# taz.de -- US-Armee-Abzug aus dem Irak: Keine Brücke der Versöhnung | |
> Die Brücke der Imame in Bagdad trennt und vereint Schiiten und Sunniten. | |
> Beide Seiten fürchten, die US-Truppen überliessen nach ihrem Abzug das | |
> Land den Fanatikern. | |
Bild: Der Tigris trennt Sunniten und Schiiten, Frieden gibt es noch nicht: Brü… | |
BAGDAD taz | An vielleicht keinem anderen Ort zeigt sich das Gelingen und | |
Scheitern der Amerikaner im Irak so sehr wie an der Brücke der Imame in | |
Bagdad. Vor allem aber ist sie ein Symbol für einen Einsatz, der aus Sicht | |
vieler Iraker zu früh zu Ende geht, weil das Feuer, das er entfacht hat, | |
zwar eingedämmt, aber noch immer nicht gelöscht ist. | |
Im Westen führt die Brücke in den Stadtteil Kadhimija, wo die Schiiten um | |
das gleichnamige Heiligtum ihr religiöses Revival und ihren Aufstieg an die | |
Schalthebel der Macht zelebrieren. Im Osten führt sie ins historische | |
Adhamija, wo die Sunniten an ihrem wichtigsten Heiligtum versuchen, im | |
religiösen Wettstreit mit den Schiiten mitzuhalten, und damit hadern, dass | |
sie den Krieg vorerst verloren haben. Dazwischen fließt graubraun der | |
Tigris, aus dem die Polizei während der Hochphase des Religionskriegs | |
täglich Dutzende von Leichen fischte. | |
"Der Abzug der Amerikaner ist falsch", sagt Mustafa Ali. "Sie überlassen | |
den Irak den Fanatikern, die den Konfessionalismus erneut schüren werden." | |
Es ist Ramadan, Zeit der religiösen Hochgefühle, aber auch der großen | |
Stunde des Einzelhandels. Während tagsüber das Leben weitgehend stillsteht, | |
geht man nachts bummeln und deckt sich mit Geschenken für das dreitägige | |
Fest zum Ende des Fastenmonats ein. Eine Stunde nach dem Iftar, dem | |
abendlichen Fastenbrechen, herrscht an der Straße zum Kadhimija-Schrein, wo | |
Ali ein Süßwarengeschäft führt, Hochbetrieb. An den Kontrollpunkten vor den | |
Metallgittern, die den Zugang zum Schrein im Umkreis von mehreren hundert | |
Metern versperren, haben sich lange Schlangen gebildet. Im Akkord tasten | |
die Kontrolleurinnen die Frauen und ihre Taschen ab, um den Andrang zu | |
bewältigen. Hinter den Kontrollposten scheint die Angst vor Anschlägen | |
vergessen. Gelassen schlendern schwarz verschleierte Frauen, Kinder und | |
Männer in traditionell arabischer oder westlicher Kleidung an den | |
Geschäften, Imbissbuden und fliegenden Händlern vorbei. Tausendfach brechen | |
sich die Lichter der Lichterketten im Gold der Minarette und der Kuppel des | |
Schreins. Es riecht nach Popcorn, türkischem Honig und Nüssen. Aus einem | |
Lautsprecher ertönen schiitische Rezitationen und Gebete. Es ist eine | |
Szenerie wie aus einem Bilderbuch des alten Orients. | |
Ali freilich kann sie nicht beeindrucken. Seine Geschäfte gingen trotz | |
Ramadan so schleppend wie schon lange nicht mehr, sagt er. Der Grund dafür | |
sei die sich verschlechternde Sicherheitslage. "Die Leuten kaufen nicht, | |
weil sie der Lage nicht trauen und deshalb lieber sparen", sagt er. "Nur | |
die Geistlichen profitieren vom Abzug der Amerikaner", sagt der Schiit und | |
wirft einen abschätzigen Blick in Richtung Schrein. "Den Preis dafür zahlen | |
wir." Auch die Geschäfte von Goldjuwelier Hussein Salim gehen schlecht. | |
Allerdings ist er nicht so pessimistisch wie Ali. Er glaubt, dass es mit | |
einer neuen Regierung bald besser wird. | |
Das denkt Ahmed Fadhel Zeinel indes nicht. Der 43-Jährige betreibt in | |
Adhamija einen Laden für Naturheilmittel. Im Gegensatz zu den schiitischen | |
Kaufleuten kann der Sunnit über mangelnden Umsatz nicht klagen. Dass seine | |
Geschäfte so gut liefen, habe aber einen einfachen Grund, sagt Zeinel. | |
"Wegen der Gewalt nehmen die typischen Stresskrankheiten wie Bluthochdruck | |
und psychosomatische Erkrankungen ständig zu. Ich habe dagegen gute | |
Mischungen entwickelt. Das kaufen die Leute." | |
Auch in Adhamija herrscht in dieser Nacht reges Treiben, wenn es auch nicht | |
ganz so gedrängt zugeht wie in Kadhimija. Im Gegensatz zum Schiitenviertel | |
sieht man hier aber auch Frauen ohne Kopftuch. Den berühmten | |
Hanifa-Schrein, der aus braunen Lehmziegeln gebaut ist, haben die Sunniten | |
mit Lichterketten geschmückt. Am Platz davor sitzen Männer in einem | |
Straßencafé und spielen Domino. Überall stehen Polizisten und Soldaten. | |
Plötzlich ist in der Ferne die Explosion eines Sprengsatzes zu hören. Die | |
Klacken der Dominosteine verstummt, die Männer zucken kurz, blicken in | |
Richtung des Knalls. Sekunden später setzen sie ihr Spiel fort, als sei | |
nichts gewesen. | |
Wenige Meter von ihnen entfernt liegt im Dunkel der Nacht die Brücke der | |
Imame. Trotz des Treibens in den Vierteln auf beiden Seiten sind auf der | |
Brücke keine Autos und nur selten Fußgänger zu sehen. Jahrelang war die | |
Brücke gesperrt. Als sie wieder geöffnet wurde, wollten Schiiten und | |
Sunniten damit ein Zeichen der Versöhnung setzen. Zum Ende des Ramadan | |
wollten die Parteien eine neue Regierung bilden und damit Frieden bringen. | |
Davon redet kein Politiker mehr. "Sie werden Krieg gegeneinander führen. | |
Die Amerikaner haben mit dem Abzug den größten Fehler gemacht." | |
5 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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