, um ein
German Garment-T-Shirt sein Eigen nennen zu können. Das ist sogar für das
ohnehin teure Streetwear-Segment viel. "Wir kriegen schon ab und zu E-Mails
von Menschen, die den Preis unserer Ware nicht angemessen finden", erzählt
Radlmeier. "Wir versuchen Ihnen dann zu erklären, warum es so teuer ist."
Wenn man die Verantwortlichen von den Anfängen des Labels reden hört,
glaubt man ihnen ohne Zweifel, dass sie von ihrer Philosophie überzeugt
sind. Allerdings haben sie auch leicht reden. Eine Marke, hinter der
Fernsehmoderatoren und Schauspieler stehen, kann sich einer gewissen
Grundaufmerksamkeit sicher sein. "Man kann nicht leugnen, dass uns das die
Entscheidung erleichtert hat. Aber hier steckt trotzdem Herzblut drin: Wir
wollen den Standort Deutschland hochhalten."
Dieses Argument scheint nicht mehr Hans-Olaf Henkel oder der Trigema
vorbehalten zu sein. Junge Firmen wie Camouflage Deluxe oder Vontum
entdecken "Made in Germany" als Werbefaktor.
Aber redet man sich da nicht vielleicht ein Nischenprodukt zum Trend?
Ortstermin auf der Bread & Butter, der riesigen Modemesse auf dem
ehemaligen Berliner Flughafen Tempelhof im Juli. Hostessen leiten die Gäste
in Englisch mit schönstem sächsischem Akzent durch die engen Gassen
zwischen den Ständen.
Das ändert sich auch nicht, wenn sie anhand der Schilder, die jedem um den
Hals baumeln, merken, dass ihr Gegenüber ebenfalls aus Deutschland kommt.
Man gibt sich international. Wohl auch, weil die Messe dem Vorwurf der
Provinzialität entgegen wirken will.
Die Einkäufer, zumeist in engen Jeans unterwegs, kommen aus allen Teilen
der Welt. Den Großteil der Ware produzieren asiatische Länder. China,
Bangladesch und Thailand dominieren die Etiketten.
"Produktion in Deutschland?" David Dafour rückt den Kragen eines
Herrenhemds zurecht und überlegt. "Das könnten wir uns einfach nicht
leisten." Die Margen im Bekleidungsgeschäft seien viel zu klein. "Das ist
zu deutschen Löhnen nicht machbar." Die Firma DU4 erledigt den kreativen
und kaufmännischen Teil ihrer Arbeit in Mönchengladbach, hergestellt werden
ihre Produkte in der Türkei.
Diese Form der Arbeitsteilung ist klassisch und führt dazu, dass die
nackten Zahlen trügerisch sind. Firmen wie Hugo Boss oder Adidas sorgen
dafür, dass Deutschland formal immer noch der viertgrößte
Bekleidungsexporteur der Welt ist. Adidas beschäftigt in Deutschland etwa
3.000 Mitarbeiter. Nur produzieren diese Konzerne heute woanders. Die
Liberalisierung des Welthandels in Verbindung mit den hohen Lohnkosten traf
die einstmals große Textil- und Bekleidungsindustrie schwer.
In der Diktion des Gesamtverbands der deutschen Textil- und
Bekleidungsindustrie klingt das so: "Der Wettbewerb zwang die Firmen der
Branche zu einer Verlagerung von Jobs mit geringer Wertschöpfung." In der
Realität heißt das: Seit den 80er Jahren gingen in Deutschland
schätzungsweise eine halbe Million Arbeitsplätze in diesem Bereich
verloren. Der Branchenverband German Fashion teilt auf Anfrage mit, dass
nur geschätzte 5 Prozent der getragenen Kleidung auf Deutschlands Straßen
auch im Inland hergestellt werden.
Das stellt Menschen, die sich für heimische Produktion entscheiden, auch
vor ganz andere Probleme. "Es war schwer, im Umkreis Firmen zu finden, die
noch über das Know-how und die Technik verfügen, um die Ware in der
gewünschten Qualität herstellen zu können", erzählt Radlmeier. Fündig wurde
man im Erzgebirge, wo der Stoff gewebt und die T-Shirts genäht werden.
Auch die Firma 667, die Baby- und Kinderkleidung aus biologischer
Herstellung verkauft, lässt in Sachsen nähen. Im Gespräch mit Regina Haase
von 667 werden die Vor- und Nachteile der heimischen Produktion klar: Die
räumliche Nähe ermöglicht schnelle Entscheidungen, verkürzt die Lieferwege
und ermöglicht es den Produzenten, bei Problemen auch mal persönlich
vorbeizuschauen. Das große Manko sind die Lohnkosten.
"Unsere T-Shirts sind in der Produktion so teuer wie andere im Endverkauf",
erklärt Sebastian Radlmeier. Die Verkaufszahlen hätten sich insgesamt "im
niedrigen fünfstelligen Bereich" bewegt. Bei allem Enthusiasmus: Noch ist
German Garment ein Zuschussgeschäft. Bei diesen Stückzahlen könne man kaum
schwarze Zahlen schreiben.
Genau da liegt das Problem. Auch wenn alle die Verantwortung des
Herstellers betonen: Letztlich muss es der Kunde bezahlen. Das gilt für die
Bioware genauso wie für die Produktion in Deutschland. Sozial
verantwortlicher Konsum ist das Stichwort.
Und die Zahl derer, die den Aufpreis für heimische Kleidung bezahlen
wollen, ist noch zu klein, um den Labels den Sprung aus der
Nischenproduktion heraus zu ermöglichen. Bei den Verbänden sieht man
zumindest keinen Trend in diese Richtung.
Ein Blick auf eine andere Branche gibt aber durchaus Grund zur Hoffnung.
Das rasante Wachstum der Biobranche war nur möglich, weil sich langsam das
Bewusstsein der Konsumenten änderte. Heute finden sich Biolebensmitteln in
jedem Supermarkt, und die Kunden bezahlen den Aufschlag bereitwillig. Warum
sollte das nicht auch in der Bekleidungsbranche funktionieren?
Joko Winterscheidt packt die letzten Würstchen für diesen Abend auf den
Grill. "Wir hätten natürlich gern, dass aus dieser Sache ein Massending
wird. Aber dafür müssen wir auch mit gutem Beispiel vorangehen." Der
Verdacht, dass man hier Zeuge der Ausübung eines teuren Hobbys ist, wird
zurückgewiesen. "Wir betreiben ein Geschäft und wollen irgendwann davon
leben. Und wir sind zuversichtlich, dass das funktionieren wird."
Wer in Deutschland produziert, tut es aus Überzeugung. Ob 667 oder German
Garment - die Firmen, die es tun, sind durchweg zufrieden.
Ebenso die Kunden in Prenzlauer Berg. Sie legen an diesem Abend das Geld
recht selbstverständlich auf die Ladentheke und verschwinden mit einer Tüte
in der Hand in die Berliner Nacht. Ob sie am Standort und den
Produktionsbedingungen interessiert sind, bleibt unklar. Warum sie kaufen,
weiß niemand. Aber sie kaufen. Winterscheidt könnte recht behalten.
17 Aug 2010
## AUTOREN
Jonas Vogt
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