# taz.de -- Streit der Woche: Darf der Staat bestimmen, wie Arbeitslose leben? | |
> Hartz IV-Empfänger sollen statt Geld für Tabak oder Tiernahrung | |
> Gutscheine für den Musikunterricht ihrer Kinder bekommen. Hat der Staat | |
> zu viel Einfluss? | |
Bild: Hat ausrechnen lassen, was man in Deutschland zum Leben braucht: Arbeitsm… | |
Arbeitslos zu sein, ist zwar nie besonders schön, doch derzeit kann es | |
besonders peinlich sein. In aller Öffentlichkeit wird verhandelt welches | |
Leben man führen sollte, welches Leben man führen darf, und die gesamte | |
Republik redet mit. Und die Regierung rechnet mit allen aus, was das | |
mindeste ist, das man braucht, um in dieser Gesellschaft zu leben. | |
Wer Arbeitslosengeld II – auch Hartz IV genannt - bekommt, erhält 359 Euro, | |
bald sollen es 364 werden. Ausgaben für Alkohol, Tabak, Schnittblumen, | |
Pauschalreisen, Tiernahrung und Gartenpflege werden nicht berücksichtigt, | |
denn sie gehören laut Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht | |
zum Grundbedarf. Das heißt, wenn Langzeitarbeitslose sich ein Bier oder | |
eine Zigarette leisten, ein Haustier oder einen Garten haben, müssen sie | |
auf andere Dinge verzichten. Dinge, die laut Regierung zum Existenzminimum | |
gehören und eigentlich unverzichtbar sind. | |
Doch die Regierung nimmt auch anders Einfluss auf den Lebensstil von Hartz | |
IV-Empfängern. Für die „soziale Teilhabe“ von Kindern gibt es einen | |
monatlichen Betrag, der aber nur als Gutschein ausgehändigt wird. Der kann | |
beispielsweise für Musikunterricht oder Mitgliedsbeiträge bei Sportvereinen | |
ausgegeben werden. Auch hier steuert der Staat, wie Kinder in armen | |
Familien ihre Freizeit verbringen, denn der Gutschein kann nicht alternativ | |
für einen Familienausflug bezahlen. | |
Andererseits gibt natürlich kein Hartz-IV-Empfänger das Geld so aus, wie es | |
die Regierung vorbestimmt hat. Arbeitslose entscheiden selbständig, wie sie | |
haushalten und wofür sie das Geld, das sie haben, ausgeben. Das Geld ist | |
zwar wenig, aber genug um zu überleben. Es darf ihnen ja auch nicht besser | |
gehen als denen, die täglich arbeiten und auch wenig Geld haben. Und | |
schließlich darf das Geld, für das die Regierung dem Steuerzahler | |
Rechenschaft schuldet, nicht unkontrolliert ausgegeben werden. Mit | |
Bildungsgutscheinen kommt das Geld auch bei den Kindern an, für die es | |
bestimmt ist, und kann nicht für Dinge ausgegeben wird, für die es nicht | |
bestimmt ist. | |
Dass die Möglichkeiten von Arbeitslosen eingeschränkt sind, ist der Armut | |
geschuldet, nicht dem Arbeitslosengeld. Im Gegenteil, Hartz IV und andere | |
Transferleistungen verringern das Armutsrisiko erheblich: Dem aktuellen | |
Armutsbericht der Regierung zufolge sank bei Erwachsenen das Risiko von 26 | |
auf 13 Prozent, bei Kindern sogar von 34 auf 12 Prozent. | |
Ist es also gerecht, dass der Staat einen größeren Einfluss auf den | |
Lebensstil armer Leute hat? | |
Was meinen Sie - Darf der Staat bestimmen, wie Arbeitslose leben? | |
28 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Lalon Sander | |
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