# taz.de -- Musterung zur Bundeswehr: Macht dem Elend ein Ende! | |
> Auch nach Aussetzung der Wehrpflicht müssen sich junge Männer fürs | |
> Vaterland ausziehen - eine traumatische Erfahrung, die abgeschafft | |
> gehört. Warum? Darum! | |
Bild: Die Tür zum Trauma: Musterungsbüro im Kreiswehrersatzamt. | |
Arnold hatte immer gehofft, um die Musterung rumzukommen. Mit 22 dann doch | |
der Musterungsbescheid. In seiner kleinen fränkischen Heimatstadt kursierte | |
DER ORDNER. Generationen von Kriegsdienstverweigerern hatten dort ihre | |
Begründungen abgeheftet. Vorne drin war eine kleine Anleitung: am besten | |
funktioniert die Verweigerung aus reinen Gewissensgründen. | |
Die Befragung durch die Verweigerungsprüfer würde hart werden - vor 30 | |
Jahren wollte man noch alle, die irgendwie tauglich waren, einziehen. | |
Stundenlang probten wir alle Antwortmöglichkeiten auf die obgligatorische | |
Frage "Was würden Sie machen, wenn bei Ihnen jemand ins Haus eindringt und | |
Sie und Ihre Familie mit der Waffe bedroht und sie hätten ein Gewehr in der | |
Hand? Würden Sie schießen oder sich erschießen lassen?" durch. | |
Nicht zu vergessen das lange Warten vor dem Kreiswehrsatzamt auf die | |
Befragung, schwitzende Hände, das Trösten, wenn der Freund glaubte, er sei | |
durchgefallen … Nein, er hat es doch geschafft! | |
ELKE ECKERT | |
Etwa ein halbes Jahr vor dem 18. Geburtstag müsste man damit rechnen, hieß | |
es. Irgendwann hatten dann alle ihre Ladung bekommen, außer mir. Eine | |
Flasche Whiskey am Vorabend, für die rhetorisch Begabteren das Vortäuschen | |
einer Schizophrenie - das sollte reichen, um ausgemustert zu werden, | |
tauschten sie sich aus. Geklappt hat es nie. | |
Ich bekam ein mulmiges Gefühl: Existiere ich überhaupt? Als meine Freunde | |
sich dann mit den typischen Zivi-Arbeiten quälten, konnte ich mir einige | |
hämische Kommentare nicht verkneifen. Ich würde meine Einberufung schon | |
noch erhalten und dann wäre es umso härter, mitten aus dem Studium ins | |
Altersheim katapultiert zu werden, warnten sie mich. Es kam aber nichts. | |
Bis heute nicht. Ich habe aufgehört, mir über die Gründe den Kopf zu | |
zerbrechen. Die kennt vermutlich nur das Kreiswehrersatzamt und ich werde | |
mich hüten, dort nachzufragen. | |
JULIAN JOCHMARING | |
Mit der Abschaffung des Wehrdienstes geht den jungen Männern dieses Landes | |
eine wesentliche Erziehungsinstitution verloren, war er doch für viele die | |
einzige Möglichkeit, die Fähigkeit zu erwerben, ein Zimmer aufzuräumen, ein | |
Bett zu machen, Schuhe zu putzen und Krawatten zu binden. Nun hat sich die | |
Regierung offenbar dazu entschieden, diese Volksuniversität für immer zu | |
schließen. Doch dann sollte man den zugehörigen Eingangstest für immer | |
abschaffen. | |
Denn die Musterung ist nun wirklich sinnlos: Auf den endlosen Fluren der | |
Kreiswehrersatzämter herum hocken und dämliche Geschichten über den | |
gefürchteten EKG ("Eier-Kontroll-Griff") auszutauschen. Oder Tipps, wie man | |
glaubhaft eine Nussallergie vortäuscht oder wie lange man Füße in | |
Haushaltsreiniger baden muss, damit sie einerseits neurodermitisch genug | |
aussehen, man aber andererseits am nächsten Tag wieder Fußball spielen | |
kann. Kurz: auf den Fluren der KWEA des Landes lernen junge Männer nichts - | |
nur zu lügen, das lernen sie hier gut. | |
Und wenn das schon in der Vergangenheit so war, als es nur um den | |
Wehrdienst - also um Schlafen, Bierflaschenöffnen und Schuheputzen ging, | |
dann wird das in Zukunft noch mehr so sein, wenn es darum geht, zu prüfen, | |
wer geeignet ist, für die Ehre zu sterben, wenn der Dritte Weltkrieg kommt | |
oder die Sicherheit des Landes mal wieder ganz dringend irgendwo hinter den | |
sieben Bergen verteidigt werden muss. Dann wird nur noch gelogen, und nur | |
noch die bleiben ehrlich, die sehr dumm sind. Oder in den Krieg ziehen | |
wollen. Was ja dasselbe ist. | |
STEFAN KUZMANY | |
Immer wieder kam es nachts über - oder besser: unter - mich. Und ich wusste | |
nicht wieso. Vielleicht weil ich gehört hatte: Bettnässer wollen die beim | |
Bund nicht haben. Einen Versuch war es also wert. Erst steckten sie mir den | |
Finger in den Hintern, dann nickten sie verständnisvoll. Welche Gründe es | |
denn dafür gebe? Ich wusste es nicht. Dann kam der Psychologe, dann der | |
Urologe und schließlich der Härtetest: Wenn mein Urin schon nix ergab, | |
müsste die Katheteruntersuchung meine Geschichte bestätigen. | |
Sie wissen schon - vorne rein. Sollte ich mich nutzlos quälen lassen? Oder | |
doch den Schwanz einziehen? Ich willigte ein - her mit dem Schlauch! Das | |
war ihnen der Beweis, dass ich Soldat genug war. Sie verzichteten auf die | |
Untersuchung - und hielten mich für tauglich. Ich wurde nur ein weicher | |
Zivi. Doch das Gepisse war vorbei. | |
MARTIN KAUL | |
24 Aug 2010 | |
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