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# taz.de -- Finanzkrise: Schiffe nicht mehr ein und alles
> Um den starken Wirtschaftsabschwung zu überstehen, haben viele Werften
> ihre Produktpalette diversifiziert: Sie sanieren Schleusen, bauen Pontons
> und Fischtreppen.
Bild: Kein Schiff weit und breit: Die Altenwerder Schiffswerft baut inzwischen …
Friedrich Baumgärtel hat schwere Monate hinter sich. "Halbiert" habe sich
der Umsatz innerhalb von nur zwölf Monaten, erinnert sich Baumgärtel mit
Schrecken an 2009, das Jahr der Krise. Eine Krise in der kaum eine Branche
so gelitten habe, wie die in der er tätig ist. "Das war knapp an der Pleite
vorbei", sagt der Geschäftsführer der Altenwerder Schiffswerft in Hamburg.
Mit der Wucht eines Tsunamis wurden die norddeutschen Werften von der
Wirtschaftskrise getroffen. 60 Stornierungen im Wert von 2,2 Milliarden
Euro allein bei den Schiffsneubauten haben sie seit Herbst 2008 verkraften
müssen. Dazu tobt ein ruinöser Verdrängungswettbewerb im internationalen
Schiffsbau: Immer mehr asiatische Billiganbieter drängen in den
internationalen Markt, aber auch staatlich hoch subventionierte europäische
Konkurrenten machen den deutschen Werften das Leben schwer.
Während einige große Werften, wie Lindenau, Wadan oder Hegemann ihren
Untergang mit Millionen-Hilfe vom Staat verhindern konnten, waren die
vielen kleinen Werften beim Weg durch die Krise meist auf sich allein
gestellt. Rund 15 Prozent des Gesamtvolumens zahlen die Kunden bei
Auftragserteilung, den Rest müssen die Schiffsbauer über Bürgschaften und
Kredite finanzieren. Doch in der Krise zeigten sich die ins Schlingern
geratenen Banken gegenüber den Werften zugeknöpft.
Kurzarbeit, Entlassungen, Staatsbürgschaften und Millionenkredite prägten
deshalb in den vergangenen Monaten die Schlagzeilen - sechs norddeutsche
Schiffsbauer mussten in diesem Zeitraum Insolvenz anmelden. Ende 2009 waren
noch rund 20.000 Menschen im Schiffsbau in Deutschland beschäftigt - gut 15
Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Und auch im laufenden Jahr wird die
Zahl nach allen Prognosen erneut kräftig sinken.
Doch mit dem wieder anziehenden Welthandel werden sich auch die
Auftragsbücher langsam wieder füllen. Auch Baumgärtel sieht "ein Licht am
Ende des Tunnels". Das liegt weniger an den positiven Wachstumsprognosen,
sondern eher daran, dass Baumgärtel rechtzeitig gegengesteuert hat. "Wir
haben in den vergangenen Jahren mit neuen Produkten und Dienstleistungen
neue Märkte erobert und Nischen besetzt und uns damit von unserem
Kerngeschäft - der Reparatur von Schiffen unabhängiger gemacht", sagt
Baumgärtel. Ein Rezept, ohne das es die 1984 gegründete Werft, die einst 45
und heute noch 15 Mitarbeiter beschäftigt, wohl nicht mehr geben würde.
Dabei stand ein Problem am Anfang der Entwicklung, die nun zum Segen wurde.
1997 wurde die Altenwerder Schiffswerft nach Wilhelmsburg vertrieben, weil
die Werftflächen für die anstehende Erweiterung des Hamburger Hafens
gebraucht wurde. Mit dem alten Firmensitz verlor das Unternehmen den
direkten Wasserzugang und damit die Möglichkeit, reparaturbedürftige
Schiffe am eigenen Firmengelände andocken zu lassen.
Neue Geschäftsfelder mussten her, sollte die Werft nicht Schiffsbruch
erleiden. Sie wurden gesucht und gefunden. In den vergangenen zehn Jahren
hat der 50-jährige Baumgärtel seine Werft komplett neu ausgerichtet.
Schiffsumbauten und reparaturen, auf die das Unternehmen in der Anfangszeit
spezialisiert war, machen heute gerade noch 20 bis 30 Prozent des
Auftragsvolumens aus und sind seit dem Beginn der globalen Krise weiter
stark rückläufig.
Statt auf traditionelle Werftarbeit zu setzen, ist das Unternehmen zum
Allrounder der Branche geworden. Heute verdient die Altenwerder
Schiffswerft ihr Geld auch im Bereich Hochwasserschutz mit Flutschutztoren;
sie baut und vertreibt von ihr eigens entwickelte Container-Pontons,
saniert Schleusen, in deren Anstrich giftiges Asbest lauert und hat sich
zudem im Bereich des maritimen Stahlbaus einen Namen gemacht.
Aussichtsplattformen, Elemente von Fischtreppen und sogar Brückengeländer
gehören inzwischen zum Repertoire der Werft. "Als modernes
Dienstleistungsunternehmen muss man heute auf verschiedenen Standbeinen
stehen", findet Baumgärtel und ergänzt, "Eine Spezialisierung reicht
heutzutage nicht mehr aus. Die Kunden wünschen sich Unternehmen, die sie
gleich für mehrere Maßnahmen buchen können."
Diversifizierung laute die Devise. Dabei sei eine Werft klassischen
Stahlbauunternehmen oft überlegen, sagt Baumgärtel: "Unsere Mitarbeiter
denken nicht in Schablonen, weil an Bord immer stark improvisiert wird und
eine kreative Lösung gefunden werden muss." Letztendlich sei es egal, ob
die Werft ein Schiffsheck forme oder ein geschwungenes Blechdach für ein
Gebäude modellieren müsse. Das sei "im Prinzip dieselbe Arbeit".
Neue Märkte erobern, Nischen besetzen, weg von den klassischen
Geschäftsfeldern - diesen Weg sind in der Krise viele der norddeutschen
Werften gegangen. So stellte die Bremerhavener Lloyd Werft ihr
Unternehmenskonzept auf drei Säulen um: Schiffsreparaturen werden ergänzt
durch die Felder Umbau und Fertigbau.
Auch die ebenfalls in Bremerhaven beheimatete SSW Schichau Seebeck Shipyard
vereinte ihr Schiffsbau-Knowhow mit einem Stahlbetrieb. Andere gaben den
Schiffsbau ganz auf: So wollen etwa die Nordseewerke in Emden in Zukunft
Komponenten für Windkraftanlagen herstellen. Vergangenen Dezember haben sie
das letzte Handelsschiff vom Stapel gelassen.
Wieder andere Werften folgen der Empfehlung der Verbandes für Schiffsbau
und Meerestechnik, sich weiter zu spezialisieren. Im klassischen Bereich
seien vor allem der Sonderschiffsbau und die Präzisionsarbeit bei der
Reparatur immer gefragter. "Es gibt verschiedene Wege heraus aus
stürmischer See", sagt Friedrich Baumgärtel über eine Branche.
30 Aug 2010
## AUTOREN
Marco Carini
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