# taz.de -- Offenes soziales Netzwerk Diaspora: Anti-Facebook vor Start | |
> 200.000 Dollar sammelte ein New Yorker Studententeam von entnervten | |
> Facebook-Nutzern ein, um ein offenes soziales Netz zu programmieren. Bald | |
> soll es online gehen. | |
Bild: Facebook könnte User an den Konkurrenten Diaspora verlieren. | |
BERLIN taz | Als die vier jungen Informatiker Dan Grippi, Max Salzberg, | |
Raphael Sofaer und Ilya Zhitomirskiy im Frühjahr auf die Idee kamen, ein | |
Projekt zur Schaffung einer offenen Facebook-Alternative zu starten, hätten | |
sie sich vermutlich nicht träumen lassen, wie viele positive Reaktionen das | |
im Netz hervorrufen würde. | |
Um ihre Programmiervorhaben, das sie folgerichtig [1]["Diaspora"] nannten, | |
finanzieren zu können, bedienten sich die New Yorker Studenten des "Crowd | |
Funding"-Dienstes [2][Kickstarter]. Hier können Filmemacher, Künstler, | |
Softwareentwickler und andere Kulturschaffende den Internet-Nutzern ihre | |
Projekte vorstellen und sie dann um eine Beteiligung an der Finanzierung | |
bitten. | |
Diaspora sollte 10.000 Dollar einwerben, damit sich das Viererteam in | |
seinen Sommerferien statt um bezahlte Praktika und Studentenjobs eben um | |
die Programmierung kümmern konnte. | |
Nach zwölf Tagen war das Finanzierungsziel erreicht. Und es ging, zum | |
Erstaunen vieler Beobachter, noch deutlich weiter: Am Ende der nur wenige | |
Wochen dauernden Spendephase waren sage und schreibe 200.000 Dollar von | |
fast 6.500 Unterstützern beisammen. | |
"Wir können es nicht glauben", hieß es vom Diaspora-Team, das sich | |
daraufhin motiviert ans Werk machen konnte. | |
Seither gab es zwar hier und da noch lobende Erwähnungen in der Presse, | |
während Facebook seine Datenschutzpolitik weiter verkomplizierte, doch wie | |
die jungen Entwickler vorankamen, verrieten sie nur stückchenweise. | |
Mittlerweile gibt es aber erste Informationen. Die wohl wichtigste: Am 15. | |
September soll die erste Diaspora-Version für die Öffentlichkeit | |
freigegeben werden - in Form der versprochenen quelloffenen Software, die | |
beliebig weiterprogrammiert werden kann. Klar ist allerdings jetzt schon, | |
dass "Release 1" noch bei weitem nicht alle von den vier Enthusiasten | |
versprochenen Funktionen enthalten wird. | |
So fehlt eine direkt zugängliche Programmierschnittstelle anfangs genauso | |
wie die Möglichkeit, Zusatzprogramme (Plugins) auszuführen. All das solle | |
jedoch schnellstmöglich nachgereicht werden, heißt es vom Diaspora-Team. | |
Was Diaspora aber von Anfang an können soll, ist die Vernetzung einzelner | |
Nutzer ohne zentrale Instanz. Denn genau darum geht es bei dem Projekt, das | |
die Macher als erstes "persönlich kontrolliertes Alleskönner-Netzwerk" | |
titulieren, "das die Privatsphäre beachtet". | |
Während Facebook die Profile und Vernetzungsdaten seiner Mitglied auf | |
Servern in seinem Rechenzentrum ablegt, wo die Nutzer nur bedingt | |
herankommen, lagern die Infos bei Diaspora auf der eigenen Maschine. Diese | |
ist wiederum mit den Rechnern aller Freunde vernetzt. | |
Der große Vorteil daran: Will der Nutzer Daten löschen oder verändern, kann | |
er dies sofort und ohne Datenspuren tun, denn er kontrolliert sein Profil | |
direkt. Damit der Rechner nicht ständig online sein muss, erfolgt eine | |
Zwischenspeicherung. Aber auch die ist sicher, weil ständig verschlüsselt. | |
Missbrauch soll so unmöglich sein. | |
Ansonsten soll all das bei Diaspora angeboten werden, was man von Facebook | |
kennt - "die schönen kleinen Spiele, Chats und Pinnwandeinträge". Etwas | |
später soll außerdem der sichere Austausch von Multimedia-Dokumenten und | |
eine Anbindung zur Internet-Telefonie integriert werden. "Wir legen nur das | |
Fundament." | |
In den ersten Monaten der Programmierarbeit holte sich das Diaspora-Team | |
Hilfe von anderen offenen Kommunikationsprojekten. So gab der Macher der | |
freien Twitter-Alternative Status.Net Tipps und ein | |
Profi-Projektplanungsunternehmen gab den jungen Entwicklern eine | |
Design-Richtung vor. "Wir haben gelernt, zu priorisieren." | |
Dass es das Diaspora-Team mit seinem Projekt ernst meint, zeigt die | |
Entscheidung der zwei Mitbegründer Raphael Sofaer und Ilya Zhitomirskiy, | |
sich auch nach dem Sommer zu 100 Prozent dem Projekt zu widmen. "Sie werden | |
beide von der New York University Abschied nehmen und Diaspora als | |
Vollzeitprojekt weiterentwickeln." | |
Ein nur auf einen Sommer angelegtes Projekt wird das offene soziale | |
Netzwerk also nicht bleiben. Die 200.000 eingeworbenen Dollar machen es | |
offensichtlich möglich. "Wir stehen am Anfang von etwas Großartigem." | |
30 Aug 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.joindiaspora.com/ | |
[2] http://www.kickstarter.com/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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