# taz.de -- Wahlen in Brasilien: Lulas Nachfolge scheint gesichert | |
> Gut einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen in Brasilien liegt die | |
> Kandidatin des populären Präsidenten Lula da Silva in den Umfragen | |
> deutlich in Führung. | |
Bild: Ein Herz und eine Seele: Prasident Lula und die von ihm systematisch als … | |
Erst am 3. Oktober entscheidet Brasiliens Wahlvolk über die Nachfolge des | |
höchst populären Staatschefs Luiz Inácio Lula da Silva, doch der Wahlkampf | |
scheint schon gelaufen. Seit letzter Woche sagen alle Umfragen Lulas | |
Kandidatin Dilma Rousseff einen Kantersieg voraus. | |
Anders als Lula 2002 und 2006 könnte der knallharten Technokratin, der die | |
Marketingexperten der Arbeiterpartei PT erfolgreich ein Image als "Mutter | |
der Nation" verpasst haben, sogar die Stichwahl Ende Oktober erspart | |
bleiben - so deutlich scheint die vormalige Energie- und | |
Präsidialamtsministerin ihre Konkurrenten überrundet zu haben. Rousseff | |
profitiert nicht nur von Lulas Prestige und seiner Erfolgsbilanz, sondern | |
auch von dem breiten Regierungsbündnis, das ihr Mentor in den letzten | |
Jahren geschmiedet hat. | |
Wichtigster Partner ist dabei die Zentrumspartei PMDB, die seit dem Ende | |
der Diktatur 1985 noch an jeder Regierung beteiligt war und | |
Schlüsselpositionen in Staatsapparat und Parlament besetzt. Schon jetzt | |
drängen ihre wichtigsten Leute darauf, nach dem Sieg genauso viel Posten zu | |
erhalten wie die PT. | |
Aber zu Rousseffs Wahlkoalition gehören noch acht Kleinparteien von den | |
Kommunisten bis zu den "Republikanern" des mächtigen Sojaunternehmers | |
Blairo Maggi. Damit verfügt die Regierungskandidatin über den größten Block | |
der Wahlwerbungszeit, die den Kandidaten täglich in sämtlichen Radio- und | |
Fernsehsendern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Am Samstag sagte | |
Rousseff, in einer von ihr geführten Regierung sei sie auch bereit, ihrem | |
jetzigen Kontrahenten José Serra "die Hand zu reichen". Serra, der mit über | |
20 Prozentpunkten Rückstand auf Platz zwei liegt, reagierte pikiert: "Diese | |
Erklärung zeugt von einem gewissen fehlenden Respekt", meinte der rechte | |
Sozialdemokrat, der Lula 2002 deutlich unterlegen war, "da setzt sich schon | |
jemand einen Monat vor der Wahl auf den Präsidentensessel". | |
Als Gesundheitsminister, Bürgermeister von São Paulo und Gouverneur des | |
gleichnamigen Bundesstaates war Serra recht erfolgreich, doch in den | |
ärmeren Regionen Brasiliens, wo es heute dank Lulas Sozialpolitik Millionen | |
Menschen deutlich besser geht als vor acht Jahren, bleibt er chancenlos. | |
Zumal er programmatisch nichts anderes anbietet als die Regierung: Wachstum | |
und Sozialprogramme. | |
Sein Absturz in den Umfragen bedeutet zugleich einen kleinen | |
Hoffnungsschimmer für Marina Silva, die Kandidatin der Grünen Partei. Als | |
Lulas Umweltministerin war sie Rousseffs Gegenspielerin im Kabinett, bis | |
sie Mitte 2008 entnervt das Handtuch warf. Die Polarisierung Rousseff/Serra | |
konnte sie aber bislang nicht aufbrechen, in den Umfragen liegt Silva unter | |
zehn Prozent. Ihre Wahlspots zur besten Sendezeit sind gerade eine Minute | |
und 23 Sekunden lang - Serra hat fünfmal, Rousseff knapp achtmal so viel | |
Zeit. | |
So habe Silva kaum eine Chance, ihr Programm bei den "einfachen Leuten" | |
bekannt zu machen, beklagt Greenpeace-Chef Marcelo Furtado. Mit ihrer | |
Vision eines nachhaltigen, CO2-armen Brasilien punktet die Grüne fast | |
ausschließlich in der urbanen Mittelschicht. Auch ihr | |
Antikorruptionsdiskurs verfängt kaum. Die Selbstbedienungsmentalität der | |
meisten Politiker löst beim Volk eher Schulterzucken aus als Empörung. | |
Wahlentscheidend dürfte nun der "feel good factor" sein, vermutet der | |
Politologe Fernando Papaterra Limongi: Die brasilianischen Wähler seien | |
überwiegend konservativ, und ähnlich wie in den USA "ist die Wirtschaft die | |
wichtigste Variable, um Wahlergebnisse zu erklären." | |
30 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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