# taz.de -- Tierschützer gegen Schnabel-Abtrennung: Quälerei im Hühnerstall | |
> In Deutschland wird fast allen Legehennen der Schnabel abgeschnitten, | |
> obwohl es laut Gesetz nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. In Österreich | |
> ist das längst abgeschafft. | |
Bild: Auf Tuchfühlung zueinander: Legehennen in Hühnerstall bei Wildeshausen … | |
Rund 90 Prozent aller Hennen in Deutschland wird der Schnabel mit einer | |
heißen Klinge abgeschnitten, kritisieren der Deutsche Tierschutzbund und | |
die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. Weil Legehennen sich | |
gegenseitig mit dem Schnabel pickten und teilweise sogar töteten, sei dies | |
gängige Praxis in Deutschland. | |
Den etwa 30 Millionen Tieren werde der empfindliche Schnabel bereits | |
während der Aufzucht abgetrennt. "Für die Tiere ist das schmerzhaft", sagt | |
Mahi Klosterhalfen von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, | |
"für die Tierhalter ist es die einfachste Lösung, die Hennen an die | |
Massentierhaltung anzupassen." Nun fordert die Tierschutzorganisation | |
Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) dazu auf, das Schnabelkürzen in | |
Deutschland zu beenden. | |
"Nach Tierschutzgesetz", entgegnet eine Sprecherin des Ministeriums für | |
Landwirtschaft, "ist das Schnabelkürzen verboten." Laut Gesetzestext gelte | |
es als Amputation. "Die Behörden der einzelnen Bundesländer können aber | |
Ausnahmegenehmigungen erteilen", so die Sprecherin des Ministeriums. Und | |
die werden erteilt, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Nach | |
Informationen des Tierschutzbundes ist es aber die Regel, dass die | |
Ausnahmegenehmigung erteilt wird. Denn nach der Umstellung von Käfig- auf | |
Bodenhaltung im Januar 2010 stellt das Federpicken ein noch größeres | |
Problem für die Geflügelwirtschaft dar als vorher. | |
"Mit dem Schnabelkürzen", kritisiert Frigga Wirths vom Deutschen | |
Tierschutzbund, "bekämpft man nur das Symptom, nicht die Ursache." In | |
Massentierhaltung steigern die Legehennen ihr in Maßen vorhandenes | |
Verhalten, sich gegenseitig zu picken, extrem. Sie reißen sich die Federn | |
aus oder fressen sich gegenseitig. Sterben die Tiere, wird es für die | |
Bauern teuer. Legehennen sind davon besonders betroffen, weil sie, anders | |
als Masthähnchen, die schon nach sechs Wochen geschlachtet werden, länger | |
leben. | |
Durch die Massentierhaltung sei ein Großteil der Hennen verhaltensgestört, | |
sagt Mahi Klosterhalfen von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere | |
Mitwelt. "Die Tiere picken sich gegenseitig, weil sie extrem hohem Stress | |
ausgesetzt sind." Ein Grund könne Eiweißmangel sein. Die Tiere würden | |
versuchen, Mangelernährung auszugleichen, indem sie sich gegenseitig picken | |
und so tierische Eiweiße bekommen. | |
Federpicken habe verschiedene Gründe und liege teilweise in der Natur der | |
Hennen, sagt Kerstin Spelthann, Sprecherin des Zentralverbandes der | |
Deutschen Geflügelwirtschaft. "Würde man die Schnäbel nicht behandeln, | |
würde das zu einer deutlich höheren Verletzungs- und damit Leidensrate der | |
Tiere führen." Deshalb sei es abzuwägen, ob eine kurzeitige "Behandlung" | |
der Schnäbel nicht eher zum Wohle des Tieres sei. | |
In anderen europäischen Ländern ist das Beschneiden der Tiere allerdings | |
längst abgeschafft. In Österreich konnte das Federpicken durch eine | |
Zusammenarbeit von Züchtern, Eier- und Futterproduzenten sowie | |
Tierschützern und Wissenschaftlern eingedämmt werden. Die Interessengruppen | |
einigten sich auf ein Programm, um das Schnabelkürzen abzuschaffen. | |
Es wurde versucht, möglichst viele Stressfaktoren durch besseres Management | |
abzustellen und Hennenrassen zu züchten, die weniger zum Federpicken | |
neigen. Gerade bei der Aufzucht der Hennen wurde darauf geachtet, dass die | |
Haltungsbedingungen die gleichen sind wie später im Stall. So gibt es einen | |
Stressfaktor weniger, weil die Tiere sich nicht umstellen müssen. In | |
Deutschland werden Küken meist im Käfig aufgezogen und leben später in | |
Bodenhaltung. Österreichs Hühnerhalter füttern proteinhaltigere Nahrung und | |
achten darauf, dass im Stall bessere Lichtverhältnisse und angenehmeres | |
Klima herrschen. | |
Wer sicher sein will, Eier von Hennen zu kaufen, die im Besitz ihres | |
Schnabels sind, der greife zu Bioeiern. Dort ist das Schnabel-Kappen | |
verboten. | |
3 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Simon Hufeisen | |
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