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# taz.de -- Versammlung der taz-Genossenschaft: Wir sind viele
> Die taz vermeldet Gewinne, lässt für die Generalversammlung die AKW-Demo
> sausen und streitet über die Bezahlung der Korrespondenten im In- und
> Ausland.
Bild: Nicht alle Entscheidungen waren so einfach: taz-Genossen bei der Abstimmu…
BERLIN taz | Hermann-Josef Tenhagen wäre am liebsten gar nicht hier. Gleich
zur Begrüßung sagt er, dass er in diesem Moment gern woanders wäre, nämlich
ein paar Straßen weiter, auf der Anti-Atom-Demonstration. Damit steht der
Aufsichtsrat nicht allein. So mancher der anwesenden 300 Genossinnen und
Genossen meint, man könne sich nicht im Haus der Heinrich-Böll-Stiftung zur
Genossenschaftsversammlung treffen, während sich draußen der Widerstand
gegen die Atomkraft formiere.
Dennoch wird der Antrag, die Versammlung zugunsten der Demo zu
unterbrechen, abgelehnt. Ein Teil der Anwesenden verzichtet dann auf die
Geschäftszahlen und macht sich zur Demo auf, um erst zur Diskussion
zurückzukommen. Dabei sind die Zahlen alles andere als zum Weglaufen: Im
Jahr 2009 hat die taz 300.000 Euro Gewinn erwirtschaftet, den ersten Gewinn
seit 15 Jahren überhaupt. Außerdem kommt sie mittlerweile fast ohne Kredite
aus, weshalb Aufsichtsrat Tenhagen der taz zu ihrem "erfolgreichsten Jahr
in diesem Jahrtausend" gratuliert.
Richtig feierlich wird es, als das zehntausendste Mitglied der
Genossenschaft vorgestellt wird: Fabian Overlach aus Freiburg zeichnete
seinen Anteil mit den Worten "für 30 weitere Jahre Widerstand und
Aufklärung". Der 39-jährige Sprachwissenschaftler konnte zwar nicht nach
Berlin kommen, doch seine Botschaft wird verlesen und mit tosendem Applaus
begrüßt. "Allein in der letzten Woche sind über 150 neue Mitglieder
beigetreten", freut sich Konny Gellenbeck vom Genossenschaftsteam.
Dann geht es mit notwendigen Formalia weiter: Entlastung des Vorstands und
des Aufsichtsrats, Berichte des Wirtschaftsprüfers, kleinere Änderungen, um
die Satzung an die neue Zahl von über 10.000 GenossInnen anzupassen.
Verschiedene Meinungen gibt es zur Frage, wie viele Anteile ein Mitglied
der Genossenschaft maximal zeichnen sollte. Bisher waren 50 Anteile à 500
Euro möglich, die neue Satzung sieht 200 Anteile vor - also bis zu 100.000
Euro. Mit dem Verweis darauf, dass jedes Mitglied immer nur eine Stimme
hat, wird die neue Satzung angenommen.
Schließlich werden Hermann-Josef Tenhagen und Johannes Rauschenberger als
Mitglieder des Aufsichtsrats im Amt bestätig sowie Stefanie Urbach und
Bernd Müllender als Ersatzmitglieder gewählt.
Erst danach kommt die Versammlung auf das umstrittenste Thema des Tages:
die Bezahlung der taz-Auslandskorrespondenten. Einige von ihnen hatten sich
im Laufe der Woche mit einem viertägigen Streik gegen die Finanzpläne der
Chefredaktion gewehrt. In einem Antrag fordern sie die Genossenschaft dazu
auf, sich gegen die Kürzung der Pauschalen und für eine Erhöhung des
Auslandsetats auszusprechen.
Die angereisten vier Korrespondenten kritisieren, dass ihre Verträge
gekündigt wurden, um ihnen dann zu schlechteren Bedingungen wieder
vorgelegt zu werden. "Das erinnert mich an die Discountermethode," sagt
Karim El-Gawhary aus Kairo. Ulrike Herrmann, Vorstandsmitglied und
Wirtschaftsautorin, hält dagegen: Die taz müsse auf globale Veränderungen
reagieren und das Geld an die jeweils richtigen Stellen verteilen. Und
trotz des Gewinns sei Zurückhaltung geboten. Denn das Jahr 2009 sei wegen
des 30-jährigen taz-Geburtstags ein finanzieller Sonderfall gewesen.
Ines Pohl und Reiner Metzger erklären die Sichtweise der Chefredaktion und
die Schwierigkeiten, Gerechtigkeit für alle zu schaffen und dabei trotzdem
die Strukturen zu erneuern. Einige der BerichterstatterInnen würden von den
Änderungen auch direkt profitieren.
In der hitzigen, teilweise chaotischen Diskussion fallen Begriffe wie
"Flexibilität", "neoliberaler Scheiß", "Solidarität" und "soziale
Verantwortung". Ein Genosse ruft: "Nur wenn wir uns verändern, sind wir
wir!" Viele GenossInnen betonen die Einzigartigkeit der
taz-Auslandsberichterstattung, wollen sich aber "keinen Zahlenspielen
hingeben". Letztlich entscheidet man mit knapper Mehrheit, über den Antrag
der Korrespondenten nicht abzustimmen. Ein Alternativantrag, der die
Einigung mithilfe eines Mediators bis April 2011 vorsieht, wird abgelehnt.
Ähnlich verläuft die Diskussion über einen Antrag der
Inlandskorrespondenten. Darin wird gefordert, die taz solle ihre
Korrespondenten in Zukunft nach den gesetzlichen Vergütungsregeln bezahlen.
Seit Januar 2010 ist gesetzlich geregelt, wie hoch ein angemessenes
Zeilengeld konkret sein sollte. Zurzeit zahlt die taz teilweise viel
weniger. Auch hier entschied sich die Genossenschaft gegen die Abstimmung
über den Antrag - es sei eine redaktionelle Aufgabe und nicht die der
Genossenschaft, sich über gerechte Bezahlung und Verteilung des Etats zu
streiten.
19 Sep 2010
## AUTOREN
Margarete Stokowski
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