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# taz.de -- Wehrpflichtgegner im Interview: "Das Schweigen ist beendet"
> Die Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer wird überflüssig, falls die
> Wehrpflicht ausgesetzt wird. Ihr Leiter ist dennoch hochzufrieden.
Bild: Wahrscheinlich bald keine Verpflichtung mehr: in Reih und Glied herumsteh…
taz: Herr Tobiassen, das Ende der Wehrpflicht ist zum Greifen nahe. Sind
Sie schon in Jubel ausgebrochen?
Peter Tobiassen: Für uns war das nur eine Frage der Zeit, und wir sehen
jetzt, dass unsere bisherigen Argumente aufgegriffen werden. Wenn
inzwischen 23 von 28 Nato-Ländern die Wehrpflicht abgeschafft haben, dann
scheint das wirklich die vernünftigere Lösung zu sein. Deutschland ist
sozusagen der letzte Hort der Wehrpflicht, in dem einige kalte Krieger
immer noch an ihr festhalten, weil sie Massenarmeen für nötig halten.
Wenn die Wehrpflicht ausgesetzt wird, verlieren Sie Ihren Job. Trauer?
Das ist sehr wahrscheinlich, aber dafür haben wir nun einmal gearbeitet. Es
ist die Aufgabe der Zentralstelle, sich für die Gewissensfreiheit der
Kriegsdienstverweigerer einzusetzen. Und die ist am besten gewährleistet,
wenn niemand mehr zu Militär- oder Kriegsdienst gezwungen wird.
Ihre Beratungsstelle besteht schon seit 1957, wie hat sich die Ausrichtung
seither verändert?
Die gesellschaftliche Debatte hat sich immer bei uns widergespiegelt. Am
Anfang waren unsere Mitgliedsorganisationen gegen die Wiederbewaffnung, und
als es dann wieder Militär in Deutschland gab, hat sich die Zentralstelle
der Kriegsdienstverweigerer dafür eingesetzt, dass Verweigerer nicht
schlechtergestellt werden als Wehrdienstwillige. Damals waren
Kriegsdienstverweigerer noch den Vorwürfen der Drückebergerei oder des
Vaterlandsverrats ausgesetzt. Nach dem Fall der Mauer war für alle relativ
schnell klar, dass auch der Zwang zum Kriegsdienst an der Waffe überwunden
werden kann. Seit Anfang der 90er Jahre setzt sich die Zentralstelle
deshalb für den Wegfall der Wehrpflicht ein.
Wie erklären Sie den Stimmungsumschwung?
Das hat, glaube ich, mit einem Generationswechsel in der Union zu tun. Denn
diejenigen, die dort vorher Verteidigungspolitik betrieben haben, haben
derart dogmatisch an der Wehrpflicht festgehalten, dass man bestimmte Dinge
nicht vernünftig mit ihnen diskutieren konnte. Das ist mit der neuen
Generation und dem neuen Verteidigungsminister an der Spitze etwas anders.
Dadurch, dass zu Guttenberg entschieden hat, die Wehrpflicht müsse nun auf
den Prüfstand, trauen sich auch andere, offen zu sprechen, die vorher
geschwiegen haben.
In der Union glauben aber einige, dass man bei der Bundeswehr wichtige
Werte vermittelt bekommt. Ist das nun anders?
Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Wehrdienstleistende vor dem Dienst
eine bessere Meinung von der Bundeswehr haben als nach dem Dienst. Es
scheint also nicht mehr so richtig zu gelingen, den konkreten Nutzen des
Wehrdienstes zu vermitteln. Was man dort lernen kann, sind Befehl und
Gehorsam und das Überwinden der Tötungshemmung. Aber das sind gerade keine
Tugenden, auf die ein freiheitlicher Rechtsstaat stolz sein kann.
Einzelne haben sogar vorgeschlagen, man solle ein verpflichtendes
Freiwilligenjahr für alle jungen Menschen einführen. Was halten Sie davon?
Eine solche allgemeine Dienstpflicht ist nach der Menschenrechtserklärung
der Vereinten Nationen verboten, nach der Europäischen Menschenrechtscharta
verboten, nach dem Grundgesetz verboten. Das einzige Land dieser Erde, das
diesen Vorschlag umgesetzt hat, ist die Militärdiktatur in Birma. In den
meisten Ländern ist so etwas Absurdes nicht einmal debattiert worden.
Abgesehen davon wäre das jährlich sogar zwölf Milliarden Euro teurer als
derzeit die Wehrpflicht.
Was raten Sie jungen Männern, die jetzt eingezogen werden?
Es spricht vieles dafür, dass sie die Letzten sein werden, die noch
einberufen werden. Sie sollten alle Möglichkeiten nutzen, um die
Einberufbarkeit hinauszuzögern. Also zum Beispiel Anträge stellen auf
Zurückstellung oder auf eine Tauglichkeitsprüfung. Je später jemand
verfügbar wird, umso wahrscheinlicher ist, dass er nicht mehr dienen muss.
18 Aug 2010
## AUTOREN
Karin Schädler
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