# taz.de -- Parlamentswahl in Bosnien-Herzegowina: In Foca regiert die Toleranz | |
> Während des Krieges gab es in Foca Vergewaltigungslager in Turnhallen, es | |
> wurde gefoltert. Focas heutiger Bürgermeister will die Region | |
> voranbringen und das geteilte Land einen. | |
Bild: Panoramablick auf Foca. | |
Heute geht Hoffnung aus von diesem einstmals berüchtigten Ort im Tale der | |
Drina. Die Stadt hat ihren alten Namen zurück, der serbische Bürgermeister | |
Zdravko Krsmanovic wirbt für das friedliche Zusammenleben der Menschen in | |
Bosnien und Herzegowina, diesem geteilten Land, das aus der | |
muslimisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska besteht. | |
Während des dreieinhalb Jahre währenden Krieges war das in Südbosnien | |
gelegene Foca, das heute zur Republika Srpska gehört, wohl einer der | |
berüchtigsten Orte. Als im Mai 1992 bosnisch-serbische Truppen den Ort | |
einnahmen, ermordeten und folterten sie hunderte muslimische Männer, | |
zerstörten die 15 Moscheen des Ortes und missbrauchten hunderte von Frauen | |
und Mädchen. Die Turnhalle der in Srbinje umgetauften Stadt wurde zum | |
Vergewaltigungslager. Bis heute hat sich das zwischen Bergen liegende | |
Städtchen wirtschaftlich und kulturell noch nicht vom Kriege erholt, der | |
Bürgermeister jedoch möchte die Region voranbringen. "Und das geht nur über | |
Zusammenarbeit und Überwindung der Teilung unseres Landes," sagt der | |
schlanke 51-Jährige. | |
Deshalb hat Krsmanovic mit der stromabwärts kaum 30 Kilometer entfernten | |
bosniakisch-muslimischen Enklave Gorazde vielfältige Kontakte geknüpft. | |
Heute treffen sich Sportteams, es gibt gegenseitige Besuche und gemeinsame | |
kulturelle Veranstaltungen, ein gemischtes Paar wurde zum Wohlgefallen des | |
Bürgermeisters kürzlich getraut. | |
Doch die Führung der serbischen Teilrepublik sieht in den Aktivitäten | |
Krsmanovic und seines Partners aus Gorazde, Muhamed Ramovic, eine | |
Aufweichung der eigenen Machtposition. Der Ministerpräsident der Republika | |
Srpska, Milorad Dodik, möchte die ethnische Teilung Bosniens beibehalten. | |
Und so torpediert Banja Luka alle Versuche der Zusammenarbeit. Beispiel | |
Müllbeseitigung: 10 Millionen Euro hat die Weltbank dafür zur Verfügung | |
gestellt, allerdings unter der Bedingung, dass die serbischen Gemeinden mit | |
der bosniakischen kooperieren. Das haben drei der neun serbischen Gemeinden | |
abgelehnt, auf Wink aus Banja Luka. Damit liegt das Projekt auf Eis. | |
Bürgermeister Krsmanovic fordert mehr Autonomie der Gemeinden gegenüber der | |
Zentralmacht in Bosnien und Herzegowina, auch als Kernpunkt einer | |
Verfassungsreform. Deshalb bewirbt er sich bei der Parlamentswahl am 3. | |
Oktober um ein Mandat. Seine Chancen stehen gut. Zweimal wurde das Mitglied | |
der Neuen Sozialistischen Partei mit über 60 Prozent der Stimmen in Foca | |
zum Bürgermeister gewählt. Laut Umfragen ist er der drittbeliebteste | |
Politiker auf serbischer Seite, nach Ministerpräsident Milorad Dodik und | |
Serbiens Präsident Boris Tadic, der natürlich nicht zur Wahl steht. | |
"Bosnien und Herzegowina ist mein Land, es ist wunderschön, wir haben gute | |
Leute, wir könnten, wenn wir zusammenarbeiten, vor Serbien und Kroatien | |
rangieren und einen Weg nach Europa finden", sagt Krsmanovic. "Europa und | |
die USA sollten begreifen, dass mit dem Vertrag von Dayton 1995 unser Land | |
ihr Baby geworden ist. Deshalb dürfen Europa und die USA das Kind nicht | |
alleine lassen." Der Bürgermeister Gorazdes bewundert den Mut Krsmanovic. | |
Viele Mitstreiter fürchten, Krsmanovic könnte einem Anschlag zum Opfer | |
fallen. Der lächelt nur. "Sollten sie mich töten, werden andere meine | |
Aufgabe übernehmen. Die Idee eines toleranten Zusammenlebens ist nicht zu | |
töten." | |
29 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |