# taz.de -- Treffen der Partyszene: Die Fucker sind übrig geblieben | |
> 4.000 Menschen feiern auf der Fuckparade und fordern einen Erhalt von | |
> Clubs und Subkultur. Mit dabei ist sogar Dr. Motte, einst Erfinder der | |
> verhassten Loveparade. | |
Bild: Ausgangspunkt der Fuckparade: Die verhasste Loveparade, damals noch in Be… | |
Erst kommt die Moral, dann die Mucke. Ein buntes Volk steht um die 13 | |
Lastwagen am Leipziger Platz, eigentlich, um mit ordentlich wummernder | |
Musik die Fuckparade zu feiern. Jetzt, um 15 Uhr, herrscht Stille. Auf dem | |
Lautsprecherwagen, von dem gerade noch Redebeiträge gehalten wurden, stehen | |
der Initiator des Umzugs, DJ Trauma, und der Erfinder der Loveparade, Dr. | |
Motte, Arm in Arm. Sie halten eine Schweigeminute für die Opfer der | |
Loveparade-Katastrophe im Juli in Duisburg ab. Motte hat seinen seinen | |
weißen Sommerhut abgenommen, hält ihn vor die Brust. Nur ein paar besoffene | |
Bradenburger Raver stören die Andacht mit Krakele wie: "Ey, wir wolln | |
Musik!" | |
Kurz darauf zieht die Fuckparade zum 14. Mal durch Berlin, diesmal durch | |
Mitte und Friedrichshain. Laut Polizeiangaben sind 4.000 Leute gekommen - | |
deutlich mehr als erwartet -, um bei sommerlichen Temperaturen zu feiern | |
und zugleich gegen Gentrifizierung und den Ausverkauf der Subkulturen zu | |
demonstrieren. | |
Eigentlich war die Parade einmal der antikommerzielle Gegenentwurf zur | |
Loveparade. Das war 1997, als Techno definitiv im Mainstream angekommen war | |
und hundertausende um die Siegessäule tanzten. Später emazipierte man sich | |
vom ex negativo Vorbild und betonte die Eigenständigkeit. Vieles scheint | |
seitdem gleich geblieben: Die Vorliebe für härteren Techno und schwarze | |
T-Shirts zum Beispiel. Anderes hingegen hat sich geändert. Das zeigt sich | |
in diesem Jahr nicht nur an der Präsenz von Dr. Motte. | |
Es ist natürlich wohlfeil, den Vergleich zu ziehen zwischen dem tragischen | |
Ende der überkommerzialisierten Loveparade und dem subkulturellen | |
Gegenentwurf Fuckparade. Aber man kann auf der Strecke über die Leipziger | |
und die Holzmarktstraße, vorbei am Golden Gate, der Bar 25, Maria, Yaam und | |
dem Berghain doch beobachten, dass hier nach wie vor eine Szene existiert, | |
die an ihren Kernwerten festgehalten hat. Musik, Party und Hedonismus | |
werden mit Themen wie dem Erhalt von urbanen Freiräumen und | |
Antikommerzialität verbunden. So ist der Weg entlang der Holzmarktstraße | |
auch eine Demonstration gegen Mediaspree und Vertreibung der dort | |
ansässigen Clubs. | |
Diese Haltung wird auch in den Redebeiträgen immer wieder explizit gemacht: | |
"Wie werden Berlin nicht preisgeben! Es ist eure Stadt", ruft Constantin | |
Boese vom - um seinen Bestand kämpfenden - Künstlerhaus Tacheles den Leuten | |
zu und diese antworten mit johlendem Applaus. Unterschriftenlisten gegen | |
die angekündigte Schließung des Clubs Icon in Prenzlauer Berg gehen rum, es | |
wird Geld zur Unterstützung der Kampagne gesammelt. "Wir müssen dafür | |
sorgen, dass wir unser öffentliches Vermögen zurückkriegen", ruft Thomas | |
Rudek vom Berliner Wassertisch, der die Wasserbetriebe wieder allein in | |
öffentlicher Hand sehen will. "Schluss mit den Teilprivatisierungen!" | |
Darüber hinaus ist die Fuckparade die wunderbare Gelegenheit, mal wieder | |
eine ordentlich Portion Gabba abzukriegen, ohne dafür extra nach Rotterdamm | |
zu fahren. Auf einem anderen Wagen läuft Drum and Bass, und wäre da nicht | |
noch der Truck mit aktueller Housemusik, hätte man sich durchaus auch im | |
Jahr 1997 befinden können. Viele Dreadlocks, viele Tattoos und wer nicht | |
schwarz trug, fröhnt hippihaft den knalligen Farben. Ein paar Leute laufen | |
sogar mit Gasmasken rum. Wann hat man das zuletzt gesehen? Alles durchaus | |
sympathisch, aber sehr Bauwagenplatz. Friedliche, ausgelassene | |
Feierstimmung an einem heißen Spätsommertag. | |
Nur ganz am Anfang, beim Auftakt, gibt es Verwirrung. Unter den Ravern wird | |
eine Gruppe von knapp zehn angetrunkenen Nazis ausgemacht. Der eine mit | |
T-Shirt der verbotenen Band Landser, ein anderer mit Runen auf der Kleidung | |
und ein weiterer hatte sich "Köpenick" in Sütterlin auf den Unterarm | |
tättowiert. Wer dermaßen gekleidet auf einer Veranstaltung wie der | |
Fuckparade auftaucht, ist kein verirrter, ravender Faschohool. Nur haben | |
die Besucher der Fuckparade den Rechten nicht viel entgegenzusetzen. Vom | |
Lautsprecherwagen wird zwar betont, dass man sich auch gegen Faschismus | |
positioniere. Ansonsten wird aber, außer, dass man die Polizei informiert, | |
nichts unternommen. "Die Leute, die nach Antifa aussahen, sind erstmal auf | |
die andere Straßenseite gegangen," sagt Klaus Farin vom Archiv der | |
Jugendkulturen und lacht. | |
Und noch einmal beschleicht einen ein ungutes Gefühl, nämlich als die | |
Parade beim Ostbahnhof unter der Eisenbahnbrücke herlief. Tunnelfeeling. Da | |
müssen dann doch einige an die Loveparade und ihr trauriges Ende denken, | |
mit der die Fuckparade ansonsten so wenig gemein hat. | |
22 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Jan Kage | |
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