# taz.de -- Kulinarisches aus Slowenien: Hoch lebe die Kartoffel! | |
> „Fuck the Cola, fuck the Pizza, what we need is Slibowitza“. Unterwegs | |
> auf dem Internationalen Kartoffelfestival in Radece. | |
Bild: Alles Kartoffel, was das Herz begehrt. | |
Es dampfelt ganz schön in Radece. Der kleine ostslowenische Ort an der Save | |
mit seinen knapp 3.000 Einwohnern erlebt sein Jahreshauptereignis: Das | |
„Svetovni festival prazenega krompirja“, das Kartoffelfestival des „Verei… | |
zur Anerkennung von Röstkartoffeln mit Zwiebeln als selbstständiges | |
Gericht“. In gut 50 eisernen Riesenpfannen an ebenso vielen Ständen, die | |
sich neben einem Festzelt längs des Flusses hinziehen, brutzeln Zwiebeln, | |
allerlei Gewürze und geheimnisvolle Zutaten, um dann mit Kartoffeln | |
aufgefüllt zu werden. Mehrere tausend Besucher drängen sich um die Stände. | |
Fast alle haben einen Tonkrug um den Hals gebunden, um sich Gratisproben | |
der Gerichte abholen zu können, die hier die HobbyköchInnen aus nah und | |
fern anbieten. | |
Igor etwa, der Investmentbanker aus Ljubljana mit dem schönen grauen Bart, | |
schwört auf wilden Knoblauch. Wie ein italienischer Eisverkäufer stülpt er | |
seine spezielle Bratkartoffelkreation den Besuchern als Kugel in den Krug. | |
Natascha aus London, die seit Jahren in Slowenien lebt, bereitet „bubble & | |
squeal“ vor, eine britische Variante mit glucksendem Kohl. Nicht weit | |
entfernt wütet eine Gruppe von Ausländern, die ziemlich alberne | |
Kartoffelkäfer-Schutzhelme tragen. | |
Mit dabei ist Frank Hammarskjöld, der nicht nur mit dem ehemaligen | |
UN-Generalsekretär verwandt ist, sondern auch lange in Lipica, der | |
slowenischen Heimat der feinen Lipizzaner gelebt hat. Heute lebt der | |
fröhliche schwedisch-slowenische Engländer in Guernsey und schwört auf die | |
Kartoffeln dieser Kanalinsel. Zweihundert Kilogramm davon hat er mit ein | |
paar Freunden mitgebracht, dazu 25 Kilo echte Guernsey-Butter, 25 Kilo | |
Zwiebeln, 200 Makrelen und auch noch Algen aus dem Kanal, die er jetzt | |
ungerührt in die gedünsteten Zwiebeln mischt. | |
Selbst die aristokratische Hilfskraft Lilloa, ein ausgesprochen eleganter | |
Mann, den alle „Prinz von Hawaii“ nennen, sowie seine reizende Prinzessin, | |
die aus Tahiti stammt, sind not terribly amused über den Duft. Auch der | |
Volvo-Designer Thomas und die Schweizer Verlegerin Margot - auch sie | |
fleißige Köche - rümpfen die Nase. | |
Renate und Horst aus Aschaffenburg sind mit fränkischen Rezepten angereist. | |
Sie sind schon zum dritten Mal beim Festival dabei. Stolz und mit | |
weißblauer Fahne vertreten sie „Bavarci“ (Bayern) mit köstlichen | |
Reiberdatschi (Kartoffelpuffern). Der Stand wird regelrecht belagert, zumal | |
es auch noch gutes bayerisches Bier gibt. | |
Eine Messe? Ein Promotiongag? Ein Volksfest? Vielleicht ein bisschen von | |
allem, vielleicht aber auch das Ergebnis einer Verschwörung. Denn das aus | |
einer nächtlichen Schnapsidee in einer Kneipe von Ljubljana innerhalb von | |
neun Jahren ein völkerverbindendes Traditionsfest mit solchen Ausmaßen | |
wird, hielt damals keiner für möglich. Zumal es hier auch um die | |
gebeutelten und verfeindeten Völker des ehemaligen Jugoslawiens geht. | |
Den Promotor finden wir kräftig in der Algenpfanne rührend bei den | |
Guernseyleuten (die übrigens zwei kopulierende Kartoffelkäfer als Emblem | |
auf ihren Schildern tragen). Janez Fajfar, der Bürgermeister des alpinen | |
Kurortes Bled, ist zwar nicht der Gründer des Vereins - das war ein | |
slowenischer Fernsehjournalist, und auch nicht dessen Präsident - das ist | |
ein slowenischer Unternehmer, der Umschläge produziert, aber Janez ist die | |
Seele vom Ganzen. „Ich war lange Jahre der Direktor des Hotels „Villa | |
Bled“, des alten Hauses von Tito in Bled“, erklärt der kugelige | |
Wonneproppen mit dem grauen Bärtchen und dem anheimelnden Habsburger | |
Deutsch. „Hier am Stand, das sind alles meine alten Gäste. Die besten habe | |
ich angeredet mitzumachen, und jetzt sind sie hier. | |
Das Festival soll trotz internationaler Besetzung eine nationale | |
Besonderheit bleiben, eine Art slowenische Antwort auf die Globalisierung. | |
„Fuck the Cola, fuck the Pizza, what we need is Slibowitza“ steht auf einem | |
Solidaritätsplakat der Kartoffelfreaks aus Guernsey. | |
Das nächste Kartoffelfestival findet im September 2010 in Ljubljana statt | |
25 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Pampuch | |
## TAGS | |
Reiseland Slowenien | |
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