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# taz.de -- Commonwealth Games in Indien: Ein teures Chaos
> Hunderte Spitzensportler werden in diesen Tagen in Neu-Delhi erwartet.
> Doch statt Delegationen und bejubelter Stars trudeln immer mehr Absagen
> ein.
Bild: Streunende Hunde im Sportlerdorf? Nicht alle sind davon begeistert.
NEW DELHI taz | Sieben Jahre hatte die indische Hauptstadt Zeit, sich auf
die Mini-Olympiade vorzubereiten, bei der die Teams der früheren britischen
Krone gegeneinander antreten. Obwohl die Spiele in knapp zehn Tagen
beginnen, wird immer noch hektisch gebaut, gebuddelt und gestrichen.
Die Torschlusspanik hat ihren Preis: Am Dienstag brach eine hundert Meter
lange Fußgängerbrücke zum Hauptstadion ein und verletzte mindestens 25
Arbeiter, am Mittwoch gab eine Zwischendecke im Gewichtheber-Bereich der
Arena nach. Die ganze Veranstaltung steht auf der Kippe.
Denn die Sportler aus Südafrika, Schottland, Kanada, Neuseeland,
Australien, Wales und England haben ihre Abreise verschoben, nachdem ihre
Vorhut katastrophale Berichte über die Lage in den Sportstätten und im
Sportlerdorf in die Heimat übermittelte. Das Dorf sei " unsicher und für
menschliches Leben nicht geeignet", erklärten die Schotten, die selbst Hand
angelegten, um ihre Behausung zu putzen. Denn in den Unterkünften fanden
die Angereisten Straßenhunde in den Betten und "menschliche Exkremente, wo
sie nicht hingehörten".
Nur 18 von 34 Gebäuden sind überhaupt fertig gebaut. Die elektrischen
Leitungen sind vielfach fehlerhaft verlegt und gefährlich, zudem steht
wegen des vielen Regens die Umgebung unter Wasser. Mücken, die Krankheiten
wie Malaria und Dengue-Fieber übertragen, brüten dort.
Viele bleiben lieber gleich daheim. Der schnellste Mann der Welt, Jamaikas
Sprinter Usain Bold, kommt nicht. Die britische Königin schickt zur
Eröffnungsfeier lieber ihren Sohn Prince Charles. "Sorry, ich muss an meine
Kinder denken", begründete der englische Dreispringer Phillips Idowu seine
Absage. "Es wird alles gut werden", versicherte Indiens Außenminister S. M.
Krishna. "Die Athleten werden glücklich sein. Die Spiele werden ein voller
Erfolg."
Auch andere glauben, dass es mit den Spielen wie mit einer typisch
indischen Hochzeit ist: laut, chaotisch und auf den letzten Drücker
vorbereitet, doch am Ende klappt alles wundersam. Hektisch wird neuerdings
auf höchster politischer Ebene verhandelt: Michael Fennell, der Präsident
der Spiele, wollte am Donnerstagabend in Delhi eintreffen, um mit Indiens
Premierminister Manmohan Singh ein Krisengespräch zu führen.
Indiens Medien glühen vor Wut. Schon seit Monaten hatten sie die schlechte
Vorbereitung und das Schneckentempo der Baumaßnahmen angeprangert: "Wie
eine Cricket-Mannschaft außer Form schauen die Organisatoren auf das
schlechte Wetter, um eine Entschuldigung zu finden", schrieben sie. Schon
jetzt habe Indien gezeigt, wie weit der Weg noch sei, um China als
Supermacht die Hand zu reichen, vermerkten Kommentatoren.
Denn der indische Organisator Suresh Kalmadi hatte den Mund sehr voll
genommen und versprochen, die Spiele in Delhi würden besser werden als die
Olympiade in Peking, die China 2008 mit kalter Perfektion gemeistert hatte.
Die Commonwealth-Spiele sind Indiens erste große Sportveranstaltung seit
den Asian Games 1982.
Die unzureichende Vorbereitung der Spiele zeigt die Schwachstellen Indiens:
Korruption und balkanisierte Entscheidungsstrukturen verzögerten den
Baubeginn um knapp fünf Jahre. Die Kosten liefen aus dem Ruder: Mit mehr
als sechs Milliarden US-Dollar sind es inzwischen die teuersten
Commonwealth-Spiele aller Zeiten - angesetzt waren 100 Millionen.
Der Mangel an Fachkräften, fähigen Bauarbeitern und Qualitätskontrollen
machte die Bauphase dann zum Vabanque-Spiel. Bei der vielen Kritik geht
fast unter, dass wichtige Projekte in Delhi endlich fertig sind: Die
Millionen-Metropole hat einen neuen Flughafen und eine neue Metrolinie, die
bleiben, auch wenn die Sportler nicht kommen sollten. Eine Blamage wäre es
dennoch.
Auch wenn Indien alles andere als sportversessen ist - außer, wenn es um
das Nationalspiel Cricket geht. Anders als China hat das Land mit seinen
mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern keinen einzigen Weltklasse-Athleten.
Trainingsmöglichkeiten für Sportler sind kaum vorhanden. Weniger als zwei
Prozent der Schulen im Land haben überhaupt Sportplätze.
Seit Hockey nicht mehr auf Gras, sondern auf teurem Kunststoffrasen
gespielt wird, ist das indische Team, das früher bei Weltmeisterschaften
vorn mitspielte, chancenlos. Die Commonwealth Games werden daran nur wenig
ändern.
23 Sep 2010
## AUTOREN
Agnes Tandler
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