# taz.de -- Oswalt Kolle ist tot: Abschied vom Untenrum-Papst | |
> Er war Journalist, Autor und Filmemacher, berühmt aber wurde er als | |
> "Aufklärer der Nation". Nun ist Oswalt Kolle im Alter von 81 Jahren in | |
> Amsterdam gestorben. | |
Bild: Oswalt Kolle 1969 als junger Filmemacher. Nun ist er im Alter von 81 Jahr… | |
BERLIN taz | Er konnte mächtig laut werden, dieser Oswalt Kolle. Vor allem, | |
wenn es gegen die katholische Kirche und deren Sexualmoral ging, um | |
Verklemmungen und Lügen in Bezug aufs Körperliche – da wurde er sehr | |
ungehalten. Sonst aber war er ein sinnenfroher, schöner Mann, dem es große | |
Freude machte, andere herauszufordern mit steilen Thesen über die Liebe. | |
Denn die, gerade die körperliche, war sein großes Lebensthema. Nun ist | |
Oswalt Kolle mit 81 Jahren gestorben. | |
Geboren wird Oswalt Kolle 1928 in Kiel. Bereits sein Großvater setzte sich | |
als Medizinprofessor für die Rechte von Homosexuellen ein, Kolles Vater | |
durfte als Psychiater unter den Nazis nicht publizieren. Oswalt absolviert | |
nach dem Krieg zunächst eine Ausbildung in der Landwirtschaft. In den | |
fünfziger Jahren entdeckt er als Boulevardjournalist sein Lebensthema: die | |
sexuelle Aufklärung. | |
Ab 1967 schreibt er für die Neue Revue die Serie "Das Wunder der Liebe", im | |
Jahr darauf veröffentlicht er das gleichnamige Buch. Fortan gilt er als | |
"Sexpapst". Zwischen 1968 und 1972 dreht Kolle acht Aufklärungsfilme. Die | |
Reaktionen von Kirche, Politik und Medien sind heftig: Kolles Familie wird | |
schikaniert und bloßgestellt, am Ende gehen die Kolles in die liberaleren | |
Niederlande. Einen so prominenten Gegner wie die Kirche wird er nie mehr | |
finden. | |
Dennoch, der Erfolg gibt ihm recht: mehr als hundert Millionen Zuschauer | |
sehen weltweit seine Kinofilme, die mit den prüden Normen der | |
Kriegsgeneration brechen. Die Zeiten ändern sich - auch dank ihm. "Liebe | |
kann man nicht lernen, Sexualität sehr wohl", mit diesem Lehrsatz klärt | |
Kolle sein Publikum auf. Stilprägend für seine Filme sind die herrlich | |
trockenen Off-Kommentare. | |
Auch mit seinem Privatleben sorgt Oswalt Kolle für Schlagzeilen. Als | |
Bisexueller lebt er mit seiner Frau Marlies in offener Ehe, die beiden | |
haben drei Kinder - eine große Projektionsfläche für Fantasien, die | |
Ausschweifungen des Aufklärers der Nation betreffend. Seine Affären mit | |
Horst Buchholz und Romy Schneider gehen durch die Klatschpresse. Als es mit | |
der Schneider ernst wird, gibt Marlies ihn frei mit den Worten: "Ich will | |
lieber einen glücklichen Vater als einen unglücklichen Ehemann." Ein | |
Arrangement, mit dem mindestens einer der beiden Partner vollauf zufrieden | |
sein konnte. Im Hause Kolle leben damals übrigens auch zwei | |
Hausangestellte, die allmorgendlich unter Kolles Aufsicht die Pille | |
schlucken müssen. Keine Sorge, der Feminismus wird sich sehr bald Bahn | |
brechen. | |
Im Jahr 2000, nach 47 Jahren Ehe, stirbt Marlies. Ihr Mann hilft ihr | |
hinüber. Sterbehilfe, würdiges Alter - das sind seine letzten Themen, bis | |
zum Schluss hat er ein hervorragenes Gespür für das, was die Leute bewegt. | |
Wieder ist es das Verdruckste, das ihn aufregt, wieder kann er sehr | |
entschieden werden, wenn es um die Rechte seiner Generation geht. Es ist | |
eines seiner ganz großen Verdienste, für die Nachkommen auch noch den Tod | |
enttabuisiert zu haben. | |
Am Freitag vergangener Woche ist Oswalt Kolle in Amsterdam gestorben. Er | |
wäre am 2. Oktober 82 Jahre alt geworden. Dass seine Familie die | |
Öffentlichkeit erst eine Woche später, erst nach der Beisetzung, | |
informiert, gehört wohl auch zu seinen Vorstellungen von Selbstbestimmung. | |
1 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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