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# taz.de -- Strafe für Geschichtslehrerin: Nicht so oft "Schoah" sagen
> Eine Geschichtsprofessorin wird wegen ihres engagierten Unterrichts
> suspendiert. Angeblich soll sie ihre Schüler manipuliert haben.
Bild: Auschwitz-Birkenau: Einer Lehrerin wird vorgeworfen, sie habe zu wenig Di…
PARIS taz | Wie oft soll und darf eine Mittelschullehrerin das Wort
"Schoah" im Unterricht verwenden, ohne sich deswegen dem Verdacht
auszusetzen, sie sei konfessionell nicht "neutral" genug? Diese absurde
Frage stellt sich im Zusammenhang mit der Suspendierung einer
Geschichtsprofessorin in Nancy. Sie muss auf Anordnung der lothringischen
Schulbehörden vorsorglich für vier Monate zu Hause bleiben. Nach Ansicht
der Schulinspektion hat sie im Rahmen von Studienreisen nach Auschwitz ihre
Pflicht zur Zurückhaltung missachtet.
Am Donnerstag sollte die 58-jährige Catherine Pederzoli im staatlichen
Lycée Henri-Loritz normalerweise, wie seit dreißig Jahren, den
Geschichtsunterricht mit ihren neuen Klassen beginnen. Zwei Tage vor
Schulanfang erhielt sie jedoch vom Rektorat einen Brief, der sie nachhaltig
schockiert hat.
Aufgrund eines Berichts von zwei Inspektoren wird ihr vorgeworfen, sie habe
ihre Schüler "instrumentalisiert" und "indoktriniert". Sogar von
"Gehirnwäsche" ist auf nicht weniger als 42 Seiten in diesem über sie
verfassten Rapport die Rede.
Anlass der schweren Vorwürfe sind die Reisen nach Auschwitz, die Pederzoli,
wie an vielen französischen Schulen üblich, jedes Jahr im Rahmen des
Unterrichts organisiert hat. Die beiden Inspektoren scheinen darin den
Beweis für einen religiösen Übereifer zu sehen, der in seiner Form von
Parteilichkeit in Widerspruch zur weltlichen Neutralität und zur strikten
Trennung von Staat und Religion steht.
Das kommt nach Meinung der Inspektoren schon im Vokabular zum Ausdruck:
Vierzehnmal, so führen sie an, habe die Lehrerin im Gespräch das
"hebräische Wort ,Schoah' " verwendet und "nur zweimal den neutraleren und
juristisch adäquateren Begriff ,Genozid' ".
Nur: Der Ausdruck "Schoah" ist längst - spätestens seit Claude Lanzmanns
gleichnamigem zehnstündigem Dokumentarfilm von 1985 - in die französische
Umgangssprache eingegangen.
Zu stören scheint die Ermittler auch, dass an den mit der "Fondation pour
la Mémoire de la Shoah" organisierten Reisen ein Rabbiner teilgenommen hat.
"Würden solche Vorwürfe erhoben, wenn meine Klientin nicht jüdischer
Konfession wäre?", fragt die Anwältin der Lehrerin. Catherine Pederzoli
selbst verlangt ihre sofortige Rehabilitierung: "Man hat mich beschmutzt.
Der Vorwurf, ich hätte meine Schüler manipuliert, ist äußerst gravierend."
Peinlich ist das Ganze dem Erziehungsminister Luc Chatel, der
beschwichtigen wollte, den Suspendierungsentscheid aber nicht zurücknahm.
Dieser sei ja keine Strafe, sondern nur provisorisch und zudem zum Schutz
der Betroffenen gedacht, die sich nun dazu äußern könne.
Außerdem bedauere auch er "gewisse besonders unpassende Passagen des
Rapports [der Schulinspektion]", die er für "in unannehmbarer Weise
ungeschickt" hält. Selbstverständlich werde in keinster Weise infrage
gestellt, dass die Behandlung der Schoah Teil des Unterrichtsprogramms sei.
Zu der Frage, wie eine gegenüber Verbrechen gegen die Menschlichkeit
"neutrale" Haltung aussehen sollte, ließ er sich nicht aus.
3 Sep 2010
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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