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# taz.de -- Medienpreis an Westergaard: Strenger Beigeschmack
> Die Bundeskanzlerin lobt die Veröffentlichung der islamkritischen
> Zeichnungen Westergaards. Ihre Laudatio aber strotzt nur so vor
> Selbstbeweihräucherung.
Bild: Lobte in ihrer Rede die europäische Pressefreiheit: Angela Merkel.
Beim Streit um die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen des dänischen
Zeichners Westergaard im Jahr 2005 ging es um die Meinungsfreiheit.
Diejenigen, die damals den Abdruck verteidigten, sahen dieses Grundrecht in
Gefahr. Sie fürchteten, dass die westlichen Regierungen dem Druck der
Massenproteste in der islamischen Welt künftig nachgeben würden, wenn es um
andere Menschen- und Bürgerrechte gehe: um die Gleichberechtigung der
Frauen, um sexuelle Selbstbestimmung, um die Trennung von Staat und Kirchen
beziehungsweise Religionsgemeinschaften. Insofern hatte der Streit um die
Mohammed-Karikaturen eine nützliche Funktion der Selbstverständigung, die
den Vorrang der Meinungsfreiheit vor der Respektierung religiösen Glaubens
und seiner Symbole zum Inhalt hatte. Und Westergaards Karikaturen hatten zu
dieser Klärung den Anstoß gegeben.
Dennoch war die Verleihung des Medienpreises am Mittwochabend, vor allem
aber die Laudatio der Bundeskanzlerin eine hoch problematische
Angelegenheit. Merkel statuierte, bezogen auf die Veröffentlichung der
Karikaturen, "das Geheimnis der Freiheit ist der Mut". Aber war es
tatsächlich mutig gewesen, sie abzudrucken? Damals sagte Dany Cohn-Bendit
der taz, das dänische Blatt hätte nie eine Kari abgedruckt, die das
Christentum oder das Judentum beleidigt hätte. "Dieses Ganze sich In-die
Brust-Werfen für die Meinungsfreiheit hat bei uns einen strengen,
heuchlerischen Geschmack". Dieses Urteil könnte sich auch auf Angela
Merkels Laudatio beziehen. Denn ihre These, die europäischen Staaten "seien
ein Ort, wo es möglich ist, derartige Zeichnungen zu veröffentlichen",
strotzt nur so vor Selbstbeweihräucherung und der Abgrenzung gegenüber
minder toleranten Weltgegenden.
Christliche Fundis
Damals war es offensichtlich, dass die Karikaturen den islamischen
Fundamentalisten dazu dienten, einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen
der islamischen Welt und dem "Westen" zu konstruieren, Hass zu schüren.
Aber hatte nicht auch ein christlicher Fundamentalist, George W. Bush,
durch die Beleidigung der Menschenwürde und des Islam im Foltergefängnis
Abu Ghraib das Gleiche getan? Und hatten nicht auch die Karikaturen
Westergaards in ihrer grobschlächtigen, beleidigenden Darstellung "des
Arabers" zu den nachfolgenden gewalttätigen Reaktionen eingeladen? Dennoch
war ihre Veröffentlichung durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Denn diese
Freiheit schließt Respektlosigkeit, Anstands- und Rücksichtslosigkeit
gegenüber den politischen Folgen geradezu systematisch ein. Auf einem
anderen Blatt steht allerdings, ob eine Laudatio wie die von Merkel als
Bundeskanzlerin die politischen Zusammenhänge von 2005, den drohenden
"Kampf der Kulturen" einfach ausblenden kann.
Die Bundeskanzlerin kritisierte auch die Ankündigung radikaler Christen in
den USA, anlässlich des Gedenktages zum 11. September öffentlich einen
Koran zu verbrennen. Dies sei "schlicht respektlos, abstoßend, einfach
falsch". Gut gesagt, aber wird eine solche Aktion in den USA durch die
Meinungsfreiheit in gleicher Weise gedeckt, wie die Mohammed-Karikaturen es
in Europa wurden? Merkel beantwortet diese Frage nicht, wie sie auch jede
Betrachtung unterlässt, auf welchem christlich-fundamentalistischem Boden
solche Koran-Verbrennungen gedeihen können.
Tatsache ist, die USA schützen die Meinungsfreiheit auf umfassende Weise.
Im ersten Amendment zur Verfassung heißt es "Congress shall make no law" ,
das die Meinungsfreiheit einschränkt. Weshalb das oberste Gericht der USA
es als geschützte Meinungsäußerung ansieht, die amerikanische Flagge aus
politischem Protest zu verbrennen. Solche Urteile könnten den christlichen
Spinnern als Präjudiz dienen.
Kann mit Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit die Verbrennung
verhindert werden? Eigentlich nicht. Aber jetzt versucht es die betroffene
Stadtverwaltung mit feuerpolizeilichen Mitteln. Die Veranstalter hätten es
versäumt, ein öffentliches Feuer anzumelden.
2006 forderte der islamische Autor Mohamed Kacini: Am besten nur lachen.
Die Ungläubigen mögen spotten, aber wenn es ums Spotten geht, ist Allah
unschlagbar.
9 Sep 2010
## AUTOREN
Christian Semler
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