| # taz.de -- Haitis verschenkte Töchter: Gelegenheit für Adoptionen | |
| > Haiti im Januar: Nach den Erdbeben liegt das Land in Trümmern. Eine | |
| > Baptistin aus den USA holt die Töchter von Maletide Fenelon als | |
| > Adoptivkinder. An der Grenze wird sie verhaftet. | |
| Bild: Auf dem Weg zum Gerichtssaal in Port-Au-Prince: die verhaftete Baptistin … | |
| PORT-AU-PRINCE taz | An einem heißen, staubigen Donnerstag im Januar 2010 | |
| begegnen sich Maletide Fenelon und Laura Silsby zwischen den Trümmern von | |
| Haitis Hauptstadt, im Armenviertel Mais Gaté. Es ist erst zwei Wochen her, | |
| dass ein Erdbeben die Insel verwüstet hat. Maletide Fenelon ist | |
| Haitianerin, Mutter von vier Mädchen. Sie wohnt in dem Viertel am Rand von | |
| Port-au-Prince. | |
| Laura Silsby kommt aus dem Städtchen Meridian im US-Bundesstaat Idaho. | |
| Einen Tag nachdem sich die beiden treffen, hat Maletide Fenelon keine | |
| Kinder mehr. Und noch ein paar Tage später sind überall auf der Welt, im | |
| Fernsehen und in den Zeitungen, Bilder von Laura Silsby zu sehen. Von ihrer | |
| Festnahme. | |
| Es gibt in Port-au-Prince schlimmere Elendsviertel als Mais Gaté. Mehr als | |
| jedes zweite Haus dort hat das Erdbeben vom 12. Januar halbwegs | |
| überstanden. Das Viertel liegt auf einem Hügel gleich gegenüber dem | |
| internationalen Flughafen. Schmale Erdstraßen führen zwischen den Häuschen | |
| aus Hohlblocksteinen hindurch, steil und verwinkelt. | |
| Jetzt, im deutschen Sommer, herrscht in der Karibik Regenzeit und die | |
| Sträßchen werden zu Schlammrutschen. Immer wieder verengen sich die Gassen | |
| zu schmalen Pfaden, durch die kaum noch ein Auto passt, weil die Leute den | |
| Erdbebenschutt von ihren Grundstücken einfach am Straßenrand abladen. Noch | |
| schmalere Gassen führen zu den Häusern. Wenn sich zwei Menschen | |
| entgegenkommen, muss einer sich an die Wand pressen, um den anderen | |
| vorbeizulassen. Oben auf dem Hügel blickt man hinab auf ein scheinbar | |
| endloses Meer von rostigen Wellblechdächern. | |
| Maletide Fenelon wohnt in einer dieser steilen Gassen. Sie ist klein und | |
| schmal und schwarz. Sie trägt einen Jeansrock und eine gelbe Bluse mit | |
| großen aufgedruckten Mustern. Um den Kopf hat sie ein buntes Tuch | |
| gewickelt. Die jüngste ihrer Töchter ist jetzt ein gutes halbes Jahr alt, | |
| die älteste acht Jahre. Fenelon ist 29. Als sie Laura Silsby trifft, gibt | |
| sie ihr einfach so ihre vier Kinder. Heute sagt sie: "Ich hatte Vertrauen. | |
| Sie kam mit einem Prediger." | |
| Laura Silsby sagt, sie sei eine gottesfürchtige Baptistin, die ein gutes | |
| Werk habe tun wollen. Keine Kinderhändlerin. | |
| Die 40-Jährige ist blass, blond und etwas untersetzt. Sie ist nach dem | |
| Beben aus den USA nach Haiti gekommen, mit ihrem 24 Jahre alten ehemaligen | |
| Hausmädchen Charisa Coulter und acht anderen Baptisten, zusammen fünf | |
| Frauen und fünf Männer. Zu Hause in Meridian im Bundesstaat Idaho war | |
| Silsby mit kleinen Dienstleistungsfirmen immer wieder gescheitert. Zuletzt | |
| hatte sie einen Onlineshop. Zwölf Verfahren laufen in Meridian gegen sie, | |
| weil sie Löhne nicht bezahlt hat. Die Bank hat ihre Geschäftskonten | |
| gesperrt. | |
| Vielleicht kommt Silsby deshalb Ende vergangenen Jahres auf diese neue | |
| Idee: Zusammen mit Coulter gründet sie einen Wohltätigkeitsverein, das New | |
| Life Childrens Refuge. Das Ziel: "Waisen und verlassene arme Kinder aus | |
| Haiti und der Dominikanischen Republik zu retten, zu lieben und zu | |
| versorgen." So steht es in den Statuten. Im November lässt sie das kleine | |
| private Hilfswerk in Idaho registrieren. Als Adresse gibt sie ein Haus an, | |
| das ihr damals gehört. Zwei Tage nach der Registrierung verkauft sie es | |
| unter großen Verlusten. Ihre eigene und die benachbarte Baptistengemeinde | |
| in Twin Falls überredet sie, ihr 7.000 Dollar vorzustrecken. Sie reist mit | |
| ihrem ehemaligen Hausmädchen in die Dominikanische Republik und bereitet | |
| alles vor. Die acht anderen Baptisten werden später dazustoßen. | |
| Schon Anfang Januar kommen die zwei Frauen aus den USA zu Bürgermeister | |
| Aniceto Balbucua im Dorf Villa Magante an der nördlichen Küste der | |
| Dominikanischen Republik. Er erinnert sich noch: Sie wollen Land für ein | |
| Waisenhaus kaufen. Aber die Idee habe sich zerschlagen, rechtliche | |
| Schwierigkeiten. | |
| Dann beben am 12. Januar die Häuser und Hügel von Port-au-Prince, und alles | |
| geht sehr schnell. Silsby und Coulter mieten in der Nähe von Villa Magante, | |
| im Küstenstädtchen Cabarete, ein geschlossenes Hotel mit 45 Zimmern an. | |
| Die Internetseite des New Life Childrens Refuge wirbt mit der "Gelegenheit | |
| für Adoptionen", "für liebende christliche Eltern, die ansonsten keine | |
| Möglichkeit hätten, eine Adoption genehmigt zu bekommen". Im Klartext soll | |
| das wohl heißen: Hier wird nicht viel gefragt, hier wird nur Geld verlangt. | |
| Die "Gebühren" in diesem Geschäft beginnen Kinderschutzorganisationen | |
| zufolge bei rund 10.000 US-Dollar pro Kind und können bis zu einem | |
| Vielfachen wachsen. Die Kinder, preist die Internetseite, lebten in einem | |
| Anwesen mit Schwimmbad und Fußballplatz. Für adoptionswillige Paare gebe es | |
| Bungalows in Strandnähe. Dort könnten sie die 60 bis 90 Tage abwarten, die | |
| für die rechtlichen Formalitäten gebraucht würden. | |
| Nach dem Beben steigt die Zahl der Kinder, die für Adoptionen in die USA | |
| gebracht werden, drastisch. Davor sind es jährlich etwa 300, allein in den | |
| ersten sechs Monaten danach schon 1.150. | |
| Auf dem Reiseprogramm: Waisen einsammeln | |
| Aus Idaho fliegen die acht anderen Baptisten ein. Sie glauben wohl | |
| wirklich, sie würden ein gutes Werk tun. Auf ihrem Reiseprogramm steht für | |
| den 23. Januar: "Fahrt mit dem Bus von Santo Domingo nach Port-au-Prince, | |
| Haiti. 100 Waisen auf den Straßen und in eingestürzten Waisenhäusern | |
| einsammeln. Dann Rückkehr in die Dominikanische Republik." Keiner der | |
| Waisensammler versteht das Kreol, das man in Haiti spricht. Doch Silsby hat | |
| einen ortskundigen Helfer: den Baptisten-Prediger Jean Sanbil, einen | |
| gebürtigen Haitianer, der in den USA für das "geistliche Amt des geteilten | |
| Jesus" arbeitete. | |
| Es ist der Nachmittag des 28. Januar, als Laura Silsby zusammen mit Jean | |
| Sanbil in Mais Gaté Maletide Fenelon besucht. Fenelon ist nicht die ärmste | |
| der Armen. Ihr Mann arbeitet in einer Akkordnäherei und verdient am Tag 200 | |
| Gourdes, umgerechnet nicht ganz 4 Euro. Für ihr Häuschen bezahlt die | |
| Familie knapp 250 Euro Miete im Jahr. Zwei kleine dunkle Zimmerchen. Zwei | |
| Stühle, eine grobe Bank und ein Tisch. Die Matratzen zum Schlafen sind in | |
| der Ecke zusammengerollt. Mehr gibt es nicht an Mobiliar. Der Abtritt und | |
| die Küche sind in einem winzigen Hof. Immerhin: Es ist ein Haus, und es | |
| steht. Beim Erdbeben hat es mächtige Risse abbekommen, aber es wirkt noch | |
| immer sicher. Und eines ist ganz sicher: Maletide Fenelons vier Mädchen | |
| sind keine Waisen. | |
| Der Pastor verspricht eine bessere Zukunft | |
| Fenelon geht an diesem heißen Januarnachmittag die Gasse hinauf zur | |
| Durchgangsstraße. Nachbarn haben sie zu einer kleine, improvisierten | |
| Versammlung mit einem Baptistenprediger eingeladen. Er wolle den Kindern im | |
| Viertel helfen. Der Pastor ist Haitianer. Er spricht, wie die Leute in Mais | |
| Gaté sprechen. "Es hat viel Leid und Schmerz gegeben in Haiti wegen der | |
| vielen Toten. Viele Familien mussten ihre Kinder in ein Massengrab werfen." | |
| Aber die Kinder, die überlebt haben, sollen eine bessere Zukunft bekommen. | |
| Maletide Fenelon hat beim Erdbeben keine Verwandten verloren. Sie leben | |
| alle auf dem Land, weit weg von Port-au-Prince. Aber seit dem Beben ist | |
| auch für sie alles noch viel schwerer geworden. Die Lebensmittelpreise sind | |
| explodiert. Der Lohn ihres Mannes reicht nicht mehr fürs Essen. Ja, sie | |
| will eine bessere Zukunft für ihre Kinder. Was der Prediger verspricht, | |
| klingt nach dieser Zukunft. Der Pastor sagt, sie würden die Kinder erst in | |
| die Dominikanische Republik bringen, dann in die USA. Die Eltern würden | |
| alle ein Visum bekommen und könnten sie dort immer besuchen. Die weiße Frau | |
| will am nächsten Tag wiederkommen, um die vier Mädchen abzuholen. | |
| Spielte Geld eine Rolle? "Nein", sagt Fenelon. "Bezahlt wurde ich nicht." | |
| Doch ihre Nachbarinnen behaupten: "Das ist die Frau, die ihre Kinder | |
| verkauft hat." | |
| Am nächsten Morgen, es ist der 29. Januar, drängt sich ein Bus durch die | |
| schmale Durchgangsstraße von Mais Gaté. Silsby, Pastor Sanbil und ein paar | |
| weiße Männer und Frauen. Sie holen die vier Töchter von Fenelon. Auch eine | |
| Nachbarin gibt vier ihrer fünf Kinder den Baptisten. Als der Bus wegfahren | |
| will, kommt eine Mutter gerannt, zwei kleine Kinder an den Händen. "Nehmt | |
| sie auch mit", ruft sie. Aber es ist kein Platz mehr. | |
| Einen Tag später erfährt Fenelon aus dem Radio, dass die Baptisten mit 33 | |
| Kindern an der Grenze zur Dominikanischen Republik von der Polizei | |
| aufgehalten worden sind. Der Vorwurf: Sie wollten sie illegal über die | |
| Grenze in die Dominikanische Republik bringen und dort zur Adoption | |
| anbieten. Vier der Kinder sind die von Fenelon. "Ich werde sie wohl | |
| zurückbekommen", denkt die Mutter. Sonst nichts. | |
| Bei Georg Willeit ruft an diesem 30. Januar um die Mittagszeit jemand vom | |
| staatlichen Sozialinstitut an. "Am späten Nachmittag waren dann schon die | |
| Kinder da", erzählt er. Willeit ist Nothilfe-Koordinator des | |
| SOS-Kinderdorfs in Santo, einem fast ländlich anmutenden Außenbezirk von | |
| Port-au-Prince. Das weitläufige Dorf aus Einfamilienhäusern in einer | |
| parkartigen Anlage hat das Beben ohne Schaden überstanden. Gleich danach | |
| wurde ein internationales Hilfsteam aus anderen Dörfern zusammengezogen, um | |
| 300 Kinder aufzunehmen, die ohne Begleitung von Erwachsenen aufgegriffen | |
| worden waren. Sie sollen so lange versorgt werden, bis ihre Angehörigen | |
| ausfindig gemacht sind. Auf 33 mehr kommt es da auch nicht an. | |
| Als die Kinder in dem SOS-Dorf eintreffen, haben sie eine Nacht im Bus | |
| verbracht. Sie sind hungrig, durstig und manche haben nicht einmal ein Hemd | |
| an. Ein Mädchen weint und schreit: "Ich bin keine Waise. Ich habe Eltern." | |
| Es ist Dienlanda Desilien, Matilde Fenelons älteste Tochter. | |
| Die Kinder werden von Rotkreuzlern untersucht, ein Baby muss sofort ins | |
| Krankenhaus. "Es war völlig dehydriert. Es hätte die Nacht wohl kaum | |
| überstanden", erinnert sich Georg Willeit. Keines der Kinder hat Papiere | |
| dabei, aber ein paar die Mobiltelefonnummer der Eltern. Sie liefern den | |
| Sozialarbeitern im Auffangdorf eine erste Spur. | |
| "Ein paar Kinder glaubten, sie würden in ein Sommercamp fahren", sagt | |
| Willeit. "Andere dachten, sie kämen in ein Internat, weil ihre Schule | |
| zusammengefallen war. Aber einige haben sehr wohl gemerkt, dass ihre Eltern | |
| sie weggegeben hatten." Eltern nämlich hatten sie alle. Kein einziges | |
| Waisenkind war dabei. | |
| Maletide Fenelon will ihre Kinder im SOS-Dorf besuchen, aber beim ersten | |
| Mal wird sie wieder nach Hause geschickt. "Danach durfte ich sie zweimal | |
| sehen, erst dann habe ich sie wiederbekommen", sagt sie. Die Sozialbehörden | |
| wollen zunächst die Situation der Familien überprüfen, die Psychologen des | |
| Dorfs sprechen mit Müttern und Kindern. "Wir wollten sicher sein, dass die | |
| 33 nicht gleich im nächsten Bus in die Dominikanische Republik sitzen", | |
| sagt Willeit. | |
| In der ersten Nacht liegt eine seltsame Spannung über dem Dorf. George | |
| Willeit hat Angst. Mitarbeiter verrammeln die Zugänge zur Anlage und | |
| stellen den gesamten Fuhrpark hinter die Tore, sodass niemand sie von außen | |
| aufdrücken kann. "Wir wussten nicht, wer hinter dieser Verschleppung steckt | |
| und ob sie nicht kommen würden, um die Kinder zu holen", sagt Willeit. Aber | |
| es passiert nichts. | |
| Laura Silsby und ihre neun Gehilfen sitzen da schon in den Zellen einer | |
| Polizeistation, deren Wände dem Erdbeben standgehalten haben. | |
| Weil der nächste Tag ein Sonntag ist, befasst sich Richter Bernard | |
| Saint-Vil erst zwei Tage später mit dem Fall. Er hört sich Laura Silsbys | |
| Geschichte an und will ihr nicht richtig glauben. Silsby stellt sich als | |
| tiefgläubige Christin dar: "Gott wollte, dass wir kommen und diesen Kindern | |
| helfen." Sie habe nicht gewusst, dass sie damit gegen Gesetze verstoße und | |
| habe auch von der Dominikanischen Republik zurückkommen wollen, um die | |
| nötigen Papiere für die Kinder zu besorgen. Überhaupt: "Solche Kinder | |
| verkauft man hier um den Preis eines Huhns." Tatsächlich werden viele | |
| Kinder in Haiti von ihren Eltern in reiche Familien gegeben, damit sie dort | |
| ihre Schulden abarbeiten. Wenn es stimmt, was Maletide Fenelon sagt, | |
| bezahlte Silsby nicht einmal den Preis eines Huhns. | |
| Ein Richter sagt: Die USA haben Druck gemacht | |
| Richter Saint-Vil steht vor der Wahl: Er kann die zehn Baptisten schnell | |
| und geräuschlos abschieben, den Fall vergessen. Oder er strengt ein | |
| richtiges Verfahren an, das diplomatische Verwicklungen nach sich ziehen | |
| könnte. Die US-Botschaft drängt auf die erste Lösung, die haitianische | |
| Regierung auf das örtliche Recht. | |
| Premierminister Jean-Max Bellerive hat sein Urteil zu diesem Zeitpunkt | |
| schon öffentlich gesprochen: "Das sind Entführer, die genau wussten, was | |
| sie taten." Darauf stehen in Haiti 15 Jahre Haft. | |
| Richter Saint-Vil wägt noch ab, da taucht nach einer Woche Silsbys Anwalt | |
| aus der Dominikanischen Republik auf. Saint-Vil wird skeptisch. "Der Mann | |
| kam mit vier Leibwächtern hier an", sagt er. "So etwas habe ich bei einem | |
| Anwalt noch nie gesehen." Der Mann mit rundem Gesicht, kurzem braunen Haar | |
| und sauber gestutztem Vollbart stellt sich als Jorge Puello vor, Anwalt | |
| einer 45-Mann-Kanzlei in Santo Domingo und daselbst Vorsitzender der | |
| sephardisch-jüdischen Gemeinde. Er sei hier, weil er anderen gläubigen | |
| Menschen helfen wolle. 12.000 US-Dollar Anzahlung hat er bereits von | |
| Angehörigen der Gefangenen bekommen, 36.000 weitere hat er vorsorglich | |
| angefordert. Puello fährt mit seinem großen Geländewagen mit abgedunkelten | |
| Scheiben und seinen vier Leibwächtern vor. Fotos davon gehen weltweit durch | |
| die Presse. | |
| Als er das Bild von Puello in einer lokalen Zeitung sieht, wird auch Jorge | |
| Callejas, Sprecher der Grenzpolizei in El Salvador, stutzig: "Dasselbe | |
| Gesicht, derselbe Bart, dasselbe Geburtsdatum." Nur der Name ist ein | |
| anderer. In El Salvador wird seit dem 26. Mai 2009 ein Jorge Torres | |
| Orellana wegen Mädchenhandels gesucht. Dieser Orellana sieht Puello zum | |
| Verwechseln ähnlich. | |
| Er soll Mädchen und junge Frauen aus Nicaragua und der Dominikanischen | |
| Republik mit dem Versprechen auf Jobs in Büros oder als Models angeworben | |
| und sie dann in El Salvador in Bordelle gezwungen haben. Drei | |
| Nicaraguanerinnen sind aus einem Bordell geflohen und haben ihn angezeigt. | |
| Bei einer Hausdurchsuchung in seiner salvadorianischen Residenz in Ciudad | |
| Versalles ist seine hochschwangere Frau Ana Josefa Galvarina Ramírez | |
| Orellana verhaftet worden. Es finden sich dabei auch Unterlagen von einer | |
| sephardischen Gemeinde in Santo Domingo. Der Hausherr aber ist | |
| verschwunden. | |
| Auch der angebliche Anwalt Puello taucht ab, nachdem die mögliche | |
| Verbindung nach El Salvador bekannt geworden ist. Seine Kanzlei in Santo | |
| Domingo war nicht mehr als eine Internetseite, die schnell wieder vom Netz | |
| genommen wird. Weder in der Dominikanischen Republik noch in den USA war | |
| er, wie er behauptet hatte, als Anwalt registriert. Dafür hatte er in | |
| Kanada 18 Monate in Auslieferungshaft und ein Jahr in den USA im Gefängnis | |
| gesessen: wegen eines Bankbetrugs und des Waschens von Drogengeldern. In | |
| den Vereinigten Staaten wird er gesucht, weil er gegen Bewährungsauflagen | |
| verstoßen hat, in mindestens vier weiteren Ländern wegen Mädchenhandels. In | |
| Telefoninterviews aus dem Untergrund streitet Puello zunächst alles ab, | |
| doch dann gesteht er dem Nachrichtensender CNN: "Ja, ich bin der gesuchte | |
| Mann." | |
| Das verzögert die Freilassung der zehn inhaftierten Baptisten. Jetzt will | |
| Richter Saint-Vil die Hintergründe wissen. Gehört Silsby zu einem Ring von | |
| Kinderhändlern? Der Richter kann das nie wirklich herausfinden. | |
| Zuerst werden Ende Februar die acht Helfer von Silsby und ihrem ehemaligen | |
| Hausmädchen Coulter entlassen und sofort in die USA ausgeflogen. Einen | |
| Monat später darf auch Coulter gehen. Silsby sitzt bis zum 17. Mai in Haft. | |
| An diesem Tag wird das Urteil gegen sie gesprochen: Dreieinhalb Monate Haft | |
| - exakt so viel, wie sie bereits abgesessen hat. Auch sie fliegt daraufhin | |
| sofort in die Heimat zurück. | |
| Ein Richter, der mit dem Fall befasst war, sagt ganz offen: "Da gab es | |
| Druck von der Botschaft der USA." Daraufhin durchsuchen die Richter die | |
| Gesetze und finden einen Ausweg, der sowohl eine Verurteilung als auch die | |
| Freiheit für Silsby bedeutet: Sie wird schuldig gesprochen, mit den Kindern | |
| eine "irreguläre Reise" unternommen zu haben. Das Urteil stützt sich auf | |
| ein Gesetz des damaligen Diktators Jean-Claude Duvalier von 1980. Um mehr | |
| Kontrolle über Personenbewegungen zu haben, mussten Busfahrten registriert | |
| werden. Lange hatte sich niemand um dieses Dekret gekümmert. Es steht aber | |
| noch im Gesetzbuch. | |
| Jorge Aníbal Torres Puello, vermutlich ist das sein richtiger Name, ist | |
| schon zwei Monate vorher, am Abend des 18. März verhaftet worden, als er in | |
| Santo Domingo ein McDonalds-Restaurant verlassen hat. Er sitzt seither in | |
| der Dominikanischen Republik in Auslieferungshaft. Seine Frau, Ana Josefa | |
| Galvarina Ramírez Orellana, wird am 26. Juli in El Salvador vom Gericht in | |
| Santa Tecla wegen sexueller Ausbeutung von mindestens fünf minderjährigen | |
| Nicaraguanerinnen und zwei volljährigen Dominikanerinnen zu acht Jahren | |
| Haft verurteilt. | |
| Die 33 Kinder sind alle wieder bei ihren Angehörigen, auch die von Maletide | |
| Fenelon. Man weiß nicht so recht, wie sehr sich die Mutter darüber freut. | |
| "Ich bin zufrieden, dass sie wieder hier sind", sagt sie schüchtern. | |
| Richtige Erleichterung ist nicht zu spüren. Eher wirkt sie erschöpft, ein | |
| bisschen traurig. | |
| Drüben im anderen Zimmer spielen die drei großen Mädchen mit einem | |
| Plastikeimer. Sie necken sich, ziehen sich Bindfäden durchs krause Haar. | |
| Sie lachen. Die Kleinste sitzt auf dem Schoß der Mutter. "Ich kann ihr | |
| nicht mehr die Brust geben. Seit ich sie weggegeben habe, habe ich keine | |
| Milch mehr", sagt Fenelon. | |
| Sie habe gehofft, dass es den Mädchen besser gehen werde als in Haiti. Dass | |
| es ihr besser geht. "Solange sie da sind, kann ich nicht arbeiten, nicht | |
| einmal auf der Straße etwas verkaufen." | |
| Und wie war es, als sie weg waren? "Da habe ich mich wohlgefühlt", sagt | |
| Maletide Fenelon. | |
| Es klingt nicht glücklich. | |
| 28 Aug 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Toni Keppeler | |
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