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# taz.de -- Klimawandel als Aufgabe: Spielend die Welt retten
> Das Computerspiel "A New Beginning" macht den Klimawandel zum Thema eines
> interaktiven Thrillers. Vorbild dafür war eine Forschungsarbeit der Uni
> Kiel.
Bild: Was wie ein Spiel aussieht, ist Realität: Hurricane "Gustav" in New Orle…
Im Jahr 2050 ist es soweit. London ist überflutet, Sydney brennt, Moskau
liegt unter einer Schneedecke. Die Erde ist zerstört. So zumindest in "A
New Beginning", einem Computerspiel über den Klimawandel. "Der Klimawandel?
Das ist doch kein Stoff für ein Spiel!", war die erste Reaktion des
Creative Directors und Autor des Spiels Jan Müller-Michaelis, als er von
der Idee hörte.
Solch ernste Angelegenheiten sind normalerweise Inhalt von Serious Games,
also Lernsoftware mit Unterhaltungsfaktor, aber nicht von Abenteuerspielen.
Schließlich hat der 33-Jährige sich doch eine überzeugende
Weltenrettergeschichte ausgedacht. Forscher Bent Svensson wollte einst die
Welt retten und ist daran zugrunde gegangen. Mit der Wasserstoffgewinnung
aus Mikroalgen wollte er Atmkraft und Co. ablösen.
Nun steht der einstige Workaholic krank und alleine da, hat die Arbeit
niedergelegt. Seine Therapeutin lässt ihn wie ein Mantra ständig
herunterbeten, dass er nicht für die ganze Welt verantwortlich ist. Als ihm
eine Besucherin aus der Zukunft das neue Lebensmotto austreiben will,
glaubt der Forscher an einen Scherz. Fay kommt aus dem Jahr 2500, in dem
die verbleibenden Menschen unter der Erde leben.
Sie sagt, allein Svensson könne den Klimakollaps aufhalten, indem er seine
Forschungen wieder aufnimmt. Um die Welt zu retten, muss der Spieler die
Alge beschaffen und sich gegen die Atomlobby durchsetzen. Er löst in der
Rolle von Fay und Svensson Rätsel, repariert mal ein Boot, mal bringt er
per Megaphon eine Demo in Schwung. Das Adventure wirkt wie ein spannender
Comic für Erwachsene. Die Handlung um Svenssons Zerrissenheit und die
Klimakatastrophe erscheint trotz Zeitreisen erschreckend glaubwürdig. Die
leicht veraltete Technik stört kaum und liegt an der langen
Entwicklungszeit. Drei Jahre haben die Mitarbeiter der Hamburger Firma
Daedalic Schauplätze gezeichnet, Dialoge geschrieben und recherchiert.
"A New Beginning" sollte kein wildes Hirngespinst sein, sondern
glaubwürdig. "Wir wollten die Realität einbauen. Die Fakten sind
dramatisiert, aber die Geschichte hat einen wahren Kern", sagt
Müller-Michaelis. Monatelang hat er dafür Beiträge über den Klimawandel
gelesen. Das Gegenmittel, um das sich im Spiel alles dreht, basiert auf der
Arbeit von Rüdiger Schulz an der Universität Kiel. Er erforscht die
Gewinnung von Wasserstoff durch Cyanobakterien und Mikroalgen. Skeptisch
war Schulz nicht, als die Computerspielfirma ihn angesprochen hat: "Als sie
mir sagten, sie wollen unsere Forschung in einem Spiel thematisieren, habe
ich mich total gefreut und sie zu einer Präsentation eingeladen. Ich finde
es toll, Wissenschaft verständlich darzustellen."
Damit der Spieler nicht durch sperrige Erklärungen gelangweilt wird,
erscheint Schulz Forschungsthema im Spiel stark vereinfacht. Auch hier
produziert die Alge in Tanks durch Lichteinstrahlung Wasserstoff. Der gilt
unter Experten als Energie der Zukunft. Was aber im Spiel die alleinige
Lösung aller Probleme, ist für Schulz eher ein wichtiger Teil eines
Puzzles. Biowasserstoff würde in 20-30 Jahren etwa rund 15 Prozent des
Energiebedarfs decken, einen Großteil wohl erst im Jahr 2100. Einfach
sagen, "wir wollen die Welt retten", darf Schulz anders als die
Spielehelden nicht, obwohl er von seiner Forschung auch nach 20 Jahren noch
begeistert ist. Das würde zu hohe Erwartungen wecken.
Einige Probleme von Held Svensson sind ihm bekannt. Das Ringen um die
Finanzierung zum Beispiel. Und die Zweifel, wenn auch nach langem
Herumprobieren die Wasserstoffausbeute der Algen noch zu gering ist; eins
der Hauptprobleme. An der Sache selbst habe er im Gegensatz zur Spielfigur
nie gezweifelt. Schließlich böte diese Methode erheblich mehr Potential als
die aktuellen alternativen Energien wie Windkraft. Schulz hofft, dass durch
das virtuelle Abenteuer mehr Menschen auf sein Projekt aufmerksam werden.
Vielleicht erreicht er mit steigender Bekanntheit sein ambitioniertes Ziel,
die Forschung so weit voranzutreiben, dass er bis zur Pensionierung
Wasserstoff an der Tankstelle tanken kann.
Ziel der Entwickler war weder der Einsatz für die Forschung, noch das
Aufzählen von Bilanzen. Sie wollen zeigen, dass jeder Verantwortung trägt
und sich informieren soll, statt nur oberflächlich zu meckern. "Wenn jemand
das Spiel unrealistisch findet, soll er sich in das Thema einlesen und es
selbst überprüfen", sagt Müller-Michaelis. Damit wäre schon etwas gewonnen.
Er hofft, dass es künftig mehr solcher Spiele mit ernsthaftem Hintergrund
geben wird.
Im Handel ist "A New Beginning" ab 8.10. 2010 erhältlich
6 Oct 2010
## AUTOREN
Nina Ernst
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