# taz.de -- Kinderzirkus Kabuwazi: Rettung als Drahtseilakt | |
> Für den von der Pleite bedrohten Kinderzirkus Cabuwazi gibt es jetzt | |
> einen Investor. Doch viele Mitarbeiter lehnen ihn ab - denn er ist ihr | |
> früherer Chef | |
Bild: Im Zirkus kann man was fürs Leben lernen | |
Die Jugendlichen hatten selbst zur Pressekonferenz gerufen, um ihren Zirkus | |
zu retten. Mit einer Showeinlage aus Akrobatik, Breakdance und Jonglage | |
zeigten die 8- bis 16-jährigen Nachwuchsakrobaten am späten | |
Mittwochnachmittag, was sie im Kinderzirkus Cabuwazi alles gelernt hatten. | |
Anschließend wandten sie sich an das Publikum. "Ich will nicht, dass der | |
Cabuwazi untergeht", sagte die achtjährige Sahra, "der Zirkus ist so | |
wichtig für uns." Das Zelt an der Wiener Straße in Kreuzberg war bis auf | |
den letzten Platz besetzt, auch zahlreiche Eltern waren gekommen. Die | |
Geschäftsführerin des Cabuwazi-Vereins hatte Mitte Juli wegen drohender | |
Zahlungsunfähigkeit Insolvenz angemeldet. | |
Nach den Auftritten meldete sich Insolvenzverwalter Torsten Martini zu | |
Wort: Er habe einen potenziellen Käufer gefunden. Die Grenzkultur gGmbh sei | |
bereit, den Zirkus an allen fünf Standorten fortzuführen, und wolle einen | |
Großteil der Arbeitsplätze übernehmen. | |
Eigentlich ein Grund zur Freude. Denn bis zum 30. September muss ein neuer | |
Träger für den "Chaotisch-bunten Wanderzirkus" gefunden sein. Grenzkultur, | |
Betreiber des zirkuspädagogischen Projekts Shake am Ostbahnhof, scheint da | |
wie der Retter in der Not. Stattdessen: Empörung im Publikum. "Welche | |
Interessen hat der Träger?", fragt eine Mutter. | |
Der Bewerber ist im Zelt kein Unbekannter: Hinter Grenzkultur steckt Karl | |
Köckenberger, Mitbegründer und ehemaliger Vorstand des Cabuwazi. 2007 | |
musste er seinen Posten wegen interner Differenzen aufgeben. "Er wollte | |
unseren Zirkus kommerzialisieren", erzählt eine Mitarbeiterin. "Seitdem | |
wartet er nur darauf, uns zu übernehmen." Eine Kollegin geht noch weiter: | |
"Wenn der Cabuwazi an Köckenberger geht, verkaufen wir unsere Seele." | |
Köckenberger, der bei der Vorstellung im Zelt nicht anwesend war, | |
verteidigte sich später am Telefon. Ihm gehe es nicht um finanzielle | |
Interessen, sagt er der taz. "Ich habe selbst 15 Jahre im Cabuwazi | |
gearbeitet, deshalb hänge ich an dem Projekt." Den Unmut des Kreuzberger | |
Publikums versteht er nicht: Zwar sei er im Streit geschieden, doch ein | |
Großteil der Mitarbeiter wolle nun seine Hilfe, man habe ihn darum gebeten. | |
"Nur wenn wir gemeinsam anpacken, können wir dieses Angebot für Berlin | |
erhalten." | |
Köckenberger hat den Kinderzirkus Cabuwazi 1993 mitbegründet. In einem | |
Hinterhof übte er mit Nachbarskindern das Einradfahren, 1994 wurden die | |
ersten Zelte in Alt-Treptow und Kreuzberg eröffnet. Heute hat der Cabuwazi | |
33 festangestellte Mitarbeiter. An fünf Standorten nehmen etwa 700 Kinder | |
und Jugendliche jährlich am kostenlosen Training teil. Der Etat beträgt | |
jährlich rund 1,5 Millionen Euro. Nicht einmal die Hälfte speist sich aus | |
einer Grundförderung der drei Bezirke, in denen die Zirkusarbeit angeboten | |
wird. Der Rest muss durch Projektanträge und Spenden gedeckt werden. | |
Doch der Zirkus versäumte es, sich rechtzeitig um Fördergelder zu kümmern. | |
"Die Entwicklung von Anschlussprojekten wurde 2009 versäumt", sagte Petra | |
Burkert, seit Januar Geschäftsführerin des Cabuwazi. Als sie nach ihrem | |
Amtsantritt die Lücken in der Planung bemerkte, war es für eine Förderung | |
zu spät. | |
Burkert kennt die Animositäten gegen Köckenberger. Doch zwei Wochen vor | |
Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Verkauf an ihn die "einzige | |
gangbare Lösung". Wenn sich bis Ende September kein anderer Käufer findet, | |
so der Insolvenzverwalter, werden sich die Zirkus-Mitarbeiter mit ihrem | |
früheren Chef abfinden müssen. Die Alternative wäre die Schließung aller | |
Standorte. | |
16 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Rojkov | |
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