# taz.de -- Griechenlands Militärausgaben: Hochgerüstet in die Pleite | |
> Griechenland hat anteilig höhere Militärausgaben als alle anderen | |
> europäischen Nato-Staaten. Die Krise hat daran nichts geändert. | |
Bild: Griechenland heute: Die Bausubstanz verfällt, für Sanierung fehlt das G… | |
Auf dem Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel war es nur | |
eine Randnotiz: Griechenland bekommt eine weitere Kredittranche in Höhe von | |
9 Milliarden Euro bewilligt. Mit seinen Anstrengungen zur Senkung der | |
Staatsausgaben sei Griechenland, so hatten die Europäische Union, der | |
Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank zuvor schon | |
wissen lassen, "auf einem guten Weg". | |
Tatsächlich ist die Neuverschuldung im ersten Halbjahr 2010 um fast 40 | |
Prozent zurückgegangen. Aber die drastischen Einschnitte bei den Löhnen im | |
öffentlich Dienst um bis zu 20 Prozent, das Einfrieren der Renten und der | |
Rückgang der staatlichen Investitionen haben die Rezession verschärft. Für | |
das dieses Jahr wird ein Minuswachstum von 4 bis 5 Prozent vorhergesagt. Da | |
die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben, sind weitere | |
soziale Einschnitte im Gespräch. | |
Zu der desolaten Haushaltslage beigetragen haben die immensen | |
Rüstungsausgaben. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gibt Griechenland seit | |
Jahrzehnten für das Militär weit mehr aus als die anderen europäischen | |
Staaten. Der Nato zufolge lag der Durchschnitt der europäischen | |
Nato-Staaten im vorigen Jahr bei 1,7 Prozent. In Griechenland waren es 3,1 | |
Prozent. | |
Immerhin hat die Regierung unter dem Eindruck der Krise zu sparen | |
angefangen. So wurde der Verteidigungshaushalt von 6,5 Milliarden Euro auf | |
5,5 Milliarden Euro gesenkt. 1,8 Milliarden davon - 400 Millionen Euro | |
weniger als noch im Vorjahr - sind für die Beschaffung von Rüstungsgütern | |
vorgesehen. | |
Vielleicht wird sogar noch etwas mehr eingespart: Denn bislang hat | |
Griechenland nur 224 Millionen Euro für militärische Ersatzteile und | |
Munition ausgegeben. Das Wirtschaftsministerium spricht davon, neue | |
Haushaltslücken durch eine weitere Reduzierung der Rüstungseinkäufe zu | |
schließen. | |
Und dennoch: Ganz aufs Waffenshopping will man nicht verzichten. So hält | |
man am geplanten Kauf von zwei weiteren neuen U-Booten fest. Kosten: etwa | |
1,3 Milliarden Euro. | |
In den vergangenen zehn Jahren hat Griechenland Rüstungsgüter im Wert von | |
mehr als 11 Milliarden US-Dollar importiert und rangierte im Zeitraum | |
zwischen 2005 und 2009 auf Platz 5 der größten Rüstungsimporteure der Welt. | |
Vom Kaufrausch des griechischen Militärs profitieren auch deutsche | |
Konzerne; zusammen mit den USA und mit einigem Abstand vor Frankreich ist | |
Deutschland der Hauptlieferant. | |
So sollen die Gesamtkosten eines Panzergeschäfts mit Krauss-Maffei Wegmann | |
- bei dem es um Modernisierung alter Panzer und Neulieferung von 183 | |
Panzern des Typs Leopard 2-A4 ging - 1,7 Milliarden Euro betragen haben. | |
Und 2,8 Milliarden Euro kostete der Kauf von vier neuen U-Booten des Typs | |
214 und die Modernisierung von drei alten U-Booten, die man bei | |
ThyssenKrupp in Auftrag gab. | |
In Griechenland geht man davon aus, dass bei diesem Vertrag erhebliche | |
Schmiergelder geflossen sind; griechische und deutsche Staatsanwaltschaften | |
ermitteln. | |
Gegenwärtig wird im Verteidigungsministerium ein neuer Fünfjahresplan für | |
Waffenmodernisierungen der Streitkräfte vorbereitet. Verteidigungsminister | |
Evangelos Venizelos zufolge sollen in den nächsten beiden Jahren die | |
Ausgaben für militärische Beschaffungen deutlich reduziert werden. Zugleich | |
aber sind weiterhin größere Rüstungskäufe in der Diskussion, die schon seit | |
einiger Zeit vorgesehen sind. Dabei geht es um Folgendes: | |
Fregatten: Der Kauf von vier bis sechs französischen Fremm-Fregatten, mit | |
einem Finanzvolumen von insgesamt 2,5 Milliarden Euro. Ein Vorvertrag ist | |
unterschrieben; die Verhandlungen sollen "ohne Zeitlimit" fortgesetzt | |
werden und frühestens im Jahr 2011 abgeschlossen sein. | |
Kampflugzeuge: Die Modernisierung von Kampfflugzeugen vom Typ "Mirage" 2000 | |
und F-16 für zusammen 818 Millionen Euro ist geplant. Zudem möchte die | |
Luftwaffe bis zu 40 neue Kampfflugzeuge kaufen - Kosten: 2,3 Milliarden | |
Euro. Zur Auswahl stehen amerikanische F-16-Stealth-Bomber, französische | |
"Rafale", schwedische "Gripen" und die "Eurofighter", die von Deutschland, | |
Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien produziert werden. | |
Die Verhandlungen darüber haben noch nicht begonnen. Dem stellvertretenden | |
Verteidigungsminister Panjotis Beglitis zufolge steht das Thema derzeit | |
nicht auf der Agenda. | |
U-Boote: Bei Nachverhandlungen mit ThyssenKrupp Marine Systems und dem | |
neuen Haupteigentümer der Athener Skaramanga-Werft, dem arabischen Konzern | |
Abu Dhabi Mar, wurde Anfang September ein Vertrag vereinbart, mit dem die | |
griechischen Marine zusätzlich zu den bereits gekauften vier neuen U-Booten | |
zwei weitere hochmoderne U-Boote bestellt hat, die auf der Athener | |
Skaramanga-Werft hergestellt werden sollen. Dafür wird die ursprünglich | |
vereinbarte Modernisierung alter U-Boote gestrichen. | |
Zuzüglich zu den bisher gezahlten 2,3 Milliarden Euro wird Athen dafür | |
weitere 1,3 Milliarden Euro zahlen müssen. Der Vertrag soll am 30. | |
September unterschrieben werden. Die Regierung hat vor, eines der neuen | |
U-Boote weiterzuverkaufen. | |
Die Rüstungsausgaben werden zwar gekürzt, aber die Verteidigungsausgaben | |
des Landes auf den Durchschnitt der europäischen Nato-Länder zu senken, ist | |
nicht beabsichtigt. | |
Dazu wäre neben drastischen Reduzierungen bei den Beschaffungskosten auch | |
eine Verringerung des Umfangs der Streitkräfte von gegenwärtig 156.000 | |
Soldaten notwendig. Griechenland mit seinen 11 Millionen Einwohnern hat | |
damit nur etwas weniger Soldaten, als Deutschland mit 82 Millionen | |
Einwohnern nach der von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg | |
geplanten Reform der Bundeswehr besäße. Ein solcher Truppenabbau aber ist | |
bisher nicht geplant. | |
Während die EU sich nicht gescheut hat, im sozialen Bereich konkrete, | |
drastische Einschnitte zu fordern, gibt es für die Rüstungsausgaben keine | |
vergleichbaren Vorgaben. Dabei könnte man die EU-Kredite mit einer | |
Verwendungssperre für neue Rüstungskäufe belegen, auch wenn dies deutschen | |
und französischen Rüstungskonzernen - wie wohl auch deren Regierungen - | |
nicht gefallen dürfte. | |
Militärisch wurden und werden die hohen Rüstungsausgaben Griechenlands | |
immer mit der "türkischen Gefahr" gerechtfertig. Gegen die Türkei mit ihren | |
77 Millionen Bürgern versuchte das kleine Griechenland ein gewisses | |
"strategisches Gleichgewicht" aufzubauen. | |
Zwar halten selbst griechische Sicherheitsexperten einen Angriff der Türkei | |
zur Besetzung griechischen Territoriums oder zur Eroberung der südlichen | |
Hälfte Zyperns nicht länger für wahrscheinlich. Allerdings existiert nach | |
wie vor die Sorge vor heißen Zwischenfällen. | |
Ein möglicher Auslöser: der Streit über den Status einzelner bewohnter und | |
unbewohnter griechischer Inseln - wie im Januar 1996, als ein Konflikt um | |
die 49 Hektar große unbewohnte Insel Imia Griechenland und die Türkei an | |
den Rand eines Krieges brachte. | |
Angesichts der weit verbreiteten und von vielen Medien geschürten Angst vor | |
der Türkei waren in Griechenland Rüstungsprogramme, bei denen vermutlich | |
auch Korruptionsgelder reichlich flossen, politisch einfach durchzusetzen. | |
Stimmen vor allem von linken Parteien nach einer drastischen Reduzierung | |
der Rüstungskosten galten fast schon als Landesverrat. | |
Jetzt hat die griechische Regierung beschlossen, eine neue Militärstrategie | |
und Militärstruktur zu erarbeiten. Dieser soll, so formuliert es | |
Verteidigungsminister Venizelos, eine "realistische" Bedrohungsanalyse | |
zugrunde gelegt werden. | |
Allemal hätte die griechische Regierung Spielräume, ihre Rüstungsausgaben | |
drastisch zu senken, ohne dabei die Sicherheit des Landes zu gefährden. | |
Sogar der vermeintliche Erzfeind könnte dabei helfen: Denn der türkische | |
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat vorgeschlagen, über niedrigere | |
Rüstungsausgaben zu sprechen. Auf dieses Angebot ist die griechische | |
Regierung bislang nicht eingegangen. | |
8 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
J. Grebe | |
J. Sommer | |
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