# taz.de -- Ausstellung über Kolonialgeschichte: Von Feldherrn und Freiheitsk�… | |
> Die Ausstellung "freedom roads" fordert die Umbenennung von Weddinger | |
> Straßen. | |
Bild: Bekleckerte sich nicht mit Ruhm und ziert trotzdem ein Straßenschild: Ko… | |
Afrika liegt mitten in Wedding. Die Togo- und die Kongostraße lassen den | |
Kontinent erahnen - nur wie ist er dorthin gekommen? Meist wird auf Carl | |
Hagenbeck verwiesen, der vor dem Ersten Weltkrieg einen Zoo in dem Bezirk | |
plante. "Ein Irrglaube", sagt Christian Kopp vom Verein Berlin | |
Postkolonial. Vielmehr sollte das Afrikanische Viertel den vier Kolonien | |
huldigen, die bis zum Ersten Weltkrieg dem Deutschen Reich gehörten: | |
Namibia, Tansania, Kamerun und Togo. So entstanden in Wedding | |
bedeutungsschwere Orte wie die Sansibar- oder die Guineastraße. | |
Dieses Kapitel deutscher Geschichte hat Kopp gemeinsam mit der Hamburger | |
Künstlerin HM Jokinen aufgearbeitet: Die Ausstellung "freedom roads" | |
erzählt vom Afrikanischen Viertel und seinen Anfängen - und ist verbunden | |
mit der Forderung, drei Straßen umzubenennen. | |
Der kleine Raum im August-Bebel-Institut in Wedding ist vollgepackt mit | |
postkolonialer Erinnerungskultur. Bunte Masken aus Kakao oder Kupfer | |
gedenken Afrikas traditioneller Seite. In der Mitte des Raums haben | |
Besucher eigene Souvenirs angebracht: ein Stempel zum Bedrucken von | |
Stoffen, eine vergilbte Papiertüte mit dem Aufdruck "Feinkost und | |
Kolonialwaren". Die Ausstellung präsentiert sich multimedial: An eine Wand | |
werden Bilder von Kundgebungen afrodeutscher Vereine geworfen, in | |
Videobotschaften erzählen Afrikaner von der Zeit vor der Unabhängigkeit. | |
Gleichzeitig bemüht sich "freedom roads" um eine Balance zwischen | |
Ausstellung und Mahnmal. Die Infotafeln sind deshalb in schwarz gehalten. | |
"Schließlich geht es um Ausbeutung und Völkermord", so Kopp. | |
Am wichtigsten für den 42-Jährigen sind aber die Straßenschilder, die in | |
den Ecken des Raumes platziert sind: "Nachtigalplatz", "Lüderitzstraße" und | |
"Petersallee". Diese drei Straßen sollen nach dem Wunsch des Vereins | |
umbenannt werden, schließlich erinnern sie an die Begründer von deutschen | |
Kolonien in Süd- und Westafrika. Gustav Nachtigal etwa errichtete Ende des | |
19. Jahrhunderts eine "Schutzherrschaft" in Togo, Carl Peters war ein | |
Verfechter der arischen Rassenlehre und ermordete seinen afrikanischen | |
Diener. Auch zu diesem schweren Thema findet die Ausstellung einen Zugang: | |
Nach der Lektüre können Besucher auf einem Mobile einen neuen Namen für die | |
Straße vorschlagen. | |
Seit 2004 arbeitet Christian Kopp an einer kritischen Auseinandersetzung | |
mit den Straßennamen. Sein Verein ist gut vernetzt: Gemeinsam mit | |
Partnerorganisationen leistet Berlin Postkolonial deutschlandweit | |
Aufklärungsarbeit. Einen Erfolg hat er in Berlin schon erwirkt: Auf | |
Initiative des Vereins wurde im Februar 2010 das Gröbenufer in Kreuzberg | |
umbenannt. Otto Friedrich von Gröben hatte Ende des 17. Jahrhunderts rund | |
20.000 Menschen aus Ostafrika in die Karibik verschifft. Heute heißt die | |
Straße nach May Ayim, Dichterin und afrodeutsche Aktivistin. "Wir wollten | |
eine Umkehr der Perspektive", sagt Kopp. "Vom Kolonialherren zur | |
Freiheitskämpferin." | |
Bis zur Umbenennung der drei anderen Straßen ist es für Berlin Postkolonial | |
aber noch ein langer Weg. Der Kreisverband SPD Mitte setzt sich nach | |
eigenen Angaben zwar für die Namensänderung ein. Einen entsprechenden | |
Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung gebe es aber noch nicht. Auch | |
die Anwohner wollen meist ein Wörtchen mitreden. "Erfahrungsgemäß sind sie | |
eher dagegen", weiß Kopp. Wenn sich der Straßenname ändert, muss auch die | |
Adresse auf Personalausweis und Fahrzeugschein angepasst werden. Nicht | |
jedem sei das den Aufwand wert. | |
Kopp hofft trotzdem auf das Verständnis der Menschen in Wedding. "Die | |
Umbenennung ist eine Frage der Gerechtigkeit. Da geht es um die Wurzeln des | |
Rassismus." Deshalb sei die Ausstellung auch ins August-Bebel-Institut | |
gezogen. Ganz nah an das Afrikanische Viertel. | |
29 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Rojkov | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |