# taz.de -- Wie Schweden Street View feiert: Dazugehören dank Google | |
> Nur in Deutschland ist Google Street View derart umstritten. Die Schweden | |
> etwa freuen sich, dank des Dienstes in der Welt präsent zu sein - und | |
> wundern sich über die deutsche Debatte. | |
Bild: In Schweden wird die hiesige Debatte über Street View als "typisch deuts… | |
Die Google-Autos sind in der Stadt, meldete in der vorigen Woche die | |
Zeitung Örnsköldsviks Allehanda. Doch das Lokalblatt der nordschwedischen | |
Stadt empfahl den Einwohnern nicht etwa in den nächsten zwei, drei Tagen | |
die Vorhänge zuzuziehen. Im Gegenteil. "Google bringt Örnsköldsvik auf die | |
Weltkarte", lautete die Überschrift. Endlich würden die roten Google-Opel | |
auch die Straßen des Heimatorts fotografieren und damit weltweit zugänglich | |
machen. | |
Es ist dies eine typische schwedische Reaktion auf Street View. Im Januar | |
2010 schaltete Google seinen schwedischen Dienst online. Und war damit | |
nicht einmal Erster. Eniro und Hitta, zwei Internetsuchdienste für | |
Telefonnummern und Adressen, waren einige Monate zuvor mit | |
"Straßenansichten" auf den Markt gekommen. Doch im Gegensatz zu diesen hat | |
Google seinen Dienst nach der Einführung weit über die großen Städte hinaus | |
ausgedehnt. Mittlerweile kann man sich schon auf ländlichen Nebenstraßen | |
voranklicken und sich etwa Ferienhäuser anschauen. | |
Bei Einführung des Dienstes hatte es nur eine kurze Debatte über den Umgang | |
mit zufällig abgefilmten Passanten gegeben. Die verstummte, nachdem Google | |
ankündigte, man werde routinemäßig Autokennzeichen und Gesichter von | |
Passanten verwischen. Man schaltete auch einen speziellen "Problem"-Button, | |
über den man sich melden und ein Unkenntlichmachen von Gartendetails oder | |
Hausfassaden verlangen konnte. Google ist damit im Vergleich zu Eniro und | |
Hitta ein Muster an Integritätsschutz. Bei diesen Konkurrenten sind nämlich | |
Autokennzeichen und Passantengesichter deutlich zu erkennen. | |
Schweden hat eine Tradition der Offenheit, nicht der Abschirmung. Es gibt | |
nicht nur das "Allemannsrätt", ein als Gewohnheitsrecht verankertes | |
"Jedermannsrecht", das zur Freude von Touristen eine begrenzte Nutzung der | |
Natur auch ohne Erlaubnis des jeweiligen Grundeigentümers erlaubt, sondern | |
auch das verfassungsrechtlich verankerte "Öffentlichkeitsprinzip". | |
Prinzipiell ist die gesamte staatliche Tätigkeit öffentlich. Wer will, kann | |
sich täglich den Posteingang des Bürgermeisters oder Ministers ansehen. | |
Eine solche Offenheit hat aber auch Auswirkungen auf den Einblick in die | |
Privatsphäre, die Individuen akzeptieren müssen: Die Steuerdaten des | |
Nachbarn sind kein Geheimnis. | |
Der Anblick von Hausfassaden oder Gärten ein Eingriff in die persönliche | |
Integrität? Eine solche Debatte wird als "typisch deutsch" abgetan. Wer bei | |
Eniro oder Hitta jetzt für jeden sichtbar über die Straße läuft, hätte vor | |
einem schwedischen Gericht keine Chance, mit einem Antrag auf Verpixelung | |
durchzukommen. Womöglich eine Gesetzeslücke, die vor dem Europäischen | |
Gerichtshof für Menschenrechte als mangelnder Integritätsschutz des | |
schwedischen Staats für seine Bürger ausgelegt werden könnte, spekulieren | |
aber zumindest schon einmal einige Juristen. | |
19 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
R. Wolff | |
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