# taz.de -- Neuberechnung des Arbeitslosengeldes: Schlacht um die Hartz-Sätze | |
> Die Opposition befürchtet, dass die Arbeitsministerin die Hartz-IV-Sätze | |
> kleinrechnet. Einige Koalitionspolitiker kritisieren, dass von der Leyen | |
> die Ausgaben zu hoch kalkuliert. | |
Bild: Über die Neubrechnung der Hartz-IV-Sätze wird zur Zeit intensiv diskuti… | |
BERLIN taz | Einen Tag nachdem Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen | |
(CDU) ihren Gesetzentwurf zur Neuregelung der Hartz-IV-Sätze vorgelegt hat, | |
hat das Gezerre um die konkrete Höhe dieser Sätze begonnen. | |
Wie hoch der Regelsatz künftig ausfällt, darüber will die Arbeitsministerin | |
erst am kommenden Montag informieren. Am Dienstag wurde jedoch bekannt, | |
dass am Sonntagabend der Koalitionsausschuss mit Kanzlerin Angela Merkel | |
über die Höhe des künftigen Regelsatzes beraten will. | |
Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) zeigte sich bemüht, dies als normalen | |
Schritt der Informationspolitik darzustellen. Doch von der Leyen wird aus | |
den eigenen Reihen erheblich unter Druck gesetzt. "Die Ministerin weiß, | |
dass die 480 Millionen Euro, die vorsorglich in den Haushalt eingestellt | |
wurden, die Obergrenze sind", sagte Norbert Barthle, haushaltspolitischer | |
Sprecher der Unionsfraktion, der taz. | |
Doch auf rund 500 Millionen Euro werden im Gesetzentwurf allein die | |
jährlichen Ausgaben für das sogenannte Bildungspaket beziffert, mit dem 1,7 | |
Millionen Kindern im Hartz-IV-Bezug künftig Sport- und Musikunterricht, | |
Nachhilfeunterricht oder Klassenfahrten finanziert werden sollen. Für | |
alles, was über 480 Millionen Euro liege, erwartet Barthle | |
Finanzierungsvorschläge aus dem Ministerium, sprich: müsste das BMAS an | |
anderer Stelle streichen. Zudem behält sich Barthle vor, am Sonntag "noch | |
korrigierend in den Gesetzentwurf einzugreifen". | |
In der Opposition nähren solche Aussagen die Befürchtung, das Ministerium | |
könnte die Regelsatzzahlen politisch gewollt niedrigrechnen. Erneut wiesen | |
Stimmen aus allen drei Oppositionsparteien auf voneinander unabhängig | |
Quellen, nach denen das BMAS bei seinen Berechnungen auf eine Regelsatzhöhe | |
von 420 Euro gekommen sei, jedoch die Losung ausgegeben habe, der Satz | |
dürfe nicht über 400 Euro steigen. Derzeit liegt er für Erwachsene bei 359 | |
Euro. | |
Anette Kramme, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, kritisierte | |
zudem, dass im Gesetzentwurf eine Darstellung der Berechnungsgrundlage | |
fehle. "Das lässt befürchten, dass das Ministerium mit den Zahlen spielt", | |
sagte sie zur taz. Das BMAS wies am Dienstag darauf hin, man werde "das | |
Existenzminimum anhand statistischer Daten und Verfahren transparent und | |
nachvollziehbar berechnen". | |
Bekannt ist bisher nur, dass im Unterschied zu früheren Rechenverfahren zur | |
Ermittlung der Hartz-IV-Sätze nicht nur die Ausgabensituation der untersten | |
20 Prozent der Singlehaushalte, sondern auch von Familien mit einem Kind | |
als Vergleichsmaßstab berücksichtigt werden sollen. | |
"Doch sogenannte Aufstocker und Menschen in verdeckter Armut werden auch | |
berücksichtigt, das ist nicht sachgerecht", sagte Markus Kurth, | |
sozialpolitischer Sprecher der Grünenfraktion, zur taz. Das Vorgehen führe | |
zu Zirkelschlüssen und drücke die Hartz-IV-Sätze. Kurth bemängelte, dass | |
das BMAS die Rohdaten aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, auf | |
denen alle Berechnungen beruhen, "besser schützt als der | |
Bundesnachrichtendienst. Damit haben wir im parlamentarischen Prozess kaum | |
Zeit, die Daten zu bewerten". Das BMAS bestätigte jedoch, es sei geplant, | |
"alle Berechnungsgrundlagen und -verfahren nachvollziehbar darzustellen". | |
Die Opposition erwartet, dass das spätestens am Montag geschieht. | |
Bedenken, ob der Gesetzentwurf verfassungskonform ist, äußerten unterdessen | |
Manuela Schwesig, sozialdemokratische Sozialministerin von | |
Mecklenburg-Vorpommern, und Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des | |
Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Beide bezogen sich darauf, künftig die | |
Entwicklung der Hartz-IV-Sätze zu 70 Prozent an die Preis- und zu 30 | |
Prozent an die Nettolohnentwicklung zu koppeln. Die Kopplung an die Renten | |
hatte das Bundesverfassungsgericht untersagt. Schneider wies darauf hin, es | |
gebe immer mehr Niedriglöhne, die man nicht zum Maßstab für das | |
Existenzminimum nehmen könne. Er forderte, die Sätze zu 100 Prozent an die | |
Preisentwicklung zu koppeln. | |
21 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |