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# taz.de -- Entschädigungen für Fluggäste: Airlines drücken sich
> Betroffene scheuen den Rechtsweg, Unternehmen stellen sich stur: Obwohl
> die EU 2005 die Rechte von Fluggästen gestärkt hat, gehen viele Reisende
> nach verspäteten Flügen leer aus.
Bild: Warten aufs Abheben: Passagiere auf dem Flughafen Frankfurt am Main.
BERLIN taz | Manch Reisender hat das schon erlebt: Am Flughafen angekommen
wird freundlich mitgeteilt, dass der Flug kurzfristig annuliert wurde oder
erst mit mehreren Stunden Verspätung abhebt. Oft liegen dann die Nerven
blank. Und oft bleibt die Sache auch weiter ärgerlich: Dann, wenn die
Kunden mit der Fluggesellschaft per Telefonhotline oder E-Mail-Verkehr in
eine Dauerauseinandersetzung darüber verwickelt werden, ob die Gesellschaft
anschließend eine Entschädigungszahlung leisten muss.
Eva Klaar, Reiserechtsberaterin bei der Verbraucherzentrale Berlin, kennt
das Phänomen. "Zu mir kommen die Leute, die irgendwann ohnmächtig aufgeben,
mit den Fluggesellschaften zu kommunizieren. Egal, wie korrekt sie mit dem
Gesetz argumentieren, die Gesellschaften sagen oft einfach: Das trifft
nicht zu", berichtet die Expertin.
Dabei sind im Sinne des Verbrauchers in den letzten Jahren recht eindeutige
Regelungen erlassen worden. Zuerst durch die im Februar 2005 in Kraft
getretene Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union. Diese ist
jeweils 2008, 2009 und 2010 durch Gerichtsentscheide des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesgerichtshofs präzisiert worden. Danach
haben Verbraucher, die von einem Flughafen in der EU aus starten oder aus
einem Drittstaat mit einem Luftfahrtunternehmen aus der EU in die EU
fliegen, bei verspäteten, annullierten oder überbuchten Flügen nicht nur
Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises oder kostenlose Weiterbeförderung
sowie - bei Verspätungen von mindestens zwei Stunden - auf Getränke,
Mahlzeiten, Telekommunikationsmöglichkeiten und gegebenenfalls ein Hotel.
Sondern auch auf eine Entschädigungszahlung, die, je nach Flugkilometern,
zwischen 250 und 600 Euro liegt.
Das betrifft ganz ausdrücklich auch verspätete Flüge, das hat der EuGH 2009
klar gestellt. Für Strecken bis 1.500 Kilometer Entfernung muss der
Reisende beispielsweise mindestens drei Stunden später am Zielort ankommen,
als ursprünglich geplant, um Anspruch auf eine Entschädigung zu erhalten.
Zahlen müssen die Fluggesellschaften nur dann nicht, wenn sie wegen
"höherer Gewalt" keine Schuld an den Annullierungen oder Verspätungen
trifft. Was das heißt, darüber wird gestritten. Schlechte Wetterbedingungen
fallen meist darunter. Bei technischen Defekten oder Streiks kommt es
hingegen auf die Umstände an.
"Viele Fluggesellschaften erstatten zwar den Flugpreis, aber die
Entschädigungszahlungen wehren sie ab", sagt Klaar. Oft ungerechtfertigt,
wie sie diagnostiziert. Bei Streiks käme es beispielsweise darauf an, "ob
der Arbeitskampf wirklich unerwartet war oder ob die Fluggesellschaft im
Vorfeld alles getan hat, ihn zu verhindern". Auch wenn die Fluggesellschaft
für ein erkranktes Crewmitglied nicht rechtzeitig Ersatz beschaffen kann,
muss sie dafür geradestehen und Entschädigungen zahlen.
Wie viele Personen sich als Einzelkämpfer darüber mit den
Fluggesellschaften herumstreiten, weiß niemand so richtig. Auf Nachfrage
berichtet das Luftfahrtbundesamt (LBA), dass bei der Behörde in diesem Jahr
bis zum 1. August bereits 1.761 Beschwerden in Sachen annullierte,
überbuchte oder verspätete Flüge eingegangen seien. Im Jahr 2009 waren es
3.063. Allerdings prüft das LBA nur, ob ein Verstoß gegen die
EU-Fluggastrechteverordnung vorliegt, der mit einem Bußgeld geahndet werden
kann. Für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, wie etwa
Entschädigungszahlungen, ist es nicht zuständig.
Geht es darum, melden sich viele irgendwann bei Klaar. Derzeit berät sie
allein in Berlin im Monat zwischen 50 und 80 Personen. Ist ein Fall
erfolgsversprechend, versucht sie, eine außergerichtliche Einigung mit der
Fluggesellschaft zu erreichen. In rund 50 Prozent der Fälle gelingt ihr
das. Scheitert sie, dann bleibt den Verbrauchern nur noch der Klageweg.
"Den scheuen sehr viele, ein Restrisiko, den Prozess zu verlieren, gibt es
ja immer", sagt Klaar.
Damit sich an der widerwilligen Anwendung der EU-Verordnung durch die
Fluggesellschaften etwas ändert, haben die Verbraucherzentralen im Mai eine
bundesweite Umfrage unter Flugreisenden gestartet. Sie ist auf ihren
Internetseiten abrufbar und läuft noch bis Ende September.
"Mit den Ergebnissen wollen wir klarmachen, dass die Fluggesellschaften in
vielen Fällen ihren Verpflichtungen aus der Verordnung nicht nachkommen und
die Verbraucher in der Ecke stehen bleiben, wenn sie sich nicht trauen, zu
klagen", sagt Klaar.
12 Sep 2010
## AUTOREN
Eva Völpel
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